Raymond Chan Chi-chuen wird aus dem Legislativrat getragen
AP/Kin Cheung
Hongkong-Gesetz

China und USA auf Kollisionskurs

Chinas Pläne für ein neues Sicherheitsgesetz für Hongkong haben am Freitag hohe Wellen geschlagen. Mit dem Gesetz würde Peking stärker als je zuvor in die Politik der Sonderverwaltungszone eingreifen. So könnte China etwa Protestbewegungen als subversiv und terroristisch einstufen und damit niederschlagen. Kritiker sehen die Autonomie und die demokratischen Sonderrechte Hongkongs bedroht. Empört zeigte sich nicht nur die Demokratiebewegung Hongkongs, sondern auch die USA.

Der Vorschlag des chinesischen Volkskongresses sei „desaströs“ und „willkürlich“, so US-Außenminister Mike Pompeo am Freitag. Er mahnte, dass er die Beziehungen zwischen China und den USA bedrohen könnte. Das Gesetz wäre „ein Todesstoß für das hohe Maß an Autonomie, das Peking Hongkong versprochen hat“. Auch US-Präsident Donald Trump hatte bereits am Donnerstag davor gewarnt, neue Sicherheitsgesetze für Hongkong einzuführen und die Freiheiten der Bürger zu beschneiden. Die USA würden bei der Einführung eines solchen Gesetzes „sehr deutlich“ reagieren, so Trump.

China antwortete auf diese Drohung ebenso scharf: Man verwahre sich gegen Einmischungen aus dem Ausland in die Hongkong-Politik des Landes. Kein Land würde es Separatisten erlauben, die nationale Sicherheit zu gefährden, sagte der Sprecher des Außenministeriums in Peking, Zhao Lijan. China sei bereit zum Dialog mit der Regierung in Washington, werde aber zurückschlagen, falls die USA versuchen würden, China zu unterdrücken. Im schlechten Verhältnis zwischen den beiden Großmächten könnte das Thema Hongkong das nächste Zerwürfnis bedeuten.

Angst vor „Geheimpolizei“

China will mit dem neuen Gesetz die autonome Sonderzone Hongkong enger an die Leine nehmen. Angesichts der Massenproteste des vergangenen Jahres sollen „Vollstreckungsmechanismen“ verschärft und Subversion, Terrorismus, Separatismus und ausländische Einmischung verhindert und bestraft werden. Das bedeutet, dass Aktivitäten gegen die Pekinger Zentralregierung künftig unter Strafe gestellt werden könnten. Der Demokratieaktivist Joshua Wong warnte davor, dass demokratische Bewegungen dadurch „vernichtet“ werden könnten.

Tausende Menschen mit Regenschirmen während der aufkeimenden Protestwelle in Hongkong
APA/AFP/Anthony Wallace
Im Vorjahr war in Hongkong ausdauernd gegen die Zentralregierung protestiert worden

Geplant ist laut China auch die Einrichtung von „Außenstellen chinesischer Sicherheitsorgane“ in Hongkong, welche die „nationale Sicherheit sichern sollen“. Wong sprach von einer „Geheimpolizei“, welche die Hongkonger Exekutive verdrängen und gegen Dissidenten und Regierungskritiker vorgehen könnte. Bisher konnte die Polizei des Festlands in Hongkong offiziell nicht eingreifen.

Bezeichnend ist auch, dass das Gesetz vom Volkskongress kommt. Das Hongkonger Parlament wird damit umgangen. Der Volkskongress muss dem Vorschlag am 28. Mai noch offiziell zustimmen. Die pekingtreue Hongkonger Regierungschefin Carrie Lam kündigte am Freitag an, das Gesetz in vollem Umfang umzusetzen.

Volkskongress in China

In Peking startet der alljährliche chinesische Volkskongresses. Die Bewältigung der Coronavirus-Krise sowie ein schärferes Vorgehen gegenüber Hongkong sind zwei der Hauptthemen.

„Ein Land, zwei Systeme“ Vergangenheit?

Das chinesische Vorgehen ist ein Schlag gegen die Hongkonger Autonomie. Die Finanzmetropole war 1997 von Großbritannien an China übergeben worden, wobei ihr für 50 Jahre weitgehende wirtschaftliche und demokratische Sonderrechte zugesichert wurden. Seither gilt die Devise „Ein Land, zwei Systeme“. Doch dieses Prinzip war in den vergangenen Jahren zunehmend erodiert.

Chief Executive Carrie Lam
APA/AFP/Anthony Wallace
Die Hongkonger Regierung stellte sich hinter Pekings Pläne

Im vergangenen Jahr sorgten dann schwere Proteste gegen Peking monatelang für einen Ausnahmezustand in Hongkong, sie stürzten das Land in eine schwere Krise. Erst das Coronavirus brachte die Demonstrationen zum Erliegen. Die Pandemiebeschränkungen wurden zuletzt bis nach 4. Juni ausgedehnt. An diesem Tag findet traditionell eine Mahnwache zum Tiananmen-Massaker statt. Offenbar hofft China, dass durch die Beschränkung und die Angst vor einer Ausbreitung des Virus auch neue Proteste unterbleiben. Die Demokratiebewegung rechnet hingegen mit neuen Massenprotesten.

China-Korrespondent Dollinger über den Volkskongress

Josef Dollinger (ORF) berichtet über den Volkskongress in Peking.

Bereits zweiter Versuch

Es ist nicht der erste Versuch Chinas, ein solches Gesetz durchzubringen. Schon 2003 hatte Peking gefordert, dass Hongkong Artikel 23 seiner Verfassung implementiert. Dieser sieht vor, dass die Sonderverwaltungszone Chinas nationale Sicherheitsgesetze umsetzen muss, um „Verrat, Spaltung, Aufwiegelung (und) Subversion“ und „Terrorismus“ gegen die Regierung in Peking bzw. den Sturz der Zentralregierung zu verhindern. Der Artikel wurde aber wegen Widerstands in der Bevölkerung nie umgesetzt. Eine halbe Million Menschen war damals auf die Straße gegangen und hatte das verhindert. Seither lagen die Pläne für ein Sicherheitsgesetz auf Eis.

Raymond Chan Chi-chuen wird aus dem Legislativrat getragen
Reuters/Ryrone Siu
Eine Protestaktion im Hongkonger Parlament

Der Demokratieaktivist Wong rief nun die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und andere europäische Regierungschefs zur Hilfe auf. Das neue chinesische Gesetz bedeute nämlich „das Ende jeder Freiheit“, sagte Wong der „Bild“-Zeitung am Freitag. Anführer der prodemokratischen Kräfte in Hongkong verurteilten das Vorhaben als Angriff auf die Bürgerrechte in der Sonderverwaltungszone. Abgeordnete der Fraktion in Hongkongs Parlament werteten die Pläne der chinesischen Regierung als „Tod Hongkongs“. Die Spannungen schlugen am Freitag auch auf den Finanzmärkten durch.

Die EU reagierte indes besorgt auf den Vorstoß. Die Europäische Union rufe dazu auf, „Hongkongs hohes Maß an Autonomie“ zu bewahren, so der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Freitag. Für die EU sei die Wahrung dieses Prinzips von „großer Bedeutung“, hieß es in der von den 27 Mitgliedstaaten verabschiedeten Erklärung. „Wir beobachten die Situation genau und erwarten, dass China Hongkongs Rechte, Freiheiten und dessen hohes Maß an Autonomie respektiert“, hieß es auch von der britischen Regierung.