Blick in das Lokal 7 während eines Untersuchungsausschusses
ORF.at/Lukas Krummholz
Fieberchecks, Absagen

Startschuss für „Ibiza“-U-Ausschuss

Vor exakt 385 Tagen hat ein sieben Minuten langes Video die heimische Politik auf den Kopf gestellt. Aber nicht nur das: Ausgehend vom „Ibiza-Video“ wurden Ermittlungen wegen Postenschachers samt mutmaßlichem Gesetzeskauf eingeleitet. Ab Donnerstag widmet sich auch ein Untersuchungsausschuss den Vorwürfen – die zuletzt um einige Facetten reicher wurden.

Während die Sicherheitsbedingungen für den „Ibiza“-U-Ausschuss quasi unverändert blieben – Eingangskontrolle, Abhörschutz etc. –, wurden die gesundheitlichen Maßnahmen wegen des Coronavirus verschärft. Neben Fieberchecks am Eingang und der Empfehlung für Journalisten und Journalistinnen zum Tragen von Mund-Nasen-Schutz (MNS) wurde ein zusätzlicher Arbeitsraum für Medien eingerichtet. Die Vorkehrungen konnten aber die Sorgen von vier Auskunftspersonen nicht schmälern.

Sowohl Milliardärin Heidi Goess-Horten als auch Waffenproduzent Gaston Glock und Novomatic-Eigentümer Johann Graf haben aus gesundheitlichen Gründen – und weil sie zur Covid-19-Risikogruppe gehören – abgesagt. Entschuldigt haben soll sich auch schon der ehemalige Casinos-Austria-Vorstand und frühere SPÖ-Mandatar Dietmar Hoscher. Bestätigt ist das aber noch nicht. Horten, Glock und Graf wären am Freitag befragt worden. Falls diese nicht wie geplant erscheinen, wird der Ausschuss debattieren, wie man sie später befragen kann.

Heinz-Christian Strache
APA/Herbert Neubauer
Am Donnerstag sitzt Ex-Vizekanzler und Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache im U-Ausschuss

Strache und Gudenus machen den Anfang

Am Donnerstag wird das allerdings noch Nebensache sein. Denn am ersten Tag der Befragungen sind die zwei „Ibiza“-Hauptakteure, Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und Ex-FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus, geladen. Beide sagten zu, der Ladung zu folgen. Die beiden ehemaligen Parteikollegen hatten im heimlich aufgenommenen „Ibiza-Video“ mit einer – zumindest für Strache – fremden Frau, die sich als reiche Oligarchennichte ausgab, über Staatsaufträge, verdeckte Parteispenden und eine Medienübernahme gesprochen.

ORF.at-Berichterstattung

ORF.at berichtet über den U-Ausschuss direkt aus dem Sitzungslokal in der Hofburg.

Das Gesagte im „Ibiza-Video“ war der Stein, der sämtliche Ermittlungen danach ins Rollen brachte. Insbesondere die Chat-Protokolle zwischen ÖVP- und FPÖ-Politikern sowie Novomatic-Mitarbeitern auf der einen und Aktennotizen und E-Mails von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern der Casinos Austria AG (CASAG) auf der anderen Seite waren mediale Dauerbrenner. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt, die Beschuldigten weisen alle Vorwürfe zurück, für alle gilt die Unschuldsvermutung.

Zuletzt wurde die ohnehin schon verzweigte „Ibiza-Affäre“ um zwei Facetten reicher. Erstens wurde das gesamte Video mit mehr als zwölf Stunden Material von der „Sonderkommission Tape“ Ende April – für viele überraschend – beschlagnahmt. Zweitens wurde der Vorwurf gegen Strache laut, er habe ein Gesetz gegen Gegenleistung in Form von Parteispenden ändern lassen. Neben diesen Aspekten ist auch der U-Ausschuss selbst immer wieder Thema. Etwa: Ist Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) als Ausschussvorsitzender befangen, weil er sich mit Novomatic-Leuten getroffen hat? Er sagt Nein, NEOS sagt Ja.

WKStA erfuhr von Videofund aus Medien

Fragen wirft auch die „Soko Tape“ auf, die im Auftrag der WKStA und der Staatsanwaltschaft Wien ermittelt. Die WKStA ist für das im Video Gesagte zuständig, prüft, ob sich der Korruptionsverdacht erhärtet. Die Staatsanwaltschaft Wien hingegen will die Videomacher ausfindig machen. Vom Videofund erfuhr die WKStA aber erst am 27. Mai aus den Medien. Justizministerin Alma Zadic (Grüne) sei über das Video auch erst Ende Mai informiert worden, im Gegensatz zu Innenminister Karl Nehammer (ÖVP), der laut „Falter“ über den Coup bereits eine Woche vor der Pressemitteilung der „Soko“ erfahren hat.

„Falter“-Chefredakteur Florian Klenk, der das gesamte „Ibiza-Video“ gesehen hat und deshalb am Donnerstag vor Strache und Gudenus im U-Ausschuss befragt wird, schrieb in der Wiener Stadtzeitung, dass das Vertrauen zwischen Polizei und WKStA wieder einmal zerrüttet sei. „Die Polizei hat die WKStA brüskiert (…). Die WKStA ist in der schwarzen Reichshälfte seit den Ibiza-Ermittlungen offenbar nicht wohlgelitten“, heißt es. Die WKStA ermittelt auch gegen ehemalige ÖVP-Politiker wie Ex-Finanzminister Hartwig Löger.

Der U-Ausschuss selbst wird das vollständige Video in frühestens zwei Wochen sehen. Das Material liegt derzeit im Bundeskriminalamt, also im Innenministerium. Dort wird es bleiben, bis die Abschrift des Videos fertig ist. Erst dann geht das Video an die Staatsanwaltschaft Wien und die WKStA. Beide sollen prüfen, ob in dem Video Persönlichkeitsrechte betroffen sind. Das Justizministerium kann das Material schließlich an den U-Ausschuss übermitteln.

Neue Vorwürfe gegen Strache – er weist diese zurück

Ein weiterer Handlungsstrang, mit dem sich der U-Ausschuss wohl beschäftigten wird, ist die Änderung des Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfondsgesetz (PRIKRAF). Im Zuge der Sozialversicherungsreform wurde der Fonds, aus dem die Betreiber von bestimmten Privatspitälern, die zur öffentlichen Grundversorgung beitragen, einen Teil der Kosten zurückbekommen, aufgestockt, berichtete die „Kleine Zeitung“. Aber nur jene privaten Kliniken erhalten das Geld, die explizit auf der Liste im PRIKRAF-Gesetz genannt werden.

Ibiza-U-Ausschuss beginnt am Donnerstag

Die Veröffentlichung des Ibiza-Videos hatte im Mai 2019 eine schwere Regierungskrise und Neuwahlen ausgelöst. Nun wird der Fall in einem Untersuchungsausschuss behandelt. Er startet am Donnerstag unter anderem mit der Aussage des Ex-Vizekanzlers Strache.

Eine Klinik, die sich jahrelang – sogar mit einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (VfGH) – um einen Listenplatz beworben hatte, war die Vienna International Medical Clinic in Wien-Währing (Privatklinik Währing). Erst unter der ÖVP-FPÖ-Regierung und eben im Zuge der Gesetzesänderung 2018 wurde sie aufgenommen. Im Frühjahr 2017 hatte sich Strache öffentlich dafür eingesetzt, während der Koalitionsverhandlungen soll er dem Klinikbetreiber Walter Grubmüller geschrieben haben: „Welches Gesetz wäre für dich wichtig, damit die Privatklinik endlich fair behandelt wird?“

Auf Straches Handy wurden, wie die „Presse“ berichtete, Nachrichten von Grubmüller gefunden, in denen von Flügen nach Ibiza und Korfu in Grubmüllers Privatjet die Rede sein soll. Außerdem bittet darin Grubmüller Strache um das „Spendenkonto für die EU-Wahl“ 2019. Der Klinikbetreiber hatte schon einmal 10.000 Euro an die FPÖ gespendet. Sowohl Grubmüller als auch Strache weisen die Vorwürfe zurück. Es gebe keinen Zusammenhang. Die damalige Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) sagte in einer Anfragebeantwortung: „Die Aufnahme der Privatklinik Währing in den PRIKRAF ist nicht auf eine verstärkte Initiative des Vizekanzlers zurückzuführen.“