Polizist im Containerlager Röszke an der ungarisch-serbischen Grenze
Reuters/Marko Djurica
Nach EU-Kritik

Ungarn schließt Transitlager für Asylwerber

Ungarns Regierung schließt die zwei umstrittenen Transitlager für Asylwerberinnen und Asylwerber unmittelbar an der Grenze zu Serbien. Das gab Kanzleramtsminister Gergely Gulyas am Donnerstag in Budapest bekannt. Der EuGH hatte die Unterbringung der Menschen im abgeschotteten Containerlager Röszke zuletzt als „Haft“ eingestuft.

Die Transitzone sei „eine Lösung gewesen, die Ungarns Grenzen geschützt hat“, sagte Gulyas. Die Regierung sei zwar nicht einverstanden mit dem Urteil des EuGH, kritisierte Gulyas. Doch als EU-Mitgliedsstaat sei Ungarn verpflichtet, diesem zu folgen.

Wer künftig einen Asylantrag für Ungarn stellen wolle, der könne das ab sofort nur noch außerhalb Ungarns – in ungarischen Botschaften oder Konsulaten in Nicht-EU-Ländern – machen, betonte der Minister. 280 Insassen würden in Asylbewerberunterkünfte verlegt, erklärte er zudem.

Stacheldraht und Wachturm im Containerlager Röszke an der ungarisch-serbischen Grenze
Reuters/Bernadett Szabo
Der EuGH hatte die Unterbringung der Asylwerber im Containerlager Röszke als „Haft“ eingestuft

Weiters erklärte der Kanzleiminister, dass die Regierung kommende Woche am Dienstag im Parlament den Regelentwurf über die Abschaffung der umstrittenen Notstandsbefugnis einreichen werde. Der Krisenstab werde seine Tätigkeit jedoch weiter fortsetzen. Mit dem am 30. März verabschiedeten Coronavirus-Notstandsgesetz hatte sich das von Orbans rechtsnationaler Regierungspartei FIDESZ kontrollierte ungarische Parlament selbst entmachtet. Das Gesetz ermöglichte der Regierung, unbegrenzt auf dem Verordnungsweg per Dekret zu regieren.

Urteil: Unterbringung verstößt gegen EU-Recht

Die Unterbringung von Asylwerbern im Containerlager Röszke an der ungarisch-serbischen Grenze ohne Einzelfallprüfung verstößt nach Ansicht des Gerichtshofs gegen EU-Recht. Die Bedingungen in dem Lager glichen einer Inhaftierung, befanden die Luxemburger Richter vergangene Woche. Bereits seit 2017 werden in Ungarn Menschen in zwei Lagern nahe der Grenze zu Serbien untergebracht.

Hintergrund für den Spruch sind die Klagen von vier Asylwerbern aus Afghanistan und dem Iran, die in der Transitzone untergebracht sind. Die Gebiete sind mit einem hohen Zaun und Stacheldraht umgeben. Die vier Asylwerber durften ihren Sektor nur in Ausnahmefällen und in polizeilicher Begleitung verlassen. Besuch war nur nach vorheriger Genehmigung in einem gesonderten Container erlaubt.

Betroffene klagten gegen Unterbringung

Die ungarischen Behörden hatten die Asylanträge als unzulässig abgelehnt, weil die Geflüchteten via Serbien eingereist waren. Das Nachbarland Serbien weigerte sich aber, die Asylwerber wieder aufzunehmen. Damit lag der Ball wieder bei Ungarn: Das Land unter der Regierung des rechtsnationalen Ministerpräsidenten Viktor Orban entschied daraufhin, die Flüchtlinge nach Afghanistan beziehungsweise in den Iran abzuschieben. Die Asylwerber klagten gegen die Entscheidungen und die Unterbringung. Das mit den Klagen befasste ungarische Gericht rief den EuGH an.

Lager „aus eigenen Stücken“ nicht zu verlassen

Der Gerichtshof stellte zu den Bedingungen in Röszke fest, dass die Asylwerber das abgeschottete Gebiet „aus eigenen Stücken rechtmäßig in keine Richtung verlassen“ könnten. Sie könnten die Zone insbesondere nicht in Richtung Serbien verlassen, weil das von den serbischen Behörden als rechtswidrig angesehen würde und sie deshalb mit Sanktionen rechnen müssten. Sie könnten zudem dadurch jegliche Aussicht auf Anerkennung als Flüchtling in Ungarn verlieren.

Der EuGH stellte zudem klar, dass die Rechtmäßigkeit einer als „Haft“ eingestuften Unterbringung durch Gerichte überprüft werden muss. Wenn eine gerichtliche Prüfung ergebe, dass Asylwerber „ohne gültigen Grund in Haft genommen wurden, muss das angerufene Gericht sie unverzüglich freilassen“, erklärte der EuGH.

Migranten protestieren in der „Transitzone“ bei Röszke, Ungarn
Reuters/Bernadett Szabo
Geflüchtete aus Syrien im Lager Röszke im August 2015

Ungarn argumentiert mit „freiwilligem“ Aufenthalt

Die Regierung Orban verfolgt seit Jahren eine Politik der Abschottung und Abschreckung von Flüchtlingen und Migranten. Seit mehreren Jahren hält das Land Asylwerber in den Containerlagern fest. Ungarn argumentiert stets, die Menschen hielten sich „freiwillig“ dort auf, weil sie die Lager in Richtung Serbien verlassen könnten. Wer jedoch nach Serbien zurückkehrt, verliert in Ungarn automatisch seinen Status als Asylwerber.

Wegen der ungarischen Transitlager läuft noch ein weiteres Verfahren vor dem EuGH. Die EU-Kommission klagte das Land bereits 2018 im vorerst letzten Schritt eines Vertragsverletzungsverfahrens, weil die Lager nach Ansicht der EU-Behörde gegen EU-Recht verstoßen.