US-Präsident Donald Trump
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„Wir sind besser als das“

Ex-Minister und Ex-Präsidenten gegen Trump

Während die durch die Tötung des Afroamerikaners George Floyd bei einem Polizeieinsatz in den USA ausgelösten Proteste weiter anhalten, reißt die Kritik an der Reaktion von US-Präsident Donald Trump nicht ab. Neben Ex-Verteidigungsminister James Mattis äußerten inzwischen auch alle vier noch lebenden Ex-Präsidenten mehr oder weniger direkt ihren Unmut.

Die Demokraten Jimmy Carter, Bill Clinton und Barack Obama sowie der Republikaner George W. Bush kritisierten in Stellungnahmen die anhaltende Ungleichheit und die Benachteiligung Schwarzer sowie den Umgang der Regierung. Gegen alle vier an dem Polizeieinsatz beteiligten Ex-Polizisten wurde indes Anklage erhoben – jene gegen den Hauptverdächtigen wurde verschärft.

In einer Stellungnahme erklärte etwa Ex-Präsident Carter am Mittwoch (Ortszeit), es müsse mehr getan werden, um dem systematischen Rassismus in den USA zu begegnen. „Wir brauchen eine Regierung, die so gut ist wie ihre Bevölkerung, und wir sind besser als das“, schrieb der Demokrat. Es sei Zeit, sich gegen Diskriminierung in Polizei und Justiz sowie die anhaltende „unmoralische“ wirtschaftliche Ungleichheit aufzulehnen, forderte er.

Obama macht Mut

Bereits mehrfach seit Floyds Tötung hatte sich Obama – der bisher einzige afroamerikanische US-Präsident – geäußert. Am Mittwoch sagte er, die von breiten Gesellschaftsschichten unterstützten Proteste seien ein Zeichen der Hoffnung, dass es im Land den Willen zur Veränderung gebe.

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US-Ex-Präsident Barack Obama
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Die vier noch lebenden früheren US-Präsidenten haben die Regierung des amtierenden Präsidenten Donald Trump in den vergangenen Tagen mehr oder weniger direkt kritisiert. Barack Obama – der bisher einzige afroamerikanische US-Präsident – versuchte in einer Rede, die im starken Kontrast zu Trumps aggressivem Vorgehen steht, jungen Afroamerikanerinnen und Afroamerikanern Mut zu machen.
US-Ex-Präsident Jimmy Carter
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„Wir brauchen eine Regierung, die so gut ist wie ihre Bevölkerung, und wir sind besser als das“, schrieb der Demokrat Jimmy Carter, der zwischen 1977 und 1981 US-Präsident war, in einer Stellungnahme.
US-Ex-Präsident Bill Clinton
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Alle Amerikaner müssten sich gegen Rassismus auflehnen, vor allem aber Politiker müssten Fehler einräumen und Verantwortung übernehmen, forderte der Demokrat Bill Clinton.
US-Ex-Präsident George W. Bush
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Ein Seitenhieb auf Trump kam auch vom ehemaligen republikanischen Präsidenten George W. Bush: „Es gibt einen besseren Weg – den Weg der Empathie, des gemeinsamen Engagements und des mutigen Handelns“, so Bush.

Er wandte sich in seiner Rede, die im starken Kontrast zu Trumps aggressiven Vorgehen steht, auch direkt an junge Afroamerikaner: „Ich möchte, dass du weißt, dass du wichtig bist, ich möchte, dass du weißt, dass dein Leben wichtig ist, dass deine Träume wichtig sind.“ Trump verurteilte Floyds Tötung zwar mehrfach, ihm wird jedoch vorgeworfen, sich nicht klar gegen Rassismus zu positionieren und nicht genug Verständnis für den Zorn über anhaltende Diskriminierung im Land zu zeigen. Außerdem spalte er nach Ansicht vieler, anstatt zu versöhnen.

„Schockierendes Versagen“

Ex-Präsident Bush hatte am Dienstag gesagt, es sei ein „schockierendes Versagen“, dass viele Afroamerikaner in ihrem Heimatland immer noch Belästigungen und Bedrohungen ausgesetzt seien. Schwarze erlebten die wiederholte Verletzung ihrer Rechte „ohne eine dringliche und adäquate Antwort von Amerikas Institutionen“.

Und „diejenigen, die diese Stimmen zum Schweigen bringen wollten, verstehen die Bedeutung Amerikas nicht“, so Bush – ein weiterer Seitenhieb gegen den derzeitigen Amtsinhaber, der seit Tagen für den Einsatz des Militärs wirbt, um Ausschreitungen am Rande der Proteste zu unterbinden. „Es gibt einen besseren Weg – den Weg der Empathie, des gemeinsamen Engagements und des mutigen Handelns“, so Bush.

Am Samstag erkärte Ex-Präsident Clinton, Floyds Tod sei der „jüngste Fall in einer langen Reihe von Tragödien und Ungerechtigkeiten sowie eine schmerzhafte Erinnerung daran, dass die Hautfarbe einer Person immer noch festlegt, wie diese in fast jeder Lebenslage in Amerika behandelt wird“. Alle Amerikaner müssten sich gegen Rassismus auflehnen, vor allem aber Politiker müssten Fehler einräumen und Verantwortung übernehmen, forderte er.

Mattis: „Jahre ohne reife Führung“

Auch der frühere US-Verteidigungsminister Mattis stellte sich am Mittwoch hinter die friedlichen Proteste im Land – Trump kritisierte er als Spalter. Trump sei der erste Präsident, den er erlebe, der sich nicht darum bemühe, das Land zu einen, sondern seit drei Jahren versuche, das Land zu spalten, schrieb Mattis im US-Magazin „The Atlantic“. „Wir sind Zeugen der Konsequenzen von drei Jahren ohne reife Führung“, schrieb der pensionierte General. Die Ereignisse dieser Woche hätten ihn „wütend und entsetzt“ zurückgelassen, so der 69-Jährige.

Der frühere US-Verteidigungsminister James Mattis
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Der frühere US-Verteidigungsminister James Mattis übte scharfe Kritik an Trump

Mattis war wegen Meinungsverschiedenheiten mit Trump Anfang 2019 nach zwei Jahren als dessen Verteidigungsminister zurückgetreten, hatte den Präsidenten seither aber nicht öffentlich kritisiert. Mattis warnte nun vor einer von Trump gewünschten Militarisierung der Einsätze gegen die Proteste im ganzen Land. „Zu Hause sollten wir unser Militär nur sehr selten einsetzen, wenn es von Gouverneuren der Bundesstaaten angefordert wird“, schrieb er. Ein Einsatz der Streitkräfte gegen zivile Proteste drohe, einen Konflikt zwischen Bevölkerung und Militär zu provozieren, so Mattis.

„Missbrauch der Regierungsmacht“

Mattis fand besonders scharfe Worte für den Vorfall vom Montag, als auf Befehl von Trumps Regierung hin ein friedlicher Protest vor dem Weißen Haus gewaltsam aufgelöst worden war, um es Trump zu ermöglichen, sich vor einer nahen Kirche in Szene zu setzen. Er bezeichnete den Vorfall als „Missbrauch der Regierungsmacht“. „Wir müssen das ablehnen und jene Amtsträger zur Rechenschaft ziehen, die unsere Verfassung verhöhnen würden“, forderte er.

USA: Proteste halten an

In allen 50 Bundesstaaten in den USA kam es mittlerweile zu Protesten gegen Polizeigewalt und Rassismus. Das Militär hat 1.600 Soldaten an Stützpunkte rund um die Hauptstadt Washington DC verlegt.

Er kritisierte indirekt auch Verteidigungsminister Mark Esper, der an Trumps Auftritt teilgenommen hatte. Esper hatte später versucht, sich davon zu distanzieren. Am Mittwoch sprach sich Esper überdies gegen einen Militäreinsatz, wie ihn Trump Anfang der Woche angedroht hatte, aus. Der Einsatz von Berufssoldaten im Inland sollte nur das „letzte Mittel“ in den „dringlichsten und äußersten Situationen“ sein, sagte Esper am Mittwoch im Pentagon.

De Blasio verspricht Reform der Polizeiarbeit

Trump reagierte über Twitter auf Mattis’ Kritik und warf ihm vor, vor allem das Feld der Selbstdarstellung zu beherrschen. Er habe dessen Führungskraft nicht geschätzt und sei froh, dass dieser „weg ist“, schrieb Trump. Auf Trumps Befehl hin wurden zudem Soldaten und Kräfte des Bundes in die Hauptstadt Washington verlegt. Am Dienstag hatte sich auch der frühere Generalstabschef Mike Mullen entsetzt gezeigt und Trumps Regierung scharf dafür kritisiert.

New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio versprach indes eine Reform der Polizeiarbeit in der Millionenmetropole. „Unsere Verwaltung wird die Vorgaben dazu, wie das NYPD Zwang ausübt, überprüfen und wenn nötig reformieren, und wir werden die Menschen dieser Stadt dabei einbinden“, so de Blasio laut einer Mitteilung in der Nacht auf Donnerstag. „Wir werden weiter reformieren, wir werden weiter Brücken zwischen der Polizei und der Gemeinschaft bauen, wir werden uns weiter zu einer sichereren und gerechteren Stadt entwickeln.“

Justizminister räumt Misstände ein

Auch US-Justizminister William Barr räumte grundlegende Missstände im Land ein. „George Floyds Tod war nicht der erste dieser Art“, sagte Barr am Donnerstag in Washington. Es sei nicht zu leugnen, dass viele Afroamerikaner Zweifel an der Strafjustiz im Land hätten. „Das muss sich ändern.“

Es müsse sichergestellt werden, dass Rassismus bei der Strafverfolgung keine Rolle spiele. Mit Blick auf Floyds Tod versprach Barr, man werde hart dafür arbeiten, dass aus Schlechtem etwas Gutes herauskomme. Barr sagte, die Demonstranten protestierten überwiegend friedlich. Ausschreitungen, Plünderungen und Gewalt würden jedoch nicht geduldet. Ausländische Akteure mischten auf allen Seiten mit, zudem versuchten „extremistische Agitatoren“, die Spaltung in der US-Gesellschaft zu vergrößern. Es gebe Belege, wonach „die Antifa und andere ähnliche extremistische Gruppen“ sowie „Akteure verschiedener politischen Überzeugungen“ darin verwickelt gewesen seien, zu Gewalthandlungen anzustiften.

Der Direktor der Bundespolizei FBI, Christopher Wray, betonte: „Wir versuchen in keiner Weise, friedliche Proteste zu entmutigen.“ Gewalttätige Ausschreitungen seien aber nicht hinnehmbar und müssten aufhören. Anarchische Aufrührer versuchten, die aktuelle Lage auszunutzen und Zwietracht zu sähen, beklagte er. Auch Wray mahnte, es gehe nicht nur um Floyd. Es gehe um alle, die über die Jahre von jenen, die mit ihrem Schutz betraut wurden, zu Unrecht getötet oder in ihren Rechten verletzt worden seien.

Meghan: „Niederschmetternd“

Auch Prominente zeigten sich in der vergangenen Woche besorgt bis kritisch. Herzogin Meghan äußerte sich erschüttert: „Was in unserem Land, in unserem Staat und in unserer Heimatstadt L.A. (Los Angeles) passiert ist, ist absolut niederschmetternd“, sagte die US-Amerikanerin und Ehefrau des britischen Prinzen Harry in einer Videobotschaft an die Schülerinnen ihrer früheren Schule in Los Angeles. Es sei ihr schwergefallen, die richtigen Worte zu finden. „Das einzig Falsche wäre es, nichts zu sagen, denn George Floyds Leben zählt“, so die Herzogin in dem Video, das das Magazin „Essence“ veröffentlichte.

„Wo bist du“, sagte der Schauspieler Dwayne „The Rock“ Johnson mehrmals in einem knapp achtminütigen Video, das er in der Nacht zum Donnerstag auf Twitter postete in Richtung Trump. „Wo ist unser Anführer in dieser Zeit, wo unser Land auf den Knien ist – bettelnd, flehend, verletzt, wütend, frustriert, im Schmerz und mit ausgestreckten Armen, nichts anderes wollend, als gehört zu werden.“

Die Proteste beruhigten sich in den USA unterdessen. In New York kam es am Mittwochabend bei strömendem Regen zwar zu Zusammenstößen zwischen der Polizei und etwa 1.000 Demonstranten, die eine Ausgangssperre verletzt hatten. Auch Journalisten wurden angegriffen. In anderen Metropolen war die Lage dagegen deutlich entspannter, in mehreren Städten wurden die Ausgangssperren aufgehoben.