Eine F/A-18E Super Hornet startet auf einem US-Flugzeugträger
AP/U.S. Navy
USA – China

Neue Muskelspiele im Pazifik

Nachdem die Coronavirus-Pandemie auch vor Kriegsschiffen nicht haltgemacht hat, lässt die US-Marine nun wieder die Muskeln spielen – erstmals seit Jahren mit gleich drei Flugzeugträgern und Dutzenden Kampfjets im Pazifik. Die Manöver seien als „Warnung“ an China gedacht, heißt es. Peking versteht sie als Provokation und wirft den USA außerdem eine Inszenierung vor.

Die beiden US-Flugzeugträger „USS Ronald Reagan“ und „USS Theodore Roosevelt“ seien aktuell im westlichen Pazifik unterwegs, die „USS Nimitz“ im Osten, wie es zuletzt in Pressemitteilungen der US-Marine bzw. Berichten von AP und CNN hieß. An Bord hätten die drei Schiffe jeweils mehr als 60 Kampfflugzeuge, berichtete der US-TV-Sender Anfang der Woche. Damit sei der Einsatz der größte im pazifischen Ozean seit drei Jahren.

Laut AP nannte der Befehlshaber des United States Indo-Pacific Command, Konteradmiral Stephen Koehler, die Verbände „phänomenale Symbole“ der Macht der USA auf See. Peking sehe die 100.000-Tonnen-Flugzeugträger als eine mögliche Gefahr für seine Truppen im südchinesischen Meer. Die US-Nachrichtenagentur zitierte dazu die „Global Times“, ein Sprachrohr der chinesischen Kommunistischen Partei (KP), das auf Englisch erscheint.

China sieht geschwächte US-Marine als „Faktum“

Die chinesische Interpretation der Motive hinter den US-Manövern, unter anderem in der Nähe der Philippinen: Die USA seien verunsichert, sie sorgten sich, dass die „Außenwelt“ ihre aktuellen militärischen Fähigkeiten in Zweifel ziehe, deshalb der Aufmarsch samt – aus Sicht Pekings – ungewöhnlich lautem Medienecho.

F/A-18F Super Hornet fliegt einen Flugzeugträger an
AP/U.S. Navy
Start eines US-Kampfjets von der „Theodore Roosevelt“ aus. Wenig später im März gab es auf dem Schiff Hunderte CoV-Infektionen

Washington lasse die Muskeln spielen, um anderen Ländern zu zeigen, dass die Coronavirus-Pandemie die Kampfkraft der US-Navy nicht geschwächt habe. Das sei aber ein Faktum. Moral und Kampfkraft seien „sicherlich“ von der Pandemie „beeinflusst“ worden, schrieb die „Global Times“ am Wochenende. Die US-Marine blase sich auf, und das, wo das aktuell absolut unnötig sei.

CNN zitierte Collin Koh, Forscher am Institute of Defense and Strategic Studies (RSIS) in Singapur, mit den Worten, China habe reagieren müssen, da das Aufkreuzen der US-Kriegsschiffe seiner Erzählung, man habe es im Moment mit einem geschwächten Gegner, gelähmt von der Pandemie, zu tun, zuwiderlaufe.

Erzählungen und „Gegenerzählungen“

Ein von der chinesischen Tageszeitung befragter Marineexperte aus Peking nannte die US-Manöver eine Demonstration hegemonialer Politik. China, aber auch Russland würden aber die neue „Kalter-Krieg-Hetze“ der USA ignorieren, diese schade nur der globalen Sicherheit, schrieb die „Global Times“, verwies aber dennoch in einem weiteren Artikel über „Gegenmaßnahmen“ und Chinas Arsenal an Mittelstreckenraketen, fähig dazu, Schiffe wie die „USS Ronald Reagan“ auch auf große Distanzen zu bekämpfen.

Eine Karte zeigt das Südchinesische Meer
Grafik: Map Resources/ORF.at

Permanente Aktivitäten vor Chinas Haustür

Tatsächlich waren schon im März auf der „USS Theodore Roosevelt“ Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Erreger aufgetreten, es gab über 1.000 positive Tests, das Schiff lief erst kürzlich wieder aus. Die Besatzung der „Ronald Reagan“ hatte strenge Quarantänebestimmungen einhalten müssen. Laut CNN waren bereits im letzten Monat U-Boote der US-Pazifikflotte im Einsatz gewesen.

Der US-TV-Sender verwies auch auf die aktuell wieder zunehmenden Spannungen zwischen Washington und Peking, in denen es nicht nur um strategische Interessen in der Region, speziell dem Südchinesischen Meer, zwischen Vietnam und den Philippinen, geht. Erst letzte Woche habe ein Boeing-C-40-Transportflugzeug der US-Armee auf dem Weg nach Thailand Taiwan überflogen – laut USA eine „logistischer Routineflug“, für China, das Taiwan als Teil seines Territoriums sieht, eine weitere „ernsthafte Provokation“.

Konflikt hat bereits viele Facetten

Der Flug habe Chinas Souveränität und internationales Recht verletzt. Taiwan hatte sich 1949 von China abgespalten. Peking betrachtet die südlich vom chinesischen Festland gelegene Insel aber weiter als abtrünnige Provinz, die wieder mit der Volksrepublik vereinigt werden soll – notfalls auch mit militärischer Gewalt. Anfang Juni hätte Washington ein Kriegsschiff in die Straße von Taiwan, direkt vor dem chinesischen Festland, geschickt, überhaupt seien die USA im und über dem Südchinesischen Meer permanent militärisch aktiv.

Das „ungewöhnliche gleichzeitige Auftauchen“ der drei Flugzeugträger samt anderen Kriegsschiffen und Flugzeugen sei im Kontext eines mittlerweile vielschichtigen Konflikts zwischen den USA und China zu sehen, analysierte die AP – er reicht von einem Handelskrieg über den Streit über den Status Hongkongs bis zu Schuldzuweisungen in der Coronavirus-Pandemie.

China richte „langsam und mit Methode“ moderne militärische Außenposten im Südchinesischen Meer ein, sagte Marinekommandeur Koehler gegenüber der AP. Die Volksbefreiungsarmee operiere etwa neuerdings von einem Atoll der Spratly-Inseln aus mit Flugzeugen. Auf die verstreute Inselgruppe bzw. Teile davon erheben unterschiedliche Länder Ansprüche, darunter China, Taiwan, Vietnam, die Philippinen, aber etwa auch Malaysia.