Minenarbeiter bei einer Kohlegrube in Katowice
Reuters/Kacper Pempel
Tschechien und Polen

Kohlengruben als Infektionsherde

Polen und Tschechien haben die Coronavirus-Pandemie bisher erfolgreich eindämmen können: Bei Infektionszahlen und Todesopfern schneiden sie im internationalen Vergleich hervorragend ab. Doch auch in diesen beiden Ländern zeigte sich ein mittlerweile bekanntes Problem: Schwierige und enge Arbeitsverhältnisse sind der optimale Nährboden für das Virus. So kämpfen Polen und Tschechien nun mit Infektionsherden in Kohlengruben.

In Polen konzentrierten sich die Neuinfektionen den vergangenen Tagen auf die Kohlebergbauregion Oberschlesien. Nach ersten Infektionsclustern Mitte April ist seit Anfang Mai dort ein deutlicher Anstieg der Erkrankungen verzeichnet.

Denn trotz strenger Maßnahmen im ganzen Land wurde in den Kohlengruben weiter gearbeitet. Zwar wurden Arbeitsschichten ausgedünnt und die Lifte, in denen sonst bis zu 120 Mann gleichzeitig in die Mine gebracht werden, in vielen Gruben nur noch zur Hälfte besetzt. Dennoch gibt es bei der schweren Arbeit jede Menge Körperkontakt – von der Einfahrt in die Mine bis hin zu den engen Duschen. Ein Gutachten der Regierung hatte die Gefahr im März heruntergespielt: Das Virus habe in den Minen keine Überlebenschance, weil es dort so warm sei.

Furcht vor einem „Wuhan“ Polens

Doch das erwies sich als Irrtum: In der Woiwodschaft Schlesien gibt es mittlerweile 6.500 positiv Getestete, in ganz Polen sind es – mit Stand Freitag – 20.400. Doch mittlerweile glaubt man an eine hohe Dunkelziffer in den Kohlerevieren: In Polen wird im Vergleich zu anderen Ländern relativ wenig getestet. In polnischen Medien wird Oberschlesien schon als „Wuhan“ und die „Lombardei“ Polens bezeichnet. Die Region ist eine der dichtestbesiedelten in Polen. Geschätzte 60.000 Bergarbeiter leben hier, fast 40.000 von ihnen wurde zuletzt per SMS aufgefordert, ihre Wohnung nicht mehr zu verlassen.

Minenarbeiter in einer Kohlegrube in Darkov
AP/CTK/Jaroslav Ozana
Arbeit in einer Kohlengrube in Darkov

Gerüchte über Abriegelung

Die polnische Regierung war in den vergangenen Wochen vor allem mit dem Streit über die Formalitäten der verschobenen Präsidentenwahl beschäftigt und nahm das Problem erst in den Fokus, als Gerüchte die Runde machten, die ganze Region könnte abgeriegelt werden. Das wurde zunächst dementiert, vor einigen Tagen besuchte zunächst Schatzminister und Vizepremier Jacek Sasin die Region, dann auch Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, sie versuchten die Stimmung zu beruhigen: Kein Bergarbeiter werde seine Arbeit verlieren und Polens Energiesicherheit bleibe gewährleistet, sagte Sasin. Allerdings hieß es auch, man werde den Steinkohlebergbau „konsolidieren“.

Todesstoß für Kohlebergbau?

Tatsächlich beruhen zwar 80 Prozent der Energieversorgung Polen auf Kohle, Pläne für einen langsamen Ausstieg sind aber auch hier absehbar – und das nicht nur aus ökologischen Gründen: Die Minen arbeiten hochdefizitär und sind auf Millionensubventionen der Regierung angewiesen. Dass nun erste Gruben tatsächlich geschlossen wurden, lässt viele Kumpel befürchten, dass sie nie wieder aufsperren, auch aus Sicherheitsgründen: Eine Mine, in der nicht ständig gearbeitet und Wasser abgepumpt wird, gilt als gefährlich.

Die Bergbaugewerkschaften fürchten nun, dass das Coronavirus das Ende des Kohlebergbaus und damit das Aus für zehntausende Arbeitsplätze sein könnte. Und so stehen der Region und wohl auch ganz Polen nicht nur gesundheitliche, sondern auch politisch turbulente Zeiten ins Haus: Demnächst findet die Präsidentenwahl statt, bei der sowohl das Virus als auch die Zukunft des Bergbaus Thema sein wird. Der ursprüngliche Wahltermin am 10. Mai wurde abgesagt, neuen Termin gibt es noch keinen.

Ausbruch auch in Tschechien

Ähnliche Probleme, wenn auch noch im geringeren Ausmaß, gibt es ein paar Kilometer südlich in der Kohlengrube im tschechischen Darkov bei der Stadt Karvina. Bereits 150 Bergleute und ihre Verwandten wurden positiv getestet. Die örtlichen Behörden ordneten für die nächsten Tage flächendeckende Tests in dem Betrieb bzw. in den Familien der Mitarbeiter an.

Laut Medienberichten soll es sich insgesamt um zusätzliche 2.400 Menschen handeln, die getestet werden sollen, nachdem bereits mehr als 1.000 Tests durchgeführt worden waren. Unter den angesteckten Mitarbeitern seien auch mehrere Berufspendler aus Polen, hieß es weiter.

Bisherige Strategie erfolgreich

Tschechien wie Polen verzeichnen abgesehen von den Hotspots fallende Infektionszahlen, deshalb traten zuletzt strengere Maßnahmen außer Kraft, auch weitere Lockerungen stehen an. In Tschechien gab es bisher 8.750 Infizierte, etwas mehr als 300 Menschen starben. In Polen waren rund 970 Todesopfer bisher zu beklagen. Hochgerechnet auf 100.000 Einwohner sind das für beide Länder laut den Zahlen der Johns Hopkins University 2,5 bis drei Tote. Zum Vergleich: In Österreich sind es rund sieben. Bei der Zahl der Infizierten auf die Gesamtbevölkerung gerechnet sieht es ähnlich aus.

Generell sind osteuropäische Länder von der Pandemie weit weniger stark betroffen als andere EU-Länder. Erklärt wird das unter anderem damit, dass die Reiserouten in den Osten weniger stark frequentiert seien, damit hätten die Länder einen Zeitpuffer erhalten, den man für strenge Maßnahmen auch gut nutzte, um das Infektionsgeschehen möglichst einzudämmen.