Bild von Madeleine McCann vor der Ferienanlage
Reuters/Hugo Correia
Deutschland

Ermittler gehen von „Maddies“ Tod aus

Die überraschenden Fortschritte der Ermittler im Fall Madeleine „Maddie“ McCann sollen nun endlich ihr Schicksal aufklären. 13 Jahre nach dem Verschwinden des britischen Mädchens in Portugal steht nun ein Deutscher unter Verdacht. Die zuständige Staatsanwaltschaft in Braunschweig geht davon aus, dass die damals Dreijährige tot ist.

Am Donnerstag sagte der Sprecher der Braunschweiger Ermittler, Hans Christian Wolters, vor Journalisten: „Wir gehen davon aus, dass das Mädchen tot ist.“ Wie am Mittwoch bekanntwurde, führt die Spur zu einem 43-jährigen Deutschen. Er soll laut dem deutschen Bundeskriminalamt (BKA) mehrfach wegen Sexualstraftaten auch an Kindern vorbestraft sein. Er verbüße derzeit in anderer Sache eine längere Haftstrafe in Kiel.

Nach Informationen der „Braunschweiger Zeitung“ (Donnerstag-Ausgabe) handelt es sich bei dem nun Beschuldigten um einen Mann, der 2019 vom Landgericht Braunschweig wegen Vergewaltigung einer damals 72-jährigen Amerikanerin verurteilt worden sei. Der Mann soll die Tat in demselben portugiesischen Ort begangen haben, in dem rund anderthalb Jahre später „Maddie“ verschwunden sei.

Lebte regelmäßig in der Nähe

Nach BKA-Angaben hatte der Verdächtige zwischen 1995 und 2007 regelmäßig an der Algarve gelebt, unter anderem für einige Jahre in einem Haus zwischen Lagos und Praia da Luz. „Nach hier vorliegenden Erkenntnissen ging er in dieser Zeit im Raum Lagos mehreren Gelegenheitsjobs, unter anderem in der Gastronomie, nach“, teilte das BKA mit.

Archivbild Kate and Gerry McCann
Reuters/Darren Staples
Die Eltern von Madeleine hielten die Hoffnung auf Aufklärung immer aufrecht. Auch sie selbst wurden zeitweise verdächtigt.

Die damals dreijährige Madeleine war am 3. Mai 2007 aus einer Appartementanlage in Praia da Luz verschwunden. Die Eltern waren zu der Zeit in einem nahe gelegenen Restaurant essen. Das ungeklärte Schicksal des Mädchens hatte weltweit für Schlagzeilen gesorgt. Die Ermittler waren von einer Entführung ausgegangen. Zeitweise standen auch die Eltern unter Verdacht. Diese hatten das Interesse an dem Fall durch ihre Medienarbeit aufrechterhalten.

Die portugiesische Polizei stellte die Ermittlungen nach rund einem Jahr ein und nahm sie fünf Jahre später wieder auf. Die britische Polizei eröffnete 2011 eigene Ermittlungen.

Als aggressiv beschrieben

Am Mittwoch waren die neuen Ermittlungen, die von der Staatsanwaltschaft Braunschweig durchgeführt werden, Thema in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY … ungelöst“. Die Ausstrahlung brachte der Polizei weitere Hinweise der Bevölkerung ein. Eine frühere Nachbarin des nun Verdächtigen aus Portugal beschrieb den Mann als aggressiv: „Er war immer ein bisschen wütend, ist die Straße schnell hoch- und runtergefahren und eines Tages, so um 2006, verschwand er ohne ein Wort“, berichtete die Frau dem britischen Sender Sky News.

Wohnung des Verdächtigen im Fall Madeleine McCann
AP/BKA
Die Wohnung des Verdächtigen in Portugal. Das BKA gab das Foto aus.

Etwa ein halbes Jahr nach dem Verschwinden des Mannes sei sie gebeten worden, beim Aufräumen der Unterkunft zu helfen, berichtete die Frau. „Es war eklig.“ Überall seien beschädigte Sachen wie Computer gelegen. In einem Müllbeutel seien Perücken und seltsame Kleidungsstücke – möglicherweise für Kostümierungen – gewesen.

Die frühere Nachbarin gab an, dass der Verdächtige die Unterkunft damals von einem Briten gemietet habe. Polizisten aus Großbritannien hätten sie im vergangenen Jahr zu dem Verdächtigen befragt. In diesem Jahr seien dann portugiesische Ermittler aufgetaucht. Die Polizei geht davon aus, dass sich der Mann nach dem Verlassen der Unterkunft weiterhin in der Umgebung aufhielt.

Schon früher Hinweise auf Deutschen

Ein Auto des Tatverdächtigen war zeitweise in Bayern angemeldet. Es handelte sich laut BKA um einen dunkelroten oder auberginefarbenen Jaguar XJR 6, den der Mann zur „tatkritischen Zeit“ genutzt habe. Die letzte bekannte Zulassung nach dem Tattag sei von der Stadt Augsburg gekommen. Weiter heißt es: „Der Verbleib des Fahrzeugs ist geklärt.“ Am Tag nach „Maddies“ Verschwinden soll der Jaguar auf einen neuen Halter umgemeldet worden sein. Neben dem Auto legten die britischen Ermittler das Augenmerk auch auf einen Caravan vom Typ VW T3 Westfalia mit portugiesischem Nummernschild, in dem der Mann zeitweise gewohnt haben soll.

Jaguar des Verdächtigen im Fall Madeleine McCann
Reuters/Darren Staples
Der Jaguar war in Bayern gemeldet. Kurz nach „Maddies“ Verschwinden soll der Pkw umgemeldet worden sein.

Außerdem drehen sich die Ermittlungen um zwei Telefonnummern. Eine davon gehörte zu einem Anschluss, den der Verdächtige nutzte. Die andere Nummer gehörte laut britischer Polizei einer Person, mit der der verdächtige Deutsche eine halb Stunde lang telefonierte, gut eine Stunde bevor das Mädchen zum letzten Mal gesehen wurde.

Bereits nach einer früheren Sendung von „Aktenzeichen XY … ungelöst“ aus dem Jahr 2013 waren Hinweise auf den Deutschen eingegangen, sagte Christian Hoppe vom BKA. Auch nach einem Bericht zehn Jahre nach dem Verschwinden des Mädchens habe es Hinweise gegeben. Damals reichten die Informationen aber nicht für Ermittlungen oder eine Festnahme aus, wie Hoppe berichtete. Es gab viele Indizien, der entscheidende Beweis fehle aber noch. Die Ermittlungen führten zu der Annahme, dass das Mädchen einem Tötungsdelikt zum Opfer fiel.

Eltern hoffen weiterhin

Madeleines Eltern hatten sich mit teils emotionalen Aufrufen immer wieder an die Öffentlichkeit gewandt, um Informationen über den Verbleib ihrer Tochter zu erhalten. Kate und Gerry McCann seien „dankbar“ für die neuen Ermittlungen, sagte ihr Sprecher Clarence Mitchell am Donnerstag im BBC-Fernsehen. „Sie haben die Hoffnung, Madeleine lebendig zu finden, trotz des langen Zeitraums nicht aufgegeben“, fügte der Sprecher hinzu. Dennoch seien sie „realistisch“.

Die Eltern wollten endlich die Wahrheit über das Schicksal ihrer Tochter erfahren, sagte der Sprecher. Sie brauchten Gewissheit über das, was mit ihrer Tochter geschehen sei, um den Verantwortlichen vor Gericht zu bringen und „um Frieden zu finden“.