„Oligarchennichte“: Debatte über Veröffentlichung von Fotos

Seit Mittwoch fahnden Polizei und Staatsanwaltschaft Wien mit einem Fahndungsfoto nach der vermeintliche „Oligarchennichte“ aus dem „Ibiza-Video“. In den Redaktionen und auf Sozialen Netzwerken ist eine Debatte darüber entbrannt, ob eine solche Fahndung gerechtfertigt ist – ob die Vorwürfe gegen die junge Frau schwerwiegend genug sind und ob sie gefährdet sein könnte, weil ihr Foto medial verbreitet wurde. Auch unter Strafrechtsexperten ist die Vorgangsweise umstritten, wie das Ö1-Abendjournal gestern berichtete.

Die Voraussetzungen für eine Veröffentlichung

Fahndungsfotos zu veröffentlichen sei generell heikel, sagen Strafrechtsexperten. Laut Gesetz müsse der Vorteil für die Strafverfolgung deutlich überwiegen gegenüber dem Nachteil des Eingriffs in die Intimsphäre. Strafrechtsprofessor Alois Birklbauer erklärte: „Wenn ich mir jetzt vorstelle: Da gibt es eine Person, die überall in den Sozialen Medien, in den Tageszeitungen ihr Konterfei als Ausdruck ihrer Privatsphäre veröffentlicht sieht, vielleicht auch entsprechend gefährdet ist und das bei einem Vorwurf, der eigentlich im unteren Deliktsbereich liegt, dann finde ich das überzogen.“

„Unterer Deliktsbereich“ bedeutet, dass die Veröffentlichung von Fahndungsfotos nur erlaubt ist, wenn jemand dringend einer Tat verdächtig ist, für die mehr als ein Jahr Gefängnis droht. Laut „Soko Ibiza“ wird der vermeintlichen Oligarchennichte als schwerwiegenstes Delikt die Verwendung eines falschen Reisepasses vorgeworfen. Darauf stehen maximal zwei Jahre Haft.

Wobei Johann Gudenus nicht ein Pass, sondern eine falsche Passkopie einer Alyona M. vorlag. Laut Birklbauer ist es bei der Verwendung einer Kopie „höchstumstritten, ob das überhaupt unter dieses Delikt fällt“, sodass die herangezogene Strafdrohung „sehr fragwürdig“ sei. Ähnlich, aber zurückhaltender sieht es Medienrechtler und Verfassungsrichter Michael Rami. „Die Vorlage bloß einer Kopie eines gefälschten Reisepasses ist keine Fälschung nach dem österreichischen Strafrecht. Es könnte ein anderes Delikt, vielleicht ein Betrug verwirklicht werden oder Ähnliches, aber nicht der Tatbestand der Urkundenfälschung.“

Staatsanwaltschaft sieht Veröffentlichung gerechtfertigt

Der Anwalt von Gudenus, Volkert Sackmann, argumentiert: „Derzeit ist davon auszugehen, dass ein gefälschter Reisepass als Vorlage dieser Kopie diente. Außerdem gibt es ein großes öffentliches Interesse an der Aufklärung dieses Komplotts.“

Von der Staatsanwaltschaft Wien hieß es gegenüber Ö1 lapidar: Man habe rechtlich geprüft – die Voraussetzungen für eine Veröffentlichung der Fotos seien gegeben.