Ex-Finanzminister Karl Heinz Grasser mit Anwalt Manfred  Ainedter
APA/Roland Schlager
„Lauschangriff“?

BUWOG-Prozess mit Wirbel fortgesetzt

Nach über drei Monaten Pause aufgrund des Coronavirus ist am Dienstag der BUWOG-Prozess fortgesetzt worden. Neben Plexiglas und Desinfektionsmittel gab es gleich zum Auftakt Aufregung: Der Anwalt von Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser (FPÖ/parteilos) stellte einen Antrag auf Befangenheit der Richter. Auslöser sind Videoaufnahmen, die nicht nur während der Verhandlung, sondern auch in den Pausen gemacht wurden. Das Gericht wies den Vorwurf zurück.

Gleich mehrere Kameras sind im Gerichtssaal angebracht – sie dienen eigentlich der Unterstützung der Schriftführerinnen und Schriftführer. Dass während des Prozesses Aufnahmen stattfinden, darauf weist Richterin Marion Hohenecker jeweils am Beginn des Verhandlungstages hin.

Grasser-Anwalt Norbert Wess warf der Richterin und ihren Beisitzenden nun „strukturelle Befangenheit“ vor – denn laut Wess liefen die Bild- und Tonaufnahmen auch in den Pausen und schon vor Verhandlungsbeginn mit. Laut „Kurier“ hatten die beiden Grasser-Anwälte Wess und Manfred Ainedter die Aufnahmen vom Gericht angefordert, weil ihnen die Abschrift „viel zu langsam“ gewesen sei. Dabei entdeckten sie, dass die Kameras teilweise schon „30 bis 40 Minuten“ vor der Verhandlung liefen. Insgesamt entstanden laut Wess so 169 Stunden unrechtmäßig aufgezeichnetes Material.

„Fischauge“ hörte mit

„Eine erschreckend hohe Anzahl an nicht öffentlichen, vertraulichen Gesprächen wurde aufgezeichnet“, so Wess, der einen „Lauschangriff“ sieht. Im Zentrum der Aufregung ist ein im Gerichtssaal angebrachtes „Fischauge“ – diese Kamera kann einen besonders großen Teil des Gerichtssaals aufzeichnen. Die dabei entstandene Tonspur würde in ihrer Qualität zwar schwanken, doch vieles sei zu verstehen.

Richterin Marion Hohenecker
APA/Georg Hochmuth
Richterin Hohenecker – im Zuge der Krise wie ihre Kollegen mit Mundschutz – wurde von Wess scharf kritisiert

So seien etwa Äußerungen von Angeklagten und deren Anwälten aufgenommen worden, so Wess. Laut „Kurier“ kann man sogar hören, wie Journalisten „in den Pausen mit den Redaktionen telefonieren“. Selbst Äußerungen mit einem Abstand „von mehr als zehn bis 15“ Metern seien zu vernehmen, heißt es in dem Artikel.

Gericht weist Vorwürfe zurück

Wess beantragte unter anderem eine Löschung der Aufnahmen. Und er stellte den Antrag, die Berufsrichter wegen des „zumindest objektiven Anscheins der Befangenheit“ auszuschließen. Mehrere Anwälte schlossen sich dem Antrag an.

Staatsanwalt Gerald Denk bezeichnete das Vorbringen des Verteidigers hingegen als „Sturm im Wasserglas“, womit er nur von der Hauptsache im Prozess ablenken wolle. „Ton- und Bildaufnahmen sind zulässig, das alles ist rechtlich gedeckt, eine Befangenheit daraus abzuleiten ist nahezu absurd und rechtlich nicht gedeckt“, sagte er. All diese Anträge hätten mit der Hauptverhandlung nichts zu tun, daher beantrage er die Abweisung.

Richterin Hohenecker wies die Anträge der Verteidigung nach der Mittagspause ab. Der Befangenheitsantrag sei „unsubstanziiert“, so Hohenecker. Das Material liege der Verteidigung seit Anfang 2018 vor. Auch den Antrag auf Vernichtung des Bild- und Tonmaterials, das außerhalb der Verhandlung aufgenommen worden sei, lehnte die Richterin ab. Da Grassers Anwalt auch möglicherweise gesetzwidrige Handlungen in den Raum gestellt habe, käme eine Vernichtung des Materials einer möglichen Beweismittelvernichtung gleich, so die Richterin.

Gerichtssprecherin: Mikrofone klar erkennbar

Auch die Gerichtssprecherin des Wiener Straflandesgerichts machte in einer Stellungnahme gegenüber der APA die Position des Gerichts klar: Zu Anfang jedes Verhandlungstages werde protokolliert, dass die Verhandlung zusätzlich zur Schriftführerin auch mit Bild und Ton aufgezeichnet werde und auch entsprechende Schilder am Zugang zum Saal darauf hinwiesen. Die dabei verwendeten Mikros seien erkennbar und ausschließlich vorne am Richtertisch, bei den Schöffen, dem Staatsanwalt, den Privatbeteiligtenvertretern und im Zeugenstand.

Die Tische der Angeklagten und der Anwälte seien nicht mit Mikros versehen, auch der Zuschauerraum nicht. Selbstverständlich seien auch die Nebenräume des Saales – also etwa Zimmer der Verteidiger, Vorhalle und Gänge – ohne Mikros. In der langen Mittagspause werde in der Regel die Anlage abgeschaltet. „Der Senat erhält nur die verschriftlichten Protokolle, ab Aufruf der Sache bis zum Ende des jeweiligen Tages. Die Aufnahme dient nur der Unterstützung der Schriftführer, um die gewünschte wortwörtliche Protokollierung zu ermöglichen“, heißt es in der Stellungnahme.

Verschwiegenheit laut Experten verletzt

Der Strafrechtsexperte Alois Birklbauer von der Universität Linz sagte gegenüber dem „Kurier“, dass die Aufnahmen einen „Eingriff in die Privatsphäre“ darstellten. „Außerdem ist es ein Verstoß gegen das Grundrecht auf Verteidigung, wo die Gespräche zwischen Anwalt und Angeklagten unter die Verschwiegenheit fallen“, so Birklbauer, der für Grasser laut „Kurier“ ein Gutachten erstellte. Auch Rupert Wolff, Chef des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages, sagte dem Blatt: „Dieser Lauschangriff verletzt die anwaltliche Verschwiegenheit.“

Sicherheitsmaßnahmen im Zuge der Coronavirus-Krise

Abseits der Vorwürfe stand der Auftakt des 139. Verhandlungstages am Dienstag vor allem im Zeichen der Coronavirus-Krise. Der Große Schwurgerichtssaal im Wiener Straflandesgericht wurde adaptiert. Plexiglasschutzwände vor dem Richtertisch, vor den Staatsanwälten und bei den Sitzen der Schöffen sowie in der ersten Reihe der Angeklagten sollen die Prozessbeteiligten abschirmen.

Die Angeklagten und ihre Anwälte sitzen wesentlich weiter voneinander entfernt als bisher. Acht Angeklagte sitzen wie bisher in der ersten Reihe, die übrigen sitzen auf den Bänken im Gerichtssaal, wo sonst die Zuschauer und Journalisten gesessen sind. Diese müssen nun auf der Galerie Platz nehmen.

„Zum Schutze unser aller Gesundheit und zur Umsetzung der Rechtsvorschriften in der Corona-Pandemie ergeben sich folgende Änderungen“, so Hohenecker. Coronavirus-Pakete seien verteilt worden, bestehend aus Handdesinfektionsmittel und Plexiglasvisieren. Die Abstandsregel von einem Meter gelte. Berechnet auf fünfzig anwesende Personen verfüge jeder über mehr als das Dreifache der benötigten Luftmenge, so die Richterin. „So viel zum Thema Aerosole.“

Ursprünglicher Zeitplan wohl vom Tisch

Ebenfalls aufgrund der Krise dürfte auch der Zeitplan wohl nicht mehr eingehalten werden. Ursprünglich war geplant, das Verfahren im Sommer zu beenden. Das sei aufgrund der Pandemie nicht mehr haltbar, so Hohenecker. Dennoch soll das Beweisverfahren noch dieses Jahr abgeschlossen werden.

Androsch erster Zeuge nach langer Pause

Zum Auftakt nach der langen Pause war der ehemalige SPÖ-Finanzminister Hannes Androsch als Zeuge geladen. Im Mittelpunkt stand seine letzte Befragung, in der es um ein Treffen zwischen ihm und dem ehemaligen Angeklagten RLB-OÖ-Chef Ludwig Scharinger, der mittlerweile verstorben ist, ging. Scharinger soll mit Androsch über den angeklagten Immobilienmakler Ernst Karl Plech gesprochen habe, der Scharinger einst in Aussicht stellte, dass dieser bei Großaufträgen des Bundes ein wichtiger Mittler sein könnte. Androsch bestätigte seine früheren Aussagen, an Details des Gesprächs könne er sich aber nicht erinnern.

Als zweiter Zeuge war der ehemalige ÖVP-Abgeordnete und nunmehrige Volksanwalt Werner Amon geladen. Thema waren die Zahlungen der Telekom Austria an den ÖAAB bzw. dessen Verlag Wiener Pressverein. Amon sagte als Zeuge, das Geld sei ein Druckkostenbeitrag für ÖAAB-Publikationen und für eine Veranstaltung gewesen. Es habe sich nicht um „politische Landschaftspflege“ der Telekom gehandelt.

Dass die Zahlung der Telekom über die Firma Valora des nun angeklagten Lobbyisten Peter Hochegger floss, das sei vermutlich auf Wunsch der Telekom so geschehen, so Amon. Die teilstaatliche Telekom Austria zahlte daraufhin 15.000 Euro an den ÖAAB. Es sei um einen Druckkostenbeitrag gegangen, auch ein Sponsoring für einen ÖAAB-Bundestag wurde geleistet, so Amon. Da habe es durchaus eine Gegenleistung gegeben, weil Werbematerial der Telekom dort aufgelegt worden sei. Eine „subtile Abhängigkeit“ sei dadurch nicht entstanden, so der langjährige ÖVP-Funktionär und nunmehrige Volksanwalt. Er räumte allerdings ein, dass es „keine gute Optik“ sei.