Abgeholzte Parzelle in brasilianischem Regenwald
Reuters/Paulo Whitaker
Rekordabholzung

CO2-Ausstoß in Brasilien steigt trotz CoV

Wegen der Einschränkungen in der Coronavirus-Krise ist in vielen Ländern der Welt der Kohlendioxidausstoß zurückgegangen. In Brasilien steigt er dagegen. Denn die Abholzung des Amazonas-Regenwaldes hat sich im Schatten der Pandemie weiter beschleunigt.

Der CO2-Ausstoß könnte in Brasilien um zehn bis 20 Prozent steigen. Darauf deutet eine Studie des nicht staatlichen Klimaschutznetzwerks Observatorio do Clima hin. Der starke Anstieg der Abholzung im brasilianischen Amazonas-Gebiet in diesem Jahr gleicht den Rückgang der Emissionen aufgrund der verringerten Wirtschaftsleistung laut der Studie aus.

Falls die Entwaldung im Mai, Juni und Juli dieses Jahres der des Vorjahreszeitraums gleichen sollte, könnten dem Observatorio do Clima zufolge in Amazonien heuer 51 Prozent mehr Emissionen als 2018 ausgestoßen werden.

Regenwaldvernichtung auf Rekordhoch

Die Abholzung im Amazonas-Gebiet hat erneut ein Rekordtempo angenommen. 1.200 Quadratkilometer vernichteten Regenwaldes hatte das Nationale Institut für Weltraumforschung INPE, das Satellitenbilder auswertet, für die ersten vier Monate des Jahres vorläufig registriert. Das ist 55 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum und der höchste Wert von Jänner bis April seit Beginn der Datenerfassung 2015.

Sägewerk in Brasilien
AP/Andre Penner
Während die Wirtschaft stillsteht, schlägt die Abholzung des Regenwalds neue Rekorde

Das nicht staatliche brasilianische Amazonas-Forschungsinstitut Imazon hat in Amazonien für April eine abgeholzte Fläche von 529 Quadratkilometern registriert – ein Anstieg von 171 Prozent im Vergleich zum April des vergangenen Jahres. Die hohe Zunahme der Abholzung in den ersten vier Monaten ist besonders besorgniserregend, weil die Brandsaison am Amazonas mit trockenerem Wetter erst Ende Mai beginnt.

„Holzfäller machen kein Homeoffice“

Während die Coronavirus-Krise Umweltbeamte in ihrer Arbeit in Brasilien einschränkt, machen illegale Holzfäller und Plünderer anderer Ressourcen einfach weiter. Vielerorts nutzen arbeitslos gewordene Menschen den Wald nach Angaben des WWF zudem aufgrund wegbrechender Jobs als Einnahmequelle. „Illegale Holzfäller machen kein Homeoffice“, sagte auch Romulo Batista, Sprecher der Greenpeace-Kampagne zur Verteidigung Amazoniens.

„Somit steht fest, dass die Pandemie die ohnehin kritische Situation des Regenwaldes und der darin beheimateten indigenen Völker in der brasilianischen Amazonas-Region lediglich noch intensiviert“, heißt es im Länderbericht der Konrad-Adenauer-Stiftung in Brasilien.

Mit Holz beladener Lkw
Reuters/Ueslei Marcelino
Im Schatten der Pandemie sehen Holzfäller die Gunst der Stunde

Dabei war die Abholzung bereits im vergangenen Jahr sehr hoch im Vergleich zu den Vorjahren. Im ersten Jahr der Amtszeit von Präsident Jair Bolsonaro brannten 2019 mehr als 10.000 Quadratkilometer Urwald nieder. Kritiker werfen ihm vor, die kommerzielle Ausbeutung von geschützten Amazonas-Gebieten zu befürworten. Bolsonaro ist eng mit der brasilianischen Agrarlobby verbündet und zweifelt die Verantwortung des Menschen für den Klimawandel an.

Bolsonaros „Landraub-Gesetz“

Während sich Indigene auch wegen ihrer Lebensweise als „Hüter des Waldes“ verstehen und diesen zum Leben nutzen, wollen Großgrundbesitzer, Holzfäller, Goldsucher, Kraftwerksbauer und Sojapflanzer an seine Reichtümer heran. „Und die Leute dringen in unsere Gebiete ein, weil sie davon ausgehen, ungestraft davonzukommen“, klagte etwa Cacique Kawore aus einem geschützten indigenen Gebiet im Para.

Abgeholzter Wald in Brasilien
Reuters/Bruno Kelly
Die Brandsaison hat noch gar nicht richtig begonnen

Bolsonaro hatte im Dezember ein Gesetzesprojekt eingebracht, das auch aufgrund internationalen Drucks bisher nicht behandelt wurde. Aber es könnte nun in den kommenden Wochen wieder auf die Agenda kommen. Das Projekt wird auch „Landraub-Gesetz“ genannt, weil es illegale Abholzung und unrechtmäßige Besetzung von öffentlichem Land vor 2018 nachträglich legalisieren würde.

Imazon zufolge könnten auch viele der Abholzungen im April von jenen durchgeführt worden sein, die noch keine Landtitel haben. Der Wissenschaftler Carlos Souza, der die Veränderung des Regenwaldes untersucht, sagte: „Zuerst nehmen sie die öffentlichen Flächen ein und danach versuchen sie, diese Gebiete legal zu bekommen.“

Pandemie drückt Emissionen

Die weltweiten CO2-Emissionen sind zur Hochzeit der Coronavirus-Pandemie zeitweise um etwa ein Sechstel zurückgegangen. Die globalen Tageswerte waren Anfang April um schätzungsweise bis zu 17 Prozent niedriger als im Jahresdurchschnitt 2019, wie Forscher in der Fachzeitschrift „Nature Climate Change“ mitteilten. In manchen Ländern seien die Emissionen gar um bis zu durchschnittlich 26 Prozent gefallen.

Die Einschränkungen für die Bevölkerung hätten zu drastischen Veränderungen beim Energieverbrauch und den CO2-Emissionen geführt, sagte Studienleiterin Corinne Le Quere von der britischen University of East Anglia. Sollte es bis zum Jahresende weltweit weiter Einschränkungen wegen des Coronavirus geben, dann werde auf das Jahr gerechnet der CO2-Ausstoß um sieben Prozent sinken.

Allerdings werde die Entwicklung langfristig vermutlich keinen großen Einfluss auf den Klimawandel haben, sagte Le Quere weiter. „Der Rückgang ist vermutlich temporär, weil es keine strukturellen Änderungen in den Wirtschafts-, Transport- und Energiesystemen gibt.“