Nationalgarde während der Proteste in Salt Lake City.
AP/Rick Bowmer
Trotz Appellen

Trump will gesamtes Militär mobilisieren

Nach dem gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd kommt es seit Tagen in vielen Städten der USA zu Protesten. Politiker, Musiker, Sportler und Hollywood-Stars fordern ein Ende von Rassismus und Polizeigewalt, doch US-Präsident Donald Trump gießt weiter Öl ins Feuer. Er kündigt die Mobilisierung aller verfügbaren zivilen und militärischen Kräfte an.

„Wir beenden die Ausschreitungen und die Gesetzlosigkeit, die sich in unserem Land ausgebreitet haben“, sagte Trump am Montag bei einer Ansprache im Rosengarten des Weißen Hauses. Sollten die Bürgermeister und Gouverneure an den betroffenen Orten nicht für Sicherheit sorgen, werde er das US-Militär einsetzen, drohte Trump. Er berief sich dabei auf ein altes Gesetz aus dem Jahr 1807, den „Insurrection Act“. Dieser wurde in der Geschichte der USA schon mehrfach von Präsidenten angewendet.

Zuvor hatte Trump in einer Telefonschaltung die Gouverneure und Vertreter von Sicherheitskräften laut CBS, dem eine Aufnahme des Gesprächs vorlag, gewarnt: „Wenn Sie nicht dominieren, verschwenden Sie Ihre Zeit.“ Trump sagte, die Gouverneure würden „wie ein Haufen Idioten“ aussehen, sollten sie sich von den Aufrührern überrennen lassen. Nun forderte der Präsident die Gouverneure auf, ausreichend Kräfte der Nationalgarde einzusetzen, um die Straßen in ihren Städten wieder unter Kontrolle zu bringen.

„Tausende schwer bewaffnete Soldaten“

„Wenn sich eine Stadt oder ein Staat weigert, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um das Leben oder Eigentum der Bewohner zu verteidigen, werde ich das Militär der Vereinigten Staaten einsetzen und das Problem schnell für sie lösen.“ Trump kündigte außerdem Vorkehrungen an, um die Hauptstadt Washington zu schützen, wo es in den vergangenen Tagen ebenfalls Proteste gegeben hatte, die teils mit Randalen einhergingen. Das sei eine Schande, sagte Trump und kündigte an, „Tausende und Abertausende schwer bewaffnete Soldaten“ und Strafverfolgungskräfte einzusetzen.

Nationalgarde während der Proteste in Salt Lake City.
Reuters/Jonathan Ernst
Demonstranten vor dem Weißen Haus

Zusammenstöße vor Weißem Haus

„Ich bin Ihr Präsident für Recht und Ordnung“, sagte Trump an die Adresse der Bevölkerung. Er werde dafür kämpfen, das Land und seine Bürger zu beschützen. Was sich in den vergangenen Tagen abgespielt habe, sei zum Teil mit Terror gleichzusetzen. Das Land brauche Sicherheit und nicht Anarchie, Gerechtigkeit und nicht Chaos. „Das ist unsere Mission und wir werden siegen.“

Vor dem Weißen Haus hatten sich erneut Demonstranten versammelt, um gegen den Tod des Afroamerikaners Floyd nach einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis im Bundesstaat Minnesota zu protestieren. Militärfahrzeuge mit Soldaten der Nationalgarde fuhren auf und drängten die Demonstranten gewaltsam zurück. Dabei sollen auch Tränengas und Blendgranaten eingesetzt worden sein. Am Freitag musste Trump zeitweise Schutz in einem unterirdischen Bunker suchen.

Ausgangssperre in 40 Städten

Bei Protesten in der US-Metropole Philadelphia setzte die Polizei am Montag Tränengas gegen Demonstranten ein. Der Sender CNN berichtete, Demonstranten seien auf einer Autobahn marschiert, als die Polizei eingeschritten sei. Die Behörden in Washington verhängten erneut eine Ausgangssperre für die kommenden Nächte.

Schäden nach Ausschreitungen in New York
APA/AFP/Getty Images/John Moore
Eine Schaufensterpuppe in einem ausgebrannten Auto

Auch in New York wurde inzwischen eine nächtliche Ausgangssperre angeordnet. Das teilte Bürgermeister Bill de Blasio mit. Die Maßnahme werde in Absprache mit Gouverneur Andrew Cuomo ergriffen, um die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten. Die Polizeipräsenz werde erhöht. In den USA haben bereits rund 40 Städte Ausgangssperren verhängt. Am Montag verlängerten zudem der kalifornische Nobelort Beverly Hills und die Küstenstadt Santa Monica eine Ausgangssperre.

Sprecherin: „Nicht hinnehmbar“

„Was wir auf Amerikas Straßen sehen, ist nicht hinnehmbar“, sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Kayleigh McEnany. „Plünderungen, Anarchie und Gesetzlosigkeit dürfen nicht toleriert werden.“ McEnany sagte, 17.000 Soldaten der Nationalgarde in 24 Bundesstaaten seien eingesetzt. Nur zwei Bundesstaaten hätten aber mehr als 1.000 Soldaten zu Hilfe gerufen. Angesichts der Lage müsse „viel mehr getan werden“. Viele Gouverneure seien ihrer Aufgabe nicht nachgekommen, für Ordnung auf den Straßen zu sorgen. Insgesamt stünden 350.000 Soldaten der Nationalgarde zur Verfügung.

Politologe Heinisch über die Proteste in den USA

USA-Kenner und Politikwissenschaftler Reinhard Heinisch mit einer Analyse der Unruhen in den USA.

Obama: Proteste für Veränderungen nutzen

Ex-US-Präsident Barack Obama rief dazu auf, berechtigte Wut über Missstände im Land auf friedliche Weise für echte Veränderungen zu nutzen. Dann könne dieser Moment ein wirklicher Wendepunkt werden. Die Proteste seien Ausdruck einer echten und legitimen Enttäuschung über ein „jahrzehntelanges Versagen“ bei der Reform von Polizei und Strafjustiz in den Vereinigten Staaten, so Trumps Amtsvorgänger in einer schriftlichen Erklärung, die er am Montag veröffentlichte.

Der designierte Präsidentschaftskandidat der US-Demokraten, Joe Biden, sagte am Montag bei einem Treffen mit afroamerikanischen Politikern und Geistlichen, Trump schüre Hass. „Der Hass versteckt sich nur, er geht nicht weg.“ Wenn Trump dem „unter einem Stein“ versteckten Hass frischen Sauerstoff zuführe, „dann kommt der Hass unter dem Stein hervor“, so Biden.

US-Musikbranche will Pause einlegen

Große US-Plattenfirmen kündigten an, aus Protest am Dienstag eine Pause einzulegen. Musikkonzerne wie Atlantic Records, Capitol Music, Warner Records und Sony Music beteiligen sich an einer Aktion unter dem Motto „The show must be paused“ („Die Show muss pausieren“) – eine Abwandlung des Mottos „The show must go on“ („Die Show muss weitergehen“). Mehrere Labels wollen an Bürgerrechtsgruppen spenden.

Stars zeigen Solidarität

In den vergangenen Tagen hatten zahlreiche Musiker, Sportler und Hollywood-Stars ihre Wut über Floyds Tod bekundet und ein Ende von Rassismus und Polizeigewalt gefordert. „Das muss aufhören“, schrieb die Sängerin Madonna auf Instagram. Sie postete ein Video von Floyds Festnahme. Der Polizist habe Floyd mit „Arroganz und Stolz“ ermordet, schrieb Madonna. Die Musikerin Beyonce wandte sich in einer Videobotschaft an ihre Fans auf Instagram und forderte „Gerechtigkeit für George Floyd“. Lady Gaga schrieb in einem langen Post auf Twitter, sie sei von Floyds Tod „schockiert“. Wie viele andere Stars auch kritisierte sie Trump. Diesem warf sie vor, Rassismus zu fördern.

Nur ein Bild und eine Frage postete der NBA-Star LeBron James. Das Foto zeigt, wie der Football-Spieler Colin Kaepernick im Jahr 2016 während der Nationalhymne auf die Knie ging. Damit hatte der Quarterback eine Protestwelle gegen die Diskriminierung von Schwarzen in den USA gestartet. James schrieb dazu: „Versteht ihr jetzt?“

Berühmtheiten auch auf der Straße

Aber nicht nur im Internet, auch auf der Straße machten die Berühmtheiten ihrem Ärger Luft. Die Schauspieler Jamie Foxx und Nick Cannon nahmen an Protesten in Minneapolis teil. Der Rapper Killer Mike sprach vor Demonstranten in Atlanta. „Ich bin höllisch sauer“, sagte er, „ich habe es satt, Schwarze sterben zu sehen.“ Zugleich rief er die Menschen auf, nicht zu randalieren, sondern ihren Zorn friedlich auszudrücken.

Demonstration in Washington, DC (USA)
APA/AFP/Mandel Ngan
Landesweit wird seit Tagen gegen Rassismus und Polizeigewalt demonstriert

In New York legte der französische Star-DJ David Guetta auf dem Dach des Rockefeller Center auf – und widmete Floyd dabei einen Song. „Amerika erlebt gerade schwierige Zeiten“, sagte Guetta während der Show und mixte anschließend Techno-Klänge mit Zitaten aus der berühmten „I have a dream“-Rede des US-Bürgerrechtlers Martin Luther King.

Mayweather will Beerdigung bezahlen

De Blasio stellte sich inzwischen demonstrativ hinter seine Tochter, die bei Protesten in New York festgenommen worden war. „Ich liebe meine Tochter sehr, ich verehre sie“, sagte der Bürgermeister am Montag. „Ich bin stolz auf sie“

Laut mehreren US-Medienberichten wird der Ex-Boxer Floyd Mayweather die Kosten der Beerdigung von Floyd für dessen Familie übernehmen. Der 43 Jahre alte ehemalige Weltmeister habe über einen gemeinsamen Bekannten angeboten, die Beisetzung sowie Trauerfeiern unter anderem in Houston, Minnesota und Charlotte zu bezahlen. Die Familie habe das Angebot angenommen.

UNO mahnt Untersuchungen zu Polizeigewalt ein

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres mahnte Ermittlungen zu Polizeigewalt bei den Anti-Rassismus-Protesten in den USA ein. Die Behörden müssten im Umgang mit Demonstranten zurückhaltend agieren, sagte Guterres’ Sprecher Stephane Dujarric. In den vergangenen Tagen seien Fälle von Polizeigewalt beobachtet worden. Alle diese Fälle müssten untersucht werden. Zugleich forderte Dujarric, die Proteste müssten friedlich bleiben.

Familie fordert Ende der Gewalt

Auch ein Bruder des Getöteten, Terrence Floyd, forderte ein Ende der Gewalt bei den Protesten. Die Demonstrationen müssten friedlich sein, sagte er bei einer Mahnwache für seinen Bruder in Minneapolis. George Floyd hätte keine Gewalt gewollt. Terrence Floyd rief dazu auf, wählen zu gehen.

Terrence Floyd, der Bruder des Verstorbenen, an einer improvisierten Gedenkstätte
Reuters/Lucas Jackson
Der Bruder des Getöteten, Terrence Floyd, bei einer Mahnwache am Tatort

Auch ein Sohn des Getöteten rief dazu auf, bei den Protesten Gewalt zu vermeiden. In einem TV-Interview mit dem CNN-Tochtersender KBTX appellierte Quincy Mason Floyd am Sonntag an die Demonstranten, friedlich zu bleiben. Zugleich äußerte er sich bewegt über die große Anteilnahme am Tod seines Vaters. „Jeder kommt und zeigt ihm Liebe. Mein Herz ist sehr berührt von all dem.“

Autopsiebericht belastet Polizisten

Nachdem die Familie Floyd Zweifel an den Ergebnissen der Behörden zur Todesursache angemeldet hatte, legte sie inzwischen eine eigene Untersuchung vor. Diese widerspricht der ersten Obduktion und kommt zu dem Ergebnis, dass Floyd an Ersticken durch Gewalteinwirkung gestorben sei, teilte Anwalt Ben Crump am Montag mit. „Die Autopsie hat gezeigt, dass es keine Vorerkrankung gab, die zu seinem Tod geführt oder dazu beigetragen hat“, sagte der mit der Autopsie betraute Mediziner Michael Baden.

Jener Polizist, der dem Opfer sein Knie in den Nacken drückte, wird wegen Mordes angeklagt und ist in Untersuchungshaft. In der Mitteilung der Anwälte hieß es, auch zwei weitere an dem Einsatz beteiligte Polizisten hätten zu Floyds Tod beigetragen, indem sie Druck auf dessen Rücken ausgeübt hätten. Der vierte Beteiligte sei ebenfalls haftbar, weil er nicht eingeschritten sei.

Crump sagte: „George starb, weil er Luft zum Atmen brauchte.“ Er rief dazu auf, die Proteste wegen Floyds Tod fortzusetzen, forderte aber zugleich einen Gewaltverzicht bei den Demonstrationen. Der Gouverneur von Minnesota, Tim Walz, kündigte am Montag die Beerdigung und ein Gedenken an Floyd für Donnerstag an. „Es wird ein wichtiges Ereignis sowohl für die Stadt Minneapolis als auch für Minnesota und die Nation.“