Polizisten in Los Angeles
AP/Mark J. Terrill
Proteste und Tumulte

Ausgangssperren in 25 US-Städten

In den USA sind nach weiteren Protesten nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd inzwischen in 25 Städten Ausgangssperren verhängt worden. Trotzdem gingen am Wochenende die fünfte Nacht in Folge landesweit Menschen auf die Straße, um gegen Polizeigewalt zu demonstrieren, erneut kam es zu Zusammenstößen. US-Präsident Donald Trump droht mit der „unbegrenzten Macht“ des Militärs.

Nach zwei Dutzend anderen Städten quer über die USA habe als letzte mit Sonntagabend bis Montag 5.00 Uhr Ortszeit San Francisco (Kalifornien) eine Ausgangssperre verhängt, berichtete der TV-Sender CNN. Mehr als zehn Bundesstaaten hätten inzwischen die Nationalgarde (USNG), die Reserve der Armee, mobilisiert bzw. in Bereitschaft, hieß es Sonntagvormittag bei CNN.

Die „New York Times“ berichtete nach der fünften Protestnacht von schweren Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften in mehreren Städten, erneut vor allem in Minneapolis (Minnesota), wo nach Inkrafttreten der Ausgangssperre am Abend Polizei und Nationalgarde Tränengas und Gummigeschoße eingesetzt hätten, wie auch schon in der Nacht zuvor. Das Vorgehen der Sicherheitskräfte sei mittlerweile deutlich härter geworden, schrieb die US-Zeitung. Es gab zahlreiche Festnahmen.

Eine „weitere Nacht des Zorns“

Minnesota hatte am Samstag zusätzlich mehr als 1.000 Nationalgardisten als Verstärkung einberufen. Sie würden die 700 Soldaten unterstützen, die wegen der Proteste bereits im Einsatz seien, erklärte die USNG in Minnesota via Twitter. Es handle sich um den größten Einsatz der Einheit in ihrer 164-jährigen Geschichte. Auch Einheiten der Militärpolizei wurden in Alarmbereitschaft versetzt. Eine „weitere Nacht des Zorns“, schrieb CNN.

Brennendes Polizeiauto in Pittsburgh
AP/Pittsburgh Tribune-Review/Nate Smallwood
Immer wieder werden Streifenwagen angezündet

Nächtliche Ausgangsverbote gibt es inzwischen unter anderem auch in Los Angeles (Kalifornien), Chicago (Illinois), Philadelphia (Pennsylvania) und Miami (Florida). Es kam zu Tumulten; in Nashville (Tennessee), in der Hauptstadt Washington und anderen Städten wurden Gebäude und Fahrzeuge angezündet, in Ferguson (Missouri) brannte ein Polizeigebäude. In Indianapolis (Indiana) kam es laut „New York Times“ zu Schießereien mit mindestens einem Toten.

Tumulte quer über das Land

In New York fuhren zwei Streifenwagen in eine Gruppe von Demonstrantinnen und Demonstranten, nachdem diese ihnen zuvor den Weg versperrt und sie mit Gegenständen beworfen hatten. Ein Video der Szene sorgte erneut für Empörung, New Yorks Bürgermeister nannte das Video laut CNN „verstörend“ und sagte: „Ich wünschte, die Beamten hätten das nicht getan.“

Plünderungen eines Geschäfts in Philadelphia
AP/The Philadelphia Inquirer/Jessica Griffin
Ein geplündertes Geschäft in Philadelphia

Trump drohte via Twitter mit dem Einsatz der „unbegrenzten Macht des Militärs“. Der Gouverneur von Minnesota, Tim Walz, erklärte, 80 Prozent der „Randalierer“ in Minneapolis kämen von außerhalb des Bundesstaates, Trump teilte dessen Meinung. Walz machte Drogengangs sowie anarchistische und rassistische weiße Gruppierungen für die Gewalt verantwortlich, Trump „Plünderer und Anarchisten“. Medien wie CNN, die „New York Times“ und die „Washington Post“ machte er – wie gewohnt – für „Fake News“ verantwortlich.

Wenn „das Schießen beginnt“: Empörung über Trump

Der US-Präsident hatte zuvor für eine Kontroverse gesorgt, als er auf Twitter mitteilte: „Habe gerade mit Gouverneur Tim Walz gesprochen und ihm gesagt, dass das Militär ganz an seiner Seite steht. Wenn es Schwierigkeiten gibt, werden wir die Kontrolle übernehmen, aber wenn die Plünderungen beginnen, beginnt das Schießen.“ („when the looting starts, the shooting starts“). Twitter versah den Beitrag mit einem Warnhinweis, weil er gegen das Verbot von Gewaltverherrlichung verstoße.

Demonstrant in Austin
AP/Austin American-Statesman/Ricardo B. Brazziell
Schwer bewaffnete Sicherheitskräfte stehen in Austin (Texas) Protesten gegenüber

Mit seinem Satz zu möglichen Schüssen auf Plünderer hatte Trump eine Aussage aus dem Jahr 1967 zitiert, mit welcher der damalige Polizeichef von Miami ein hartes Vorgehen gegen die schwarze Bevölkerung angekündigt hatte. Trump, der sich derart umso mehr in die Nesseln gesetzt hatte, relativierte seine Aussage dann in einem weiteren Tweet. Er teilte mit, er habe nur gemeint, dass Plünderungen zu Waffengewalt führen könnten, was ein Fakt sei. Später sagte er, er habe das Ursprungszitat aus Miami gar nicht gekannt.

„Ich kann nicht atmen“

Auslöser für die inzwischen landesweiten Proteste von New York bis Kalifornien war der Tod Floyds, der am Montag wegen eines mutmaßlichen Betrugsdelikts festgenommen worden war. Dabei hatte ihn ein weißer Beamter minutenlang – laut veröffentlichtem Haftbefehl acht Minuten und 46 Sekunden – mit dem Knie auf dem Hals zu Boden gedrückt und auch dann nicht von ihm abgelassen, als dieser mehrfach um Hilfe flehte und stöhnte, er bekomme keine Luft. „Ich kann nicht atmen“ („I can’t breathe“) wurde inzwischen zum Slogan bei den Protesten.

Nach Polizeiangaben starb der 46-Jährige wenig später in einem Krankenhaus in Minneapolis. Er soll unter anderen gesundheitlichen Problemen gelitten haben, die gemeinsam mit der Festsetzung und möglicherweise Rauschmitteln in seinem Blut vermutlich zu seinem Tod geführt hätten, so die Obduktionsergebnisse. Der Vorfall wurde von Augenzeugen mit einer Handykamera festgehalten. Der Polizist wurde zwar umgehend entlassen, aber erst Tage später festgenommen und des Mordes angeklagt.

Anwälte zweifeln Obduktionsergebnis an

Die Anwälte von Floyds Familie meldeten Zweifel an den Obduktionsergebnissen an und wollen eine eigene Untersuchung in Auftrag geben. Man habe bereits in anderen Fällen gesehen, dass Menschen, die mit den Behörden zusammenarbeiteten, Dinge präsentierten, die eine „Illusion“ seien. „All diese Dinge wie Asthma oder Herzprobleme spielen keine Rolle, solange sie (die Opfer) leben, atmen, gehen, reden. Alles ist in Ordnung – bis die Polizei sie anspricht.“

Biden fordert Kampf gegen „systematischen Rassismus“

Trumps wahrscheinlicher Herausforderer bei der Präsidentschaftswahl im November, der Demokrat Joe Biden, forderte einen entschlossenen Kampf gegen „systematischen Rassismus“ in den USA. „Leute: Wir müssen aufstehen. Wir müssen uns bewegen. Wir müssen uns ändern.“ In einer solchen nationalen Krise brauche Amerika keine „aufwieglerischen Tweets“, sondern „wirkliche Führung“.

Polizisten und Demonstranten in Chicago
AP/Sun-Times/Ashlee Rezin Garcia
Zusammenstöße in Chicago

US-Stars melden sich zu Wort

Auch mehrere US-Stars aus der Film- und Musikwelt nahmen an Kundgebungen teil bzw. meldeten sich via Internet zu Wort, teils auch mit Kritik an Trump. Oscar-Preisträger Jamie Foxx („Ray“) hatte sich am Freitag in Minneapolis einer Kundgebung angeschlossen. Sänger John Legend verlinkte auf Twitter Worte des schwarzen Bürgerrechtlers Martin Luther King, dass nur mit sozialer Gerechtigkeit und Fortschritt Aufstände zu vermeiden seien.

Sängerin Taylor Swift wandte sich per Kurznachrichtendienst Twitter direkt an US-Präsident Donald Trump. „Nachdem du während deiner gesamten Präsidentschaft die Feuer der weißen Vorherrschaft und des Rassismus angefacht hast, hast du jetzt die Nerven dazu, moralische Überlegenheit vorzutäuschen und dann mit Gewalt zu drohen?“, schrieb Swift. „Wir werden dich im November aus dem Amt wählen.“

Wegen der Unruhen verschiebt der US-Technologiegigant Google nun auch die Vorstellung der neuesten Version seines Betriebssystems Android. „Wir freuen uns darauf, Euch mehr über Android 11 mitzuteilen, aber jetzt ist nicht die Zeit zum Feiern“, teilte Google am Wochenende auf seiner Website mit.