Mögliche IStGH-Ermittlungen: Zwist Ramallah – Wien

Ein vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) angestrebtes Ermittlungsverfahren zu möglichen Kriegsverbrechen in den palästinensischen Gebieten hat zu einem Zwist zwischen Österreich und Palästina geführt. Nach einem Brief an den IStGH, in dem Wien seine Position zu Ermittlungen darlegt, wurde Anfang der Woche die österreichische Vertreterin in Ramallah in das dortige Außenministerium zitiert.

Einige Staaten wie die USA oder Deutschland hatten vor dem Gericht in dem Rechtsstreit bereits kritisch Stellung bezogen. Die Chefanklägerin am IStGH, Fatou Bensouda, fordert Ermittlungen zu den ihrer Ansicht nach begangenen „Kriegsverbrechen“ im von Israel besetzten Westjordanland, in Ostjerusalem und im Gazastreifen.

Ausmaß der territorialen Jurisdiktion „fraglich“

Zwar ist Palästina dem Strafgerichtshof beigetreten, doch hielt Österreich in seiner Stellungnahme im März fest, dass dies „nicht automatisch bedeutet, dass Österreich und alle anderen Vertragsparteien des IStGH Palästina als souveränen Staat anerkennen und der Gerichtshof Jurisdiktion im vorliegenden Verfahren hat“, wie das Außenministerium auf APA-Anfrage mitteilte.

Und selbst wenn der Gerichtshof zuständig wäre, sei das „konkrete Ausmaß der territorialen Jurisdiktion fraglich“. Der IStGH müsse deshalb das Ausmaß der territorialen Zuständigkeit „genauestens prüfen“, Österreich vertraue dabei auf die Unabhängigkeit des Gerichtshofes, wird im Außenamt betont.

„Unmut“ über österreichische Position

Wie die palästinensische Nachrichtenagentur WAFA berichtete, habe Österreich in der Stellungnahme nicht nur darauf hingewiesen, dass Wien die palästinensischen Gebiete nicht als Staat anerkenne, sondern auch darauf, dass es keine diplomatischen Beziehungen auf „bilateraler Ebene“ gebe. Daraufhin sei die Leiterin der österreichischen Vertretung in Ramallah, Astrid Wein, ins palästinensische Außenministerium zitiert worden, so WAFA.

Die stellvertretende Außenministerin Amal Jadou habe gegenüber Wein den „Unmut“ und das „Missfallen“ über die österreichische Position kundgetan und davor gewarnt, dass dies einen „gefährlichen Präzedenzfall“ in den österreichisch-palästinensischen Beziehungen darstellen könnte.

Im Außenministerium in Wien hieß es dazu, dass es „rein völkerrechtlich gesehen“ diplomatische Beziehungen nur zwischen Staaten geben kann – und Österreich hat Palästina eben nicht bilateral als Staat anerkannt. Derzeit gibt es zwar keine klassische Botschaft in der palästinensischen Hauptstadt, 1998 errichtete Österreich jedoch ein Vertretungsbüro bei der Palästinensischen Nationalbehörde (PNA) in Ramallah für Entwicklungszusammenarbeit (EZA), das Teil der Austrian Development Agency (ADA) ist. Österreich trete weiterhin für eine Zweistaatenlösung auf Basis des Völkerrechts ein.