Hubert Fuchs, Jan Krainer und Karin Doppelbauer
APA/Georg Hochmuth
Vor Nationalrat

Opposition protestiert gegen „Fake-Budget“

Die Oppositionsparteien SPÖ, FPÖ und NEOS haben am Freitag gemeinsam gegen den kommende Woche im Nationalrat bevorstehenden Budgetbeschluss protestiert und der türkis-grünen Regierung eine grobe Missachtung des Parlaments vorgeworfen. Stein des Anstoßes ist die Tatsache, dass Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) dem Parlament Budgetzahlen vorlegt, die vor der Coronavirus-Krise erstellt wurden.

Blümel argumentiert bereits seit Längerem gegen eine Aktualisierung der Zahlen, weil auch diese schließlich falsch sein würden. Dass er aber Ende April der EU-Kommission aktuelle Zahlen vorgelegt hat, stößt der Opposition sauer auf, wie die drei Budgetsprecher Jan Krainer (SPÖ), Hubert Fuchs (FPÖ) und Karin Doppelbauer (NEOS) bei einer gemeinsamen Pressekonferenz erklärten.

In der am Dienstag startenden Budgetwoche im Plenum würde daher ein „Fake-Budget“ und „das Altpapier des Finanzministers“ diskutiert, so die Opposition. Das Parlament solle ein Budget beschließen, von dem es jetzt schon wisse, dass es bei einem Budget von insgesamt 80 Mrd. Euro um 50 Mrd. Euro abweichen werde, so Krainer. Das sei nicht nur gegenüber dem Parlament, sondern auch den Wählern gegenüber eine „Respektlosigkeit“. Die SPÖ hielte den bevorstehenden Budgetbeschluss überhaupt für rechts- und verfassungswidrig und lasse das von externen Experten prüfen. Gegebenenfalls werde man entsprechende Schritte setzen, kündigte Krainer an.

Pressekonferenz der Opposition zum Budget

Die Budgetsprecher Jan Krainer (SPÖ), Hubert Fuchs (FPÖ) und Karin Doppelbauer (NEOS) kritisieren Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) und seinen Budgetentwurf.

Für FPÖ „Mistkübelbudget“

Finanzminister Blümel sei „nicht in der Lage, etwas zu machen, was alle anderen Minister vor ihm geschafft haben: ein Budget vorzulegen“, empörte sich auch Hubert Fuchs von der FPÖ und sprach wörtlich von einem „Mistkübelbudget“. Er bezog sich dabei auf die Aussagen von Blümel, der gemeint hatte, er habe nach Ausbruch der Coronavirus-Krise sein Budget, das zu dieser Zeit dem Parlament hätte vorgestellt werden sollen, in den Mistkübel geschmissen.

Die Argumente des Ministers, dass auch die aktuellen Zahlen am Ende falsch sein werden, weil die Kosten der Krise noch nicht zur Gänze abschätzbar seien, lässt die Opposition nicht gelten. „Jedes aktualisierte Budget ist richtiger und besser als eines, das vor Corona erstellt wurde“, so Fuchs. Niemand würde es dem Minister vorwerfen, wenn es am Ende des Tages Abweichungen gebe.

Aber einfach das Budget beim Alten zu belassen und sich nicht die Mühe zu machen, es zu aktualisieren, sei „ein Ausdruck großer Respektlosigkeit und Missachtung des Hohen Hauses. Das ist traurig“, so Fuchs, der auch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) in die Pflicht nahm.

Opposition ortet Missachtung des Parlaments

Sobotka müsse handeln und der Regierung einen offenen Brief schreiben, pflichtete ihm Doppelbauer bei. Auch der Streit zwischen Regierung und Opposition um die Einsetzung eines Covid-19-Unterausschusses, der alle budgetrelevanten Maßnahmen in Zusammenhang mit der Epidemie detailliert prüfen soll, zeige die Missachtung – vor allem der ÖVP – gegenüber dem Parlament.

Die Regierung wolle 28 Milliarden Euro ohne parlamentarische Kontrolle am Hohen Haus „vorbeischwindeln“. Ein solcher Unterausschuss sei „die Essenz der parlamentarischen Kontrolle“. „Der jungen Gruppe um (Bundeskanzler Sebastian, Anm.) Kurz herum ist das Parlament aber egal. Sie halten nichts vom parlamentarischen Diskurs“, so NEOS-Abgeordnete Doppelbauer.

Hubert Fuchs, Jan Krainer und Karin Doppelbauer
APA/Georg Hochmuth
Für Zwist zwischen Opposition und Regierung sorgt auch die Einsetzung eines Covid-19-Untersuchungsausschusses

Blümel: „Allermeiste Zahlen nach wie vor korrekt“

Blümel konterte am Freitag in einer Pressekonferenz damit, dass „die allermeisten Zahlen im Budget nach wie vor korrekt“ seien. Aber wegen der Schwierigkeit, in der Coronavirus-Krise die Wirtschaftsentwicklung zu prognostizieren, könne man keine genaue Einnahmen- und Ausgabenschätzung machen.

Die Prognosen der Wirtschaftsforscher gingen für heuer von einem „Minuswachstum zwischen 3,5 und neun Prozent“ aus, erläuterte Blümel die Problematik: „Welche Zahl sollte man als Grundlage für die Einnahmenschätzung nehmen, jede wird falsch sein.“ Natürlich bilde sich die schwierige Zeit durch das Coronavirus im Budget ab. „Ein Kassasturz ist erst im Herbst möglich“, so der Finanzminister.

Finanzminister Gernot Blümel
APA/Helmut Fohringer
Ein Kassasturz sei erst im Herbst möglich, so Blümel

Ursprüngliches Budget durch Pandemie hinfällig

Ursprünglich hat die Regierung für heuer Einnahmen von 81,8 und Ausgaben von 82,4 Mrd. Euro eingeplant. Beide Zahlen sind aber Makulatur: Wegen des starken Einbruchs der Wirtschaft durch die Covid-19-Pandemie und den zu ihrer Eindämmung verhängten „Lock-down“ wird der Bund heuer deutlich weniger einnehmen und gleichzeitig viel mehr Geld für die Krisenbekämpfung ausgeben.

Daher wollen ÖVP und Grüne der Regierung per „Überschreitungsermächtigung“ erlauben, die vorgesehenen Ausgaben um 28 Mrd. Euro zu überziehen. Damit könnte der Bund heuer bis zu 110 Mrd. Euro ausgeben – ein neuer Rekord, denn auch im Krisenjahr 2008 waren es „nur“ 80,3 Mrd. Euro. Die Einnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden dürften den Schätzungen des Finanzministeriums zufolge um 11,5 Mrd. Euro einbrechen.

An die EU-Kommission hat Finanzminister Blümel daher bereits ein deutlich höheres Defizit gemeldet: statt einem Prozent der Wirtschaftsleistung schätzt er das Minus aktuell auf acht Prozent bzw. 30,5 Mrd. Euro. Damit würde der bisherige Rekordwert des Jahres 1995 (6,1 Prozent des BIP) klar überschritten. Die Schulden würden mit 81,4 Prozent aber unter dem bisherigen Höchstwert (84,9 Prozent 2015) bleiben.

Gesetzliches Budgetprovisorium gilt bis Anfang Juni

Die von der Opposition geforderte Korrektur des Budgetentwurfs haben ÖVP und Grüne allerdings abgelehnt. Einzig die Ausgabengrenze des Finanzrahmens wurde angehoben und der Finanzminister ermächtigt, auf kurzem Weg bis zu 15 Mrd. Euro lockerzumachen. Das neue Budget soll nun mit 1. Juni in Kraft treten. Bis dahin gilt das gesetzliche Budgetprovisorium.

Vor dem eigentlichen Einstieg in die Budgetdebatte behandelt der Nationalrat traditionell das Budgetbegleitgesetz, so auch am Dienstag. Die Schlussabstimmung über den ersten türkis-grünen Haushalt folgt dann nach mehrtägiger Diskussion am Donnerstag. Den Freitag nehmen sich die Abgeordneten noch Zeit für eine weitere Sitzung, in der die Regierungsspitze unter anderem die neue Grünen-Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer vorstellt.