Bundeskanzler Sebastian Kurz, Schwedens Ministerpräsident Stefan Löfven, der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte und Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen
Reuters/Virginia Mayo
Coronavirus-Nothilfe

Kurz und Verbündete legen Position vor

Die Nothilfe für die von der Coronavirus-Krise am stärksten getroffenen Staaten soll nach dem Willen von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und seiner Verbündeten einmalig und auf zwei Jahre befristet sein. In einem am Samstag veröffentlichten gemeinsamen Positionspapier betonen Österreich, die Niederlande, Dänemark und Schweden, sie wollen mit Krediten zu günstigen Bedingungen helfen.

Das Papier ist ein Gegenentwurf auf den von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron vorgelegten Vorschlag. Deren Konzept sieht vor, dass 500 Milliarden Euro von der EU-Kommission als Kredite am Kapitalmarkt aufgenommen und über den EU-Haushalt als Zuwendungen – und nicht als Kredite – verteilt werden sollen. Die EU-Kommission will am Mittwoch ihren Vorschlag für den Wiederaufbauplan vorlegen.

Die Covid-19-Krise erfordere europäische Solidarität und eine gemeinsame Wiederaufbaustrategie, heißt es nun in dem Papier der vier Länder. „Wir schlagen deshalb einen temporären, einmaligen Nothilfefonds zur Unterstützung der wirtschaftlichen Erholung und zur Widerstandsfähigkeit unserer Gesundheitssektoren für mögliche künftige Wellen vor.“

Dieser Fonds soll zusätzlich zu einem modernisierten Finanzrahmen und zu dem bereits beschlossenen Rettungspaket von 540 Milliarden Euro eingerichtet werden. „Wo wir aber nicht zustimmen können, sind jegliche Instrumente oder Maßnahmen, die zu einer Vergemeinschaftung von Schulden führen oder zu bedeutenden Steigerungen im EU-Budget.“

Vorschlag an EU-Partner übermittelt

Das Papier der vier Länder sei auf Ebene von Spitzenbeamten („Sherpas“) den EU-Partnern und der EU-Kommission übermittelt worden, hieß es aus dem Bundeskanzleramt. Die Hilfe soll nach den Vorstellungen der „sparsamen vier“ strikt zweckgerichtet verwendet werden: „Das Geld muss für den Wiederaufbau und die Widerstandsfähigkeit des Gesundheitssektors und der Wirtschaft eingesetzt werden“, hieß es in Hinblick auf das Papier im Bundeskanzleramt. Als Bereiche zur Förderung werden auch Forschung und Innovation und der „grüne Übergang“ im Einklang mit den EU-Klima-, Wachstums- und Digitalzielen genannt.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel während einer Videokonferenz mit Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron
Reuters/Sandra Steins
Der Plan von Merkel und Macron sieht vor, dass die EU-Kommission 500 Mrd. auf dem Kapitalmarkt an Krediten aufnimmt und das Geld über das EU-Budget verteilt

Gesamtsumme für Nothilfe nicht genannt

Das zweiseitige Positionspapier der vier Nettozahlerländer lässt die Gesamtsumme der Coronavirus-Nothilfen offen. Betont werden auch die Rechtsstaatlichkeit und der Schutz vor Betrug, der durch eine starke Einbindung des Europäischen Rechnungshofs, der EU-Betrugsbekämpfungsbehörde OLAF und des Europäischen Staatsanwalts gegeben sein müsse.

Bundeskanzler Sebastian Kurz, Schwedens Ministerpräsident Stefan Löfven, der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte und Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen im Gespräch mit dem Präsidenten des Europäischen Rates Charles Michel und der EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen
Reuters/Virginia Mayo
Kurz, der niederländische Premier Mark Rutte, Schwedens Regierungschef Stefan Löfven, Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen (v. l.) mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel: Die „sparsamen vier“ wollen die Nothilfe auf zwei Jahre befristen

Der temporäre Charakter sollte nach dem Willen der vier Nettozahler durch eine ausdrückliche Verfallsklausel gewährleistet sein, damit die Nothilfen für zwei Jahren befristet bleiben. Die Coronavirus-Nothilfen dürften „nicht zu irgendeiner Vergemeinschaftung der Schulden führen“, heißt es in dem Papier.

„Modernisiertes EU-Budget als Ausgangspunkt“

Die vier Nettozahler verweisen in dem Papier auch darauf, dass die nationalen Budgets wegen der Krise bereits angespannt seien und trotzdem mehr Mittel für EU-Ausgaben aufzuwenden seien. Verlangt wird ein „modernisiertes EU-Budget als Ausgangspunkt“, mit einer Bedarfsanalyse für die am stärksten getroffenen Sektoren. Der endgültige Ausgabenrahmen der Coronavirus-Hilfen sollte durch eine neue Priorisierung von Ausgabenbereichen im EU-Budget ermittelt werden. So sollen Hilfen, die weniger zur Wirtschaftserholung beitragen, eingespart werden. „Unsere Position zum MFF (EU-Finanzrahmen, Anm.) ist unverändert“, betonen die „sparsamen vier“.

Plan für CoV-Nothilfe vorgelegt

Deutschland und Frankreich wollen ein 500-Milliarden-Euro-Paket zur Hilfe der CoV-Krisenregionen der EU schnüren. Österreich, Schweden, Dänemark und die Niederlande haben dazu nun einen Gegenentwurf vorgelegt. Die vier Staaten wollen keine Vergemeinschaftung von Schulden.

Die vier Nettozahler hatten vor Ausbruch der Coronavirus-Krise eine Begrenzung des EU-Mehrjahresbudgets auf ein Prozent der europäischen Wirtschaftsleistung verlangt und höhere Budgetentwürfe der EU-Kommission und des EU-Parlaments abgelehnt.

Italien findet Gegenvorschlag unangemessen

Italien wies den Gegenentwurf für einen wirtschaftlichen Wiederaufbau nach der Krise als „unangemessen“ zurück. Die schwere Rezession verlange „ambitionierte und innovative Vorschläge“, denn der Binnenmarkt mit seinen Vorteilen für alle Europäer und Europäerinnen sei in Gefahr, erklärte Europaminister Enzo Amendola am Samstag auf Twitter.

„Das Papier der ‚sparsamen Länder‘ ist defensiv und unangemessen“, schrieb Amendola. Die EU-Kommission müsse bei ihrer Diskussion über das Thema am 27. Mai „mehr Mut“ aufbringen. In ihrem Entwurf sprechen sich die vier EU-Staaten dafür aus, die Wirtschaft mit günstigen Krediten statt mit Zuschüssen wieder in Schwung zu bringen. Die EU-Kommission solle Geld an den Finanzmärkten aufnehmen und an die Mitgliedsstaaten weiterreichen. Diese Hilfen müssten letztlich aber zurückgezahlt werden.

Reimon: Umstrittene Punkte nicht mehr enthalten

Die Grünen sehen in dem gemeinsamen Positionspapier die Möglichkeit, zu einem Kompromiss zu kommen. Der Europasprecher der Grünen, Michel Reimon, sagte am Samstag im Ö1-Mittagsjournal, umstrittene kritische Punkte seien in dem Papier nicht mehr enthalten.

So sei mit keinem Wort erwähnt, ob es sich um Kredite oder Zuschüsse handeln solle, und das sei „gut so“, sagte Reimon. Es könnte eine Einigung geben, die „anders aussehen wird“ als noch vor einer Woche. Er glaube, dass Zuschüsse, die nicht nur Kredite sind, in der EU eher eine Mehrheit finden werden.

Das Volumen bleibe offen, 500 Milliarden Euro sei aber „der untere Rahmen“. „Europa wird mehr brauchen“, so Reimon, wenn auch die Forderung aus dem EU-Parlament nach 2.000 Milliarden zu hoch sei. Reimon betonte ferner, Österreich müsse sich für ein Paket für Italien einsetzen, das die dortige Wirtschaft belebe. Dies sei im österreichischen Interesse, sagte der grüne Europasprecher unter Hinweis auf das benachbarte Kärnten.

Kritische Worte von Karas und SPÖ

Der Vizepräsident des Europaparlaments, Othmar Karas (ÖVP), schrieb dagegen auf Twitter, der Vorschlag sei „weit weg“ von dem des EU-Parlaments und sei „den Herausforderungen der Zukunft nicht gewachsen“. Ohne eine „gesunde Mischung aus Zuschüssen und Krediten wird es nicht gehen! Das österreichische Milliarden-Zuschussprogramm sollte als Vorbild dienen.“ Das „Schreckgespenst Verschuldungsunion“ werde „erneut völlig unnötig hervorgeholt“.

Die SPÖ-Europaabgeordneten Andreas Schieder und Evelyn Regner kritisierten den Vorschlag als „mutlos und reinen Marketinggag“. SPÖ-EU-Delegationsleiter Schieder bezeichnete in einer Aussendung den Gegenvorschlag zur Initiative Merkels und Macrons als „mehr als dürftig.“ An gemeinsamen Anleihen führe „kein Weg vorbei, es braucht frisches Geld, das direkt und unbürokratisch vergeben wird“.

Regner betonte, aus der CoV-Krise komme man „nicht mit weiteren Sparprogrammen, sondern nur mit Solidarität“. Es gehe um die Existenz von Millionen von Beschäftigten in Europa und darum, die europäischen Zukunftsaufgaben zu finanzieren.