Der neue fachstatistische Generaldirektor Tobias Thomas
APA/Herbert Neubauer
Statistik Austria

Neuer Chef stoppt Vorabinfo an Kanzleramt

Seit Dienstag hat die oberste heimische Datenbehörde, die Statistik Austria, einen neuen Chef: Tobias Thomas. Er löste den noch von Ex-SPÖ-Kanzler Werner Faymann ernannten Konrad Pesendorfer ab. Seine erste Ankündigung kam durchaus unerwartet: Die umstrittene Vorabübermittlung von Pressemitteilungen der Statistik an das Bundeskanzleramt wird ausgesetzt und geprüft.

Mit sofortiger Wirkung ist laut Thomas, dem neuen fachstatistischen Chef der Behörde, die umstrittene Vorabübermittlung ausgesetzt. Thomas kündigte als eine seiner ersten Amtshandlungen eine rechtliche Prüfung der seit März gehenden Praxis an. In einem Interview mit der APA zum Start seiner Tätigkeit kündigte Thomas weiters an, die Zusammenarbeit mit der Wissenschaft intensivieren und die Unabhängigkeit der Statistik Austria sichern zu wollen.

Aus dem Bundeskanzleramt hieß es in einem schriftlichen Statement gegenüber ORF.at, es habe keinerlei Druck auf die interimistische Geschäftsführung gegeben. Eine gegenteilige Behauptung sei falsch. Die Initiative zur Vorabmeldung an die Aufsichtsorgane und das Kanzleramt als Aufsichtsbehörde sei vom Chef des Wirtschaftsrats, Helmut Kern, ausgegangen, hieß es. Die Statistik Austria entscheide "eigenständig über den Zeitpunkt und den Inhalt statistischer Veröffentlichungen“, wurde weiters betont.

Die nationalen Statistikbehörden arbeiten in engem Verbund mit Eurostat, der EU-Statistikbehörde. Um EU-weit verlässliche und einheitliche Daten zu erhalten, gibt es genaue Vorschriften und Standards, an die sich die nationalen Statistikämter halten müssen. Ein zentraler Standard ist die politische Unabhängigkeit. Verlässliche Daten sind die wesentliche Grundlage für die Formulierung von Maßnahmen und Gesetzen.

Opposition warnte vor ÖVP-„Message-Control“

Der Verhaltenskodex der EU-Statistikämter verpflichtet die Statistik Austria daher zur Gleichbehandlung aller Nutzer. „Jeglicher bevorzugte Vorabzugang externer Nutzerinnen und Nutzer ist beschränkt, stichhaltig begründet, kontrolliert und wird öffentlich bekanntgegeben“, heißt es darin. Ob die Vorabmeldung an die Aufsichtsorgane, darunter das Kanzleramt, mit dieser Regelung vereinbar ist, das will Thomas nun prüfen lassen.

Dass die Statistik Austria seit 24. März alle Pressemitteilungen vorab dem Kanzleramt sowie ihren Aufsichtsgremien Wirtschafts- und Statistikrat vorlegen muss, hat daher Warnungen der Opposition vor ÖVP-„Message-Control“ bei der amtlichen Statistik neue Nahrung verliehen. Bereits davor hatte es ähnliche Bedenken gegeben: Im Vorjahr war die Statistikbehörde von der ÖVP-FPÖ-Regierung neu organisiert worden. So wurde die Presseabteilung verkleinert und die Abteilung für Analyse aufgelöst.

Die Statistik Austria in Wien-Erdberg
ORF.at/Roland Winkler
Die Daten, die in der Statistik Austria zusammenfließen, gestatten den tiefsten in Zahlen ausdrückbaren Einblick in das Land

Begrüßt wurde Thomas’ Ankündigung von der grünen Mediensprecherin Eva Blimlinger. Die Vorabmeldung an das Bundeskanzleramt sei „von Beginn an umstritten und rechtlich zweifelhaft“ gewesen. Die Grünen würden es als Regierungspartei als ihre Aufgabe sehen, die Statistik Austria „vor jeder – auch nur potenziell drohenden – politischen Einflussnahme zu schützen“.

„Wichtig, dass Unabhängigkeit nicht infrage gestellt ist“

Thomas, nunmehr einer von zwei Generaldirektoren der Statistik Austria, hat diese Vorabübermittlung nun vorerst ausgesetzt, wie er gegenüber der APA sagte: „Mir ist wichtig, dass die Unabhängigkeit nicht infrage gestellt und der rechtliche Rahmen strikt eingehalten wird. Das sehen unser Wirtschafts- und Statistikrat übrigens genauso.“ Daher habe er als erste Amtshandlung eine rechtliche Prüfung der Vorabübermittlungen eingeleitet. „Bis diese Überprüfung abgeschlossen ist, werden wir die Meldungen zeitgleich übermitteln.“

Der ehemalige Generaldirektor Konrad Pesendorfer
APA/Herbert Neubauer
Pesendorfer war zehn Jahre lang Chefstatistiker

„DNA einer Statistikbehörde“

„Die Unabhängigkeit ist die DNA einer Statistikbehörde“, so Thomas, der zuletzt das wirtschaftsliberale Institut EcoAustria leitete. Auch er selbst würde sich nicht parteipolitisch vereinnahmen lassen, versicherte der Deutsche, dessen Vorgänger Pesendorfer der SPÖ nahestand: „Ich bin in keiner Partei, weder in Österreich noch in Deutschland. Ich bin hier in Österreich noch nicht einmal wahlberechtigt – also ein Höchstmaß an Unabhängigkeit ist gegeben.“

Aufgabe der Statistik Austria sei die Bereitstellung von Zahlen, Daten und Fakten – politische Ableitungen daraus zu ziehen bleibe dann der öffentlichen Debatte überlassen.

Will Datenzugang für Wissenschaft verbessern

Die Zusammenarbeit mit der Wissenschaft will Thomas intensivieren. Hier geht es insbesondere um den von Forscherinnen und Forschern geforderten besseren Datenzugang über das im Regierungsprogramm angekündigte „Austrian Micro Data Center“. Thomas ist zuversichtlich, „in absehbarer Zeit Verbesserungen erreichen zu können“.

Der rechtliche Rahmen und die Finanzierung seien aber zu klären, denn die Statistik Austria habe schon in den vergangenen Jahren einen strammen Konsolidierungskurs vorgelegt: „Es ist klar, dass wir das nicht aus dem eigenen Fleisch bis auf ultimo machen können.“
Zur Forderung seines Vorgängers Pesendorfer nach mehr Budget wollte Thomas daher nicht viel sagen.

Er verwies aber darauf, dass der Beitrag des Bundes seit Jahren nicht angepasst wurde. Sollten die Mittel nach Ausschöpfung aller Sparpotenziale nicht ausreichen, um alle vorgeschriebenen Aufgaben und alle weiteren Wünsche zu erledigen, die an die Statistik Austria herangetragen werden, „dann ist es offensichtlich, dass diese Rechnung nicht aufgeht“, sagte Thomas: „Aber ich glaube, das ist allen bewusst.“

Der neue fachstatistische Generaldirektor Tobias Thomas
APA/Herbert Neubauer
Thomas folgt dem langjährigen Chef Pesendorfer nach

Vorgänger kritisch gegenüber ÖVP-Plänen

Geführt wird die Statistik Austria von zwei Generaldirektoren, wobei Thomas für fachliche Fragen und seine Kollegin Gabriela Petrovic für die Finanzen zuständig ist. Petrovics Vertrag wurde von Kurz’ Kanzleramt verlängert. Pesendorfer, der ÖVP und FPÖ vorgeworfen hatte, die Statistikbehörde stärker kontrollieren zu wollen, bewarb sich nicht mehr. Pesendorfers Chancen wurden von Beobachtern als eher gering eingeschätzt, war dieser doch fachlich unumstritten, aber ein SPÖ-Mann. Und er hatte Kurz kritisiert und – so wie die Opposition – gefordert, die Behörde nicht dem Kanzleramt, sondern dem Nationalrat zu unterstellen, um ihre Unabhängigkeit abzusichern.