Österreichischische Polizisten am Brenner bei der Grenzkontrolle zu Italien
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Grenzen weiter zu

Italien kritisiert Österreichs Lösung

Schon am Donnerstag öffnet Österreich die Grenzen zu den Nachbarländern wieder vollständig – nur die Beschränkungen zu Italien bleiben aufrecht. Das sorgte am Mittwoch für scharfe Kritik: Italiens Außenminister Luigi Di Maio sagte, das „individuelle Verhalten“ verletze „den europäischen Geist“ und schade „Europa und dem gemeinsamen Markt“. Er sehe aber Dialogmöglichkeiten.

Di Maio zeigte sich am Mittwoch nach einem Telefonat mit Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) jedoch optimistisch, dass Österreich den Beschluss, die Grenze zu Italien nicht zu öffnen, überdenken werde. Österreich habe sich bereiterklärt, die epidemiologischen Daten des italienischen Gesundheitsministeriums zu prüfen, so Di Maio.

„Schallenberg hat mir versichert, dass Österreichs Beschluss nicht endgültig ist“, sagte Di Maio bei einer Pressekonferenz in Rom. „Im Tourismusbereich sind gemeinsame europäische Regeln notwendig, die den europäischen Bürgern Reisefreiheit garantieren sollen“, sagte Di Maio. Er plane eine diplomatische Tour, um die EU-Partner zur Öffnung der Grenzen zu Italien zu bewegen.

Italiens Außenminister Luigi Di Maio
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Italiens Außenminister Di Maio kritisierte Österreich scharf

Schallenberg kündigte am späten Vormittag die Grenzöffnungen mit Ausnahme von Italien an. „Die Zahlen lassen das mit Italien noch nicht zu“, so Schallenberg. Nächste Woche soll die nächste Evaluierung der Situation in Italien erfolgen. Man sehe, dass sich die Lage auch in Italien deutlich verbessert habe und einzelne Regionen – beispielsweise Südtirol – schon gute Covid-19-Zahlen vorweisen könnten, sagte Schallenberg. Den Vorschlag aus Bozen, wonach gegenüber italienischen Regionen geöffnet werden könnte, wolle man daher „sehr ernst nehmen“. Ziel sei eine „Öffnung zu Italien, sobald die Zahlen es zulassen“. Die Maßnahme sei „keine Entscheidung gegen Italien“.

Kritik aus Trentino, EU verweist auf „Nichtdiskriminierung“

Scharfe Kritik kam unterdessen aus Italiens Provinzen: Der Trentiner Landeshauptmann Maurizio Fugatti kritisierte den Beschluss der Regierung in Wien als „unbegreiflich“. „Ich hoffe, dass die italienische Regierung und Brüssel sich unserem Appell anschließen, damit Österreich seinen Beschluss rückgängig macht“, sagte Fugatti. Zwar behaupte die Regierung in Wien, dass ihre Entscheidung nicht gegen Italien gerichtet sei. „De facto bestraft dieser Beschluss Italien schwer. Es beraubt uns der Hoffnung in einer Zeit, in der Solidarität überwiegen sollte“, so Fugatti.

Reisen wird wieder einfacher

Nach rund drei Monaten Coronavirus-Beschränkungen stellt Österreich wieder vollständige Reisefreiheit zu seinen Nachbarländern her. Ausgenommen davon ist Italien. Hier soll kommende Woche die nächste Evaluierung erfolgen.

Lega-Parlamentarier protestieren

Auch die Südtiroler und Trentiner Abgeordneten der oppositionellen Lega machen Druck auf die italienische Regierung, damit diese die Bemühungen zur Grenzöffnung mit Österreich verstärkt. Österreich habe wieder einmal Italien die Türe geschlossen, doch die Reaktion von Premier Giuseppe Conte sei zu schwach, kritisierten die Parlamentarier.

„Österreichs beleidigendes Verhalten ist für unsere Wirtschaft schädlich“, hieß es einem Schreiben der sechs Parlamentarier am Mittwoch. „Trotz vieler Worte über die Bedeutung des Tourismus für Italien bleibt die Brenner-Grenze geschlossen. Das ist ein wahrer Schaden. Die Reisefreiheit muss wiederhergestellt werden“, protestierten die Parlamentarier.

EU verweist auf „Prinzip der Nichtdiskriminierung“

Die EU-Kommission wollte sich am Mittwoch nicht direkt zu Österreichs Entscheidung äußern, verwies aber erneut auf das „Prinzip der Nichtdiskriminierung“ und die EU-Empfehlungen für die Wiederöffnung der Grenzen. „Wir kommentieren generell einzelne Maßnahmen, die die EU-Länder treffen, nicht“, sagte ein Sprecher der EU-Behörde in Brüssel. Die EU-Kommission habe ihre „koordinierende Rolle“ eingenommen. „Diese hat sie gespielt, indem sie sehr klar dargestellt hat, welche Kriterien sie für geeignet hält, herangezogen zu werden“, so ein weiterer Sprecher.

Seit Mittwoch herrscht in Italien nach drei Monaten wieder weitgehende Reisefreiheit für EU-Bürger. Die Grenzen sind für Touristinnen und Touristen geöffnet, Italien verzichtet auch auf eine zweiwöchige Quarantäne für Einreisende aus Europa. Auch die Italiener selbst dürfen sich wieder landesweit frei bewegen und in andere Regionen reisen. Das Land hofft, noch von der Urlaubssaison profitieren zu können.

Schallenberg sieht im Vorgehen Österreichs in Bezug auf Italien keine Diskriminierung, wie er am Donnerstag im Ö1-Morgenjournal sagte. Es gehe um das Gesamtbild der Covid-19-Situation in einem Land. Es sei allerdings ein interessanter Vorschlag, bestimmte Regionen in Italien zu öffnen.

Situation wie vor der Pandemie

An den anderen Grenzen werden die Gesundheits- und Grenzkontrollen unterdessen am Donnerstag nun eingestellt. Für Deutschland, Liechtenstein, die Schweiz, die Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn gelten damit die gleichen Regeln wie vor der Pandemie. Es gebe keine Quarantäne oder Testerfordernisse bei der Einreise nach Österreich mehr.

Die Schweiz allerdings öffnet die Grenze zu Österreich erst am 15. Juni. Der Einkaufstourismus zwischen den beiden Ländern und die Einreise in die Schweiz aus touristischen Gründen sind erst ab diesem Tag wieder erlaubt. Die Durchreise nach und aus Österreich durch die Schweiz ist nur möglich, wenn die Person wieder aus der Schweiz ausreist.

Außenminister Alexander Schallenberg
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ÖVP-Außenminister Schallenberg kündigte am Mittwoch die Grenzöffnungen an

„Das Coronavirus ist nicht auf Urlaub“, sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne). Trotzdem hätten Österreich und die Nachbarn „große Fortschritte“ gemacht, deswegen sei der nächste große Öffnungsschritt möglich. Bezüglich Italien seien die Zahlen aber in den Regionen sehr unterschiedlich und die „virologische Situation“ trotz großer Fortschritte nicht unproblematisch.

Man wolle nun regionale Abstufungen prüfen und laufend evaluieren. Eine rasche Öffnung sei das Ziel, aber auf eine verantwortungsvolle Art und Weise. Anschober ergänzte, es sei „nicht ausgeschlossen“, dass eine – möglicherweise teilweise – Öffnung zu Italien bereits am 15. Juni erfolgen könne. Klarheit zu Italien werde es in den nächsten ein, zwei Wochen geben, so der Minister.

„Eigenverantwortung“

„Wir appellieren an die Eigenverantwortung“, so Schallenberg. Jeder, der ins Ausland fahren wolle, müsse sich vorbereiten und Vorkehrungen treffen. „Mit wem komme ich dort in Kontakt? Und wie komme ich zurück?“ Der Hausverstand sei der beste Schutz. Laut Schallenberg ist volle Reisefreiheit so bald wie möglich das Ziel. Nach wie vor gelte aber die Empfehlung, auf nicht notwendige Reisen zu verzichten. Die Regierung empfehle weiterhin, den Urlaub in Österreich zu verbringen. Die Bereitschaft im Außenministerium für weitere Rückholaktionen sei „sehr überschaubar“.

In Bezug auf andere Länder rief Schallenberg zu Geduld auf. Schweden, Großbritannien und Spanien seien „schwierige Fälle“, bei denen man noch nicht sagen könne, wann eine Öffnung möglich sein wird. In Hinblick auf Nicht-EU-Staaten gebe es den Wunsch, sich in der EU abzustimmen, etwa bei Reisen nach Lateinamerika, Russland, China und in die Subsahara-Region. „Global gesehen stecken wir noch mitten in der Pandemie“, dämpfte Schallenberg diesbezüglich die Erwartungen. Daher könne Reisefreiheit in viele Länder voraussichtlich über Monate nicht hergestellt werden.

Slowenien lobt Österreichs Lösung

Slowenien begrüßte die Entscheidung Österreichs. „Wir sind froh, dass Österreich die gute epidemiologische Lage in Slowenien, die zu den besten in Europa gehört, anerkannt hat“, sagte der Sprecher des Außenministeriums, Aleksander Gerzina, zur APA. Gerzina rechnet damit, dass die slowenische Regierung schon bald auch Österreich auf die grüne Liste der Länder setzen wird, für die es keine Einreisebeschränkungen gibt. Auf der Liste befinden sich derzeit Kroatien und Ungarn, deren Bürger dürfen so ohne jegliche Auflagen nach Slowenien.

Deutschland will Reisewarnungen aufheben

Unterdessen beschloss Deutschland am Mittwoch, die Reisewarnung für 29 europäische Länder mit 15. Juni aufzuheben, falls die weitere Entwicklung der Pandemie es zulässt. Voraussetzung sei aber, dass es in den Zielstaaten keine Einreiseverbote und großflächigen Ausgangssperren mehr gebe, sagte Außenminister Heiko Maas (SPD) nach dem Kabinettsbeschluss in Berlin. Diese Voraussetzungen erfüllten derzeit alle Länder bis auf Norwegen und Spanien, wo die Einreisesperren noch länger in Kraft blieben.

Auch Belgien hebt seine wegen der Coronavirus-Pandemie verhängten Reisebeschränkungen am 15. Juni auf. Reisen in und aus Ländern der EU und des Schengen-Raums seien dann wieder ungehindert möglich, sagte Regierungschefin Sophie Wilmes am Mittwoch in Brüssel. Darüber hinaus kündigte sie an, die Einschränkungen des öffentlichen Lebens, die zur Eindämmung des Coronavirus erlassen worden waren, ab kommender Woche weitgehend wieder zurückzunehmen.