Geldscheine und Masken
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Trotz überholter Zahlen

Budgetauftakt im Nationalrat

Am Dienstag beginnen die Verhandlungen zum ersten Budget der türkis-grünen Regierung, das am Donnerstag beschlossen werden soll. Bereits jetzt steht fest, dass viele Zahlen darin nicht annähernd halten werden – denn erstellt wurde der Haushaltsentwurf noch vor der Coronavirus-Krise. Die Opposition sprach wegen der überholten Zahlen im Vorfeld daher von einem „Fake-Budget“.

Ursprünglich hat die Regierung für heuer Einnahmen von 81,8 und Ausgaben von 82,4 Mrd. Euro eingeplant. Jedoch wird voraussichtlich weder die eine noch die andere Zahl halten. Wegen des starken Einbruchs der Wirtschaft durch die Coronavirus-Pandemie und den zu ihrer Eindämmung verhängten „Lock-down“ wird der Bund heuer deutlich weniger einnehmen und gleichzeitig viel mehr Geld für die Krisenbekämpfung ausgeben.

Daher wollen ÖVP und Grüne, dass der Regierung per „Überschreitungsermächtigung“ erlaubt wird, die vorgesehenen Ausgaben um 28 Mrd. Euro zu überziehen. Damit könnte der Bund heuer bis zu 110 Mrd. Euro ausgeben. Die Einnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden dürften den Schätzungen des Finanzministeriums zufolge um 11,5 Mrd. Euro einbrechen.

An die EU-Kommission hat Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) daher bereits ein deutlich höheres Defizit gemeldet: Statt auf ein Prozent der Wirtschaftsleistung schätzt er das Minus aktuell auf acht Prozent bzw. 30,5 Mrd. Euro. Damit würde der bisherige Rekordwert des Jahres 1995 (6,1 Prozent des BIP) klar überschritten. Die Schulden würden mit 81,4 Prozent aber unter dem bisherigen Höchstwert (84,9 Prozent 2015) bleiben.

Gernot Blümel
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Blümel wies die Oppositionskritik zum Budget zurück – unsichere Prognosen würden eben keine konkreten Zahlen erlauben

Blümel: Jede Zahl wird falsch sein

Wegen der Schwierigkeit, in der Coronavirus-Krise die Wirtschaftsentwicklung zu prognostizieren, könne man allerdings keine genaue Einnahmen- und Ausgabenschätzung machen, sagte Blümel am Freitag. Die Prognosen der Wirtschaftsforscher gingen für heuer von einem „Minuswachstum zwischen 3,5 und 9 Prozent“ aus, erläuterte Blümel die Problematik.

Blümel verteidigt Budget

Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) verteidigt seine Budgetrechnung. Er verstehe die Kritik daran, allerdings habe man es mit einer noch nie da gewesenen Ausgangssituation und unterschiedlichen Rechnungen zu tun, sagte er im ZIB2-Interview.

„Welche Zahl sollte man als Grundlage für die Einnahmenschätzung nehmen? Jede wird falsch sein.“ Natürlich bilde sich die schwierige Zeit im Budget ab, die „allermeisten“ im Budget enthaltenen Zahlen seien auch „nach wie vor korrekt“, doch ein Kassasturz sei eben erst im Herbst möglich, so der Finanzminister.

Budget als „täglich wieder veraltete Momentaufnahme“

Die Staatsausgaben befinden sich folglich im Bereich zwischen 82 und 110 Milliarden Euro. Auch das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) kann keine genaue Schätzung abgeben, schließlich hänge die endgültige Budgetbelastung auch davon ab, wie viel Hilfsgelder heuer tatsächlich in Anspruch genommen werden, so die Ökonomin Margit Schratzenstaller im Ö1-Morgenjournal am Montag – Audio dazu in oe1.ORF.at.

Weniger Einnahmen –

mehr Ausgaben

Um Unternehmen zu helfen und Arbeitsplätze zu sichern, schnürte die Regierung Hilfspakete in Milliardenhöhe. Gleichzeitig fehlen wegen des Einbruchs der Wirtschaft und der hohen Arbeitslosigkeit Einnahmen aus Steuern und Abgaben.

Auf die Frage, wie sinnvoll wirtschaftlich gesehen ein Budget sei, das auf Zahlen basiert, von denen man weiß, dass sie nicht stimmen, antwortete Schratzenstaller: „Das Budget kann eine nur täglich wieder veraltete Momentaufnahme sein. Das ist natürlich sehr unbefriedigend, ja.“ Auch die letzte WIFO-Schätzung von Ende April, bei der mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung von über fünf Prozent gerechnet wird, sei bereits wieder überholt. Daher brauche es eine Aktualisierung in regelmäßigen Abständen, so die Ökonomin.

SPÖ wettert gegen „Fake-Budget“

Kritische Tönen kamen von der Opposition, etwa von der SPÖ: Was Blümel vorgelegt habe, sei ein „Fake-Budget“, in dem an die 50 Milliarden Euro nicht ausgeschildert seien, formulierte Vizeklubchef Jörg Leichtfried am Montag die SPÖ-Kritik. Blümel habe einfach das „Budget 2019 als Budgetprovisorium fortgeschrieben, zuerst zusätzlich vier Milliarden für den Covid-19-Hilfsfonds dazugegeben und dann zusätzlich einen Blankoscheck für 24 Milliarden Euro“, erklärte Leichtfried. Nicht enthalten seien jeweils rund zehn Milliarden für den Ausfall von Steuereinnahmen und die Kosten der Kurzarbeit. „Insgesamt haben wir somit an die 50 Milliarden Euro in unserem Budget, die nicht aufgeschlüsselt sind.“ Das bedeute, dass 33 Prozent des Staatshaushalts „im Dunkeln und im Nebel“ seien.

Leichtfried sagte, bis Donnerstag solle ein von der SPÖ in Auftrag gegebenes Gutachten über die Verfassungsmäßigkeit des Budgets fertig sein. Er verwies darauf, dass es dem deutschen Finanzminister „selbstverständlich“ gelungen sei, hier „konkrete Zahlen für die konkreten Ressorts vorzulegen“. Daher müsse das auch in Österreich möglich sein. Man sehe aber leider auch, „dass dort die Profis fürs Budget verantwortlich sind und bei uns die Laienschauspieler“.

Kritik an überholten Zahlen

Dass der Budgetentwurf veraltetete Zahlen enthält, stieß auch bei den anderen Oppositionsparteien auf Kritik. Denn die Argumente des Ministers, dass auch die aktuellen Zahlen am Ende falsch sein werden, weil die Kosten der Krise noch nicht zur Gänze abschätzbar seien, lassen FPÖ und NEOS nicht gelten. „Jedes aktualisierte Budget ist richtiger und besser als eines, das vor Corona erstellt wurde“, so etwa FPÖ-Budgetsprecher Hubert Fuchs am Freitag. Niemand würde es dem Minister vorwerfen, wenn es am Ende des Tages Abweichungen gebe. Aber einfach das Budget beim Alten zu belassen und sich nicht die Mühe zu machen, es zu aktualisieren, „ist ein Ausdruck großer Respektlosigkeit und Missachtung des Hohen Hauses“.

NEOS-Parteichefin Beate Meinl-Reisinger bezeichnete den Budgetentwurf am Montag unterdessen als „Altpapier“. Die Opposition verstehe, dass man sich in einer schwierigen Zeit befinde, aber auch in solchen Zeiten müsse der Finanzminister ordentlich rechnen können und diese Rechnungen vorlegen.

Beschluss am Donnerstag

Eine von der Opposition geforderte Korrektur des Budgetentwurfs haben ÖVP und Grüne abgelehnt. Einzig die Ausgabengrenze des Finanzrahmens wurde angehoben und der Finanzminister ermächtigt, auf kurzem Weg bis zu 15 Mrd. Euro lockerzumachen. Das neue Budget soll nun mit 1. Juni in Kraft treten. Bis dahin gilt das gesetzliche Budgetprovisorium.

Vor dem eigentlichen Einstieg in die Budgetdebatte behandelt der Nationalrat traditionell das Budgetbegleitgesetz, so auch am Dienstag. Die Schlussabstimmung über den ersten türkis-grünen Haushalt folgt dann nach mehrtägiger Diskussion am Donnerstag.