Ehemaliger US-Präsident Obama während einer Fernsehansprache
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Obama kritisiert CoV-Politik

Trumps „Leute wissen nicht, was sie tun“

Scharfe Kritik an der CoV-Politik der US-Regierung hat der frühere US-Präsident Barack Obama geübt: „Diese Pandemie hat vor allem unsere Überzeugung zunichtegemacht, dass die Leute, die in der Verantwortung stehen, wissen, was sie tun.“

Die Coronavirus-Krise legt nach Obamas Ansicht aber nicht nur die Ahnungslosigkeit von Regierenden offen. „Viele von ihnen tun nicht einmal so, als hätten sie die Verantwortung“, setzte der Ex-Präsident am Samstag in einer Videorede für eine Uniabschlussfeier noch eins drauf. Dabei nannte der demokratische Ex-Präsident keine Namen. Es galt aber als sicher, dass seine Kritik seinem republikanischen Nachfolger Donald Trump galt.

Von einigen US-Medien wurden die Äußerungen als seltene öffentliche Kritik an Regierungsbeamten gewertet, die für die Reaktion auf die Coronavirus-Pandemie in den USA verantwortlich sind, wie zum Beispiel die „Washington Post“ schrieb. Seit seinem Amtsende im Jänner 2017 trat Obama nur selten öffentlich auf. Er fühlt sich nach eigenen Angaben der Tradition verpflichtet, dass ein früherer Präsident die Arbeit seines Nachfolgers nicht öffentlich bewertet. Im Gegensatz dazu griff der amtierende US-Präsident Trump seinen Vorgänger mehrfach scharf an.

Appell bei virtueller Schulabschlussfeier

In einem weiteren Grußwort für eine virtuelle Abschlussfeier von High-School-Schülern schlug Obama am Samstagabend (Ortszeit) in die gleiche Kerbe und rief die Schulabsolventen auf, Verantwortung zu übernehmen und Initiative zu ergreifen. Wegen der Coronavirus-Pandemie fällt für Schüler in den USA die traditionelle Graduierungsfeier in diesem Jahr aus.

In der einstündigen Show, die Basketballstar LeBron James mit seiner Stiftung und Schulabsolventen aus allen Teilen der USA organisiert hatte und im Netz und von Fernsehsendern gezeigt wurde, traten Musiker wie Dua Lipa, H.E.R. und die Jonas Brothers auf. Kevin Hart, Timothee Chalamet, Pharrell Williams, Olivia Wilde und viele andere Schauspielstars machten bei dem Special „Graduate Together: America Honours the High School Class of 2020“ mit.

„Tut das Richtige“

Statt das Schulende mit Partys zu feiern, säßen sie nun bei ihren Eltern zu Hause fest, sagte der zweifache Vater Obama mit einem Augenzwinkern in seiner Liveansprache. Das sei eine schwierige Zeit, aber auch eine einmalige Chance für junge Menschen, die Welt zu verändern. „Macht nicht das, was bequem und einfach ist, sondern tut das Richtige“, gab der frühere US-Präsident den Schülern mit auf den Weg.

Viele Erwachsene, darunter auch Leute mit schicken Titeln oder wichtigen Jobs, würden es sich zu leicht machen. Deswegen sei vieles so verkorkst, mahnte Obama. Haltet an Werten wie Ehrlichkeit, Verantwortung, Fairness und gegenseitigen Respekt fest, forderte er die Absolventen auf.

Für die diesjährigen Hochschulabsolventen sind die Aussichten angesichts der wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Krise alles andere als rosig: Seit der Ausbreitung des Virus haben mehr als 36 Millionen Menschen in den USA ihren Job verloren, die Arbeitslosigkeit stieg auf fast 15 Prozent. Am Samstag meldete die US-Seuchenbehörde CDC einen Anstieg der registrierten Coronavirus-Infektionen um 22.977 auf 1,435 Millionen. Die Zahl der Todesfälle gab sie mit 87.315 an. Das sind 1.325 mehr als am Vortag. Die USA verzeichnen damit mehr Infektionen und Tote als jedes andere Land der Welt.

„Egoismus und Feinddenken“

Bereits vor gut einer Woche hatte Obama laut Medienberichten in vertraulichen Äußerungen Trump angegriffen. Dessen Krisenmanagement sei „eine absolute chaotische Katastrophe“, sagte Obama laut einem Audiomitschnitt eines Telefongesprächs mit früheren Mitgliedern seiner Regierung. Er kritisierte, in Trumps unangemessenen Reaktionen auf die Herausforderungen der Coronavirus-Pandemie spiegle sich eine Denkweise des „Was ist für mich drin“ und „Zum Teufel mit allen anderen“ wider. Egoismus und Feinddenken sei zu einem „stärkeren Impuls im amerikanischen Leben geworden“.

Die Sprecherin des Weißen Hauses, Kayleigh McEnany, reagierte: „Die Reaktion von Präsident Trump auf das Coronavirus war beispiellos und hat den Amerikanern das Leben gerettet.“ Obama unterstützt im Präsidentschaftswahlkampf den demokratischen Kandidaten Joe Biden. Biden, der unter Obama Vizepräsident der USA war, tritt im Herbst gegen Trump an.

„Trumps freitagabendliches Zeitlupenmassaker“

Trump feuerte unterdessen den internen Ermittler des Außenministeriums, Steve Linick, der eine Untersuchung gegen Ressortchef Mike Pompeo gestartet hatte. Linick, der lange als Staatsanwalt gearbeitet hatte, war 2013 von Obama ernannt worden. Ranghohe Demokraten im US-Kongress wittern eine politisch motivierte Aktion und wollen der Entlassung auf den Grund gehen. Pompeo zählt zu Trumps engsten Vertrauten und stützt dessen – unbewiesene – Theorie, dass das neuartige Coronavirus aus einem Labor im chinesischen Wuhan stammt.

Ein Bericht der „Washington Post“ verstärkte den Eindruck, dass es bei einer Reihe von Entlassungen in letzter Zeit auffällige Parallelen gab: Vergangenen Monat hatte Trump bereits den Generalinspekteur der Geheimdienste, Michael Atkinson, entlassen. Die Absetzung war ebenfalls an einem Freitag zu später Stunde bekanntgeworden. Ähnlich war es im Fall der geschäftsführenden Generalinspekteurin im Gesundheitsministerium, Christi Grimm, wie aus der Darstellung der Zeitung hervorgeht. Die „Washington Post“ überschrieb die Übersicht mit den Worten: „Trumps freitagabendliches Zeitlupenmassaker der Generalinspekteure“.

Repräsentantenhaus beschloss Billionenhilfspaket

Am Freitag beschloss das von den Demokraten kontrollierte US-Repräsentantenhaus ein neues CoV-Hilfspaket in Höhe von drei Billionen Dollar (2,8 Billionen Euro). Es gilt allerdings als unwahrscheinlich, dass auch der von den Republikanern kontrollierte Senat dem gigantischen Hilfspaket zustimmt. Selbst im Fall einer Zustimmung im Senat dürfte Trump sein Veto einlegen. Die Sprecherin des Weißen Hauses, McEnany, sagte am Freitag, der Entwurf sei „völlig inakzeptabel“ und ein „Rohrkrepierer“.

Die Demokraten nutzten ihren Vorstoß vor allem, um Druck auf die Republikaner zu machen und ihrer Forderung nach weiteren Konjunkturhilfen Nachdruck zu verleihen. Der US-Kongress hat seit März mit der Unterstützung beider Parteien bereits Konjunkturpakete in Höhe von rund 2,7 Billionen Dollar auf den Weg gebracht. Die Regierung des Republikaners Trump will zunächst die Wirkung der bisher verabschiedeten Gesetze abwarten, bevor über mögliche weitere Hilfen entschieden wird.