Blick über Klagenfurt
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Plan in Arbeit

Regionale Lockerungen bald möglich

Die Landeshauptleute von Oberösterreich und Kärnten, Thomas Stelzer (ÖVP) und Peter Kaiser (SPÖ), werden ein Konzept für regionale Lockerungen von Coronavirus-Maßnahmen ausarbeiten. Das kündigte Kaiser am Montag in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz an. Am Wochenende hatte sich auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) für die Idee offen gezeigt, nachdem die Regierung zuvor auf ein bundesweit einheitliches Vorgehen gepocht hatte.

Als Beispiele für regional umsetzbare Lockerungen nannte Kaiser Erleichterungen bei der Maskenpflicht – bei Kindern oder Dienstleistern, die mit Mund-Nasen-Schutz im Sommer unter der Hitze leiden würden, außerdem die Wiedereinführung des Turnunterrichts in den Pflichtschulen, mehr Teilnehmer für Begräbnisse, Mannschaftssport auch mit Körperkontakt und Proben von Blasmusikern. Kaiser hatte – wie einige Expertinnen und Experten – bereits Anfang April regionale Lockerungen ins Spiel gebracht.

Die Vorschläge sollen bei der nächsten Videokonferenz der Landeshauptleute mit der Bundesregierung bewertet werden, sagte Kaiser. Er verwies auf niedrige Zahlen im Land: Aktuell gab es in Kärnten offiziell zwei Infizierte und seit 20 Tagen keine Neuinfektion – mehr dazu in kaernten.ORF.at. Auch in Salzburg, dem Burgenland und Vorarlberg gab es mit Stand Montag weniger als 20 Infizierte.

Kurz: „Debatte, die wir führen werden müssen“

Seitens der Bundesregierung äußerte Bundeskanzler Kurz Verständnis für das Anliegen Kaisers nach einem regional unterschiedlichem Vorgehen bei der Lockerung der Coronavirus-Maßnahmen. „Das ist eine Debatte, die wir führen werden müssen“, sagte er bei einer Pressekonferenz. Nach der Phase des allgemeinen „Lock-downs“ brauche es mehr Eigenverantwortung, Hausverstand, möglichst einfache Regeln und auch ein Eingehen auf regional unterschiedliche Situationen. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) pflichtete dem bei.

Kurz hatte schon am Freitag in einem Interview gesagt, je unterschiedlicher die Entwicklung sei, desto mehr verlange sie danach, sich regional darauf einzustellen. „Es ist mittlerweile eine Realität, dass die Entwicklungen unterschiedlich sind“, sagte Kurz.

Erste Schritte im Kultur- und Sportbereich

Im Kultur- und Sportbereich wird sogar schon ein erster kleiner Schritt in Richtung der Regionalisierung gesetzt: So ist das verpflichtende Sicherheitskonzept, das Veranstalter vorlegen müssen, die ab 1. August über 500 Gäste empfangen wollen, bei der jeweiligen Bezirksbehörde zur Bewilligung vorzulegen – die dann in ihrer Entscheidung auch die lokalen Infektionszahlen und die Lage des Gesundheitsbereichs berücksichtigen kann. „Das ist aber noch keine allgemeine Regionalisierung – wir haben sie nur in einem bestimmten Segment“, unterstrich Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne).

Meinungsschwenk in der Regierung

Dabei hatte die Bundesregierung in den vergangene Wochen und Monaten – abgesehen von der Quarantäne einiger Regionen – auf bundesweit einheitliche Maßnahmen gepocht. Argumentiert wurde das mit den Problemen bei der Kommunikation der Regeln: Es sei ohnehin schwierig genug zu verstehen, wo was gelte, sagte etwa Anschober im April. Differenziere man da auch noch regional, werde es noch schwieriger. Der nunmehrige Schwenk wurde auch im Lichte der Bemühungen um das Ankurbeln des Sommertourismus gesehen.

Ampelsystem von Willi vorgeschlagen

Stelzer, der sich anfangs noch gegen regionale Unterschiede ausgesprochen hatte, unterstützt nun auch den Vorstoß. Wichtig sei aber die Übersichtlichkeit für die Bevölkerung, so Stelzer unter Verweis auf Pendler zwischen den Bundesländern.

Der Innsbrucker Bürgermeister Georg Willi (Grüne) hatte am Sonntag in der ORF-Sendung „Im Zentrum“ eine Art Ampelsystem vorgeschlagen, das nach klaren Kriterien das regionale Infektionsgeschehen bewertet und dann entsprechende Signale und Maßnahmen vorgibt. Ein solches Modell wurde bereits vom Grazer Public-Health-Experten Martin Sprenger und dem Complexity Science Hub Vienna entwickelt, das allerdings von zeitnahen Dateneingaben der regionalen Gesundheitsbehörden abhängt.

Wien skeptisch

Deutlich skeptischer zu regionalen Unterschieden äußerte sich der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ). Es brauche ein gutes Konzept, „das ich heute noch nicht kenne“, sagte er. Der „Standard“ berichtete am Sonntag, dass man sich im Wiener Rathaus frage, „welche Lockerungen oder Maßnahmen Kurz überhaupt gemeint habe und auf welcher Grundlage die Ungleichbehandlung geschehen solle“. Die Wiener Skepsis rührt wohl daher, dass die Bundeshauptstadt derzeit mit mehr als 400 Infektionen die bei Weitem meisten Erkrankten aufweist. Neben Niederösterreich würde Wien daher bei strengeren Regeln bleiben müssen.