BUWOG-Prozess: Weiter Kritik an Bild- und Tonaufnahmen

Dass während des Prozesses gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser (FPÖ/parteilos) und andere auch vor und nach der Hauptverhandlung sowie in den Prozesspausen im Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts Ton- und Bildaufnahmen stattgefunden haben, sorgt für anhaltende Kritik. Die Notwendigkeit einer Neuauflage des Verfahrens wie von den Grasser-Verteidigern gefordert findet sich darin aber nicht.

Trotzdem sind die Vorwürfe durchaus schwerwiegend. „BUWOG – Rechtsstaatlichkeit in Gefahr“, titelte heute die Rechtsanwaltskammer in einer Aussendung. Der Rechtsstaat sei auch beim Einsatz digitaler Hilfsmittel „nicht disponibel“. „Die zuletzt bekanntgewordenen Vorfälle über Missbrauch von Bild- und Tonaufzeichnungen im BUWOG-Prozess sind inakzeptabel“, so Michael Enzinger, Präsident der Rechtsanwaltskammer Wien.

Experten und Expertinnen weitgehend einig

Der Innsbrucker Universitätsprofessor für Straf- und Strafprozessrecht, Klaus Schwaighofer, hält das Vorgehen des Gerichts für „objektiv unzulässig“. Zwar erlaube die Strafprozessordnung (StPO) Ton- und Bildaufzeichnungen in der Hauptverhandlung (HV), Pausen gehörten aber eben nicht zur HV, sagte er zum „Standard“.

Strafprozessrechtler Robert Kert (WU Wien) wiederum kritisiert vor allem „den massiven Verstoß“ gegen die Grundrechte wie jenes auf Privatsphäre und Verteidigung. Die Schlussfolgerung des Vorstands des Instituts für Europäisches Wirtschaftsstrafrecht: „Der Justiz fehlt die Grundrechtssensibilität.“

Dem „Kurier“ sagte Irmgard Griss, Ex-Präsidentin des Obersten Gerichtshofs, zu den Aufnahmen: „Sie werfen kein gutes Licht auf das Verfahren und die Justiz. Das ist nicht in Ordnung. Auch wenn es, so wie ich glaube, nicht mit böser Absicht passiert ist, muss gerade ein Gericht peinlichst genau Vorschriften einhalten.“ Für die Verteidigung seien die Aufnahmen „beinahe ein Glücksfall“.

Zugangsregeln verschärft

In der „Presse“ meinte der Innsbrucker Strafrechtler Andreas Venier, dass es zu einem „Verstoß gegen die Strafprozessordnung“ gekommen ist. Eine Nichtigkeit des Verfahrens schloss er nicht aus, „allerdings ist dieser Fall nicht sehr realistisch“.

Gerichtspräsident Friedrich Forsthuber bezeichnete die Aufnahmen gestern im Ö1-Mittagsjournal als bedauerlich, sieht aber „keinen Nichtigkeitsgrund darin, dass die Schriftführerin versehentlich die Pause mitlaufen hat lassen“. Richter, Staatsanwaltschaft und Privatbeteiligte hätten darauf keinen Zugriff gehabt.

Richterin Marion Hohenecker hatte bereits gestern reagiert und die Zugangsregeln zum Großen Schwurgerichtssaal verschärft. Eingetreten darf nun nur noch werden, wenn die Verhandlung aufgerufen wurde, in den Pausen „wird der Saal geräumt“, so die Vorsitzende des Richtersenats. Der nächste Verhandlungstag ist der 17. Juni.