Grenzstadt Kaesong
Reuters/Kim Hong-Ji
Antwort auf Flugblätter

Nordkorea sprengt Verbindungsbüro

Nordkorea hat eine Drohung gegen Südkorea wahr gemacht und das gemeinsame Verbindungsbüro an der Grenze in die Luft gesprengt. Pjöngjang fühlt sich durch den Abwurf von regimekritischen Flugblättern aus dem Süden provoziert. Das Büro galt als Symbol der Annäherung zwischen den beiden Nachbarn.

Nach Angaben des Vereinigungsministeriums in Südkoreas Hauptstadt Seoul erfolgte die Sprengung des innerkoreanischen Verbindungsbüros in der Grenzstadt Kaesong am Nachmittag (Ortszeit). Die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap zeigte Bilder von einer Rauchsäule, die vom Gelände aufstieg. Das ständige Komitee des Nationalen Sicherheitsrats trat zusammen, um die Lage zu erörtern, wie das Präsidialamt in Seoul mitteilte.

Kurz darauf bestätigte Pjöngjang die Zerstörung. Die Sprengung des Gebäudes sei im Zuge der Unterbrechung aller Kommunikationsverbindungen mit dem Süden erfolgt, berichteten die Staatsmedien am Dienstag. „Um 14.50 Uhr (Ortszeit) wurde das Verbindungsbüro auf tragische Weise mit einer fürchterlichen Explosion zerstört.“

Nordkorea zerstört Symbol der Annäherung zu Südkorea

Pjöngjang ließ das gemeinsame Verbindungsbüro in der Grenzstadt Kaesong sprengen. Das Büro gilt als Symbol der Annäherung zwischen den Nachbarländern. Die Aufnahmen einer Überwachungskamera zeigen die Zerstörung des Gebäudes.

Ausdruck der „Wut“

Die Sprengung zeuge von der „Wut der Nordkoreaner“, hieß es in den nordkoreanischen Berichten in Anspielung auf die Verärgerung der Führung über die neue Flugblattaktion aus Südkorea von Ende Mai an der Grenze. Ziel sei es gewesen, „menschlichen Abschaum und solche, die dem Abschaum Schutz bieten, für ihre Verbrechen zahlen“ zu lassen.

Die Einrichtung des Büros war ein konkretes Ergebnis des ersten Gipfeltreffens des südkoreanischen Präsidenten Moon Jae In mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un im April 2018 gewesen. Es diente als wichtiger Kommunikationskanal zwischen beiden Staaten. Im Gebiet um Kaesong hatten beide Länder bis 2016 einen gemeinsamen Industriekomplex betrieben. Vor der Öffnung des Industrieparks 2004 waren auf dem Gelände Soldaten stationiert gewesen.

Von Kims Schwester angekündigt

Bereits am Samstag hatte die Schwester des nordkoreanischen Machthabers angekündigt, militärisch gegen Südkorea vorzugehen. „Ich fühle, dass es höchste Zeit ist, mit den südkoreanischen Behörden zu brechen. Wir werden bald die nächste Aktion in Angriff nehmen“, sagte Kim Yo Jong. „In Kürze wird eine tragische Szene des komplett eingestürzten, nutzlosen Nord-Süd-Verbindungsbüros zu sehen sein.“

Rauchsäule über Kaesong
Reuters/Yonhap News Agency
Über dem Gelände steigt eine Rauchsäule auf

Die Führung in Pjöngjang hatte bereits zuvor unter anderem mit dem Rückzug aus einem bilateralen Militärabkommen von 2018 über vertrauensbildende Maßnahmen und auch mit der Schließung des Verbindungsbüros gedroht. Zudem hatte die kommunistische Regierung angekündigt, alle Kontakte abzubrechen.

Armee prüft Besetzung

Vor den Berichten über die Sprengung des Verbindungsbüros in Kaesong drohte Nordkoreas Militär damit, bereits entmilitarisierte Zonen an der Grenze wieder mit Soldaten zu besetzen. Die Armee sei „voll einsatzbereit“, erklärte der Generalstab. Wegen einer Verschlechterung der innerkoreanischen Beziehungen werde bereits ein „Aktionsplan“ geprüft, um „die Frontlinie in eine Festung zu verwandeln“, wurde die Armeeführung von den Staatsmedien zitiert. Nähere Angaben wurden nicht gemacht. Südkoreanischen Medienberichten zufolge könnte Nordkorea wieder Grenzposten an der stark befestigten Grenze einrichten, die 2018 abgebaut worden waren.

Karte zeigt Kaesong
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Nordkorea hatte den Süden bereits in den vergangenen Tagen mehrfach dafür verurteilt, Flugblatt-Aktionen nicht zu verhindern. Ende Mai waren mit Ballons etwa eine halbe Million Flugblätter, die sich gegen die autokratische Führung in Pjöngjang richten, von südkoreanischen Aktivisten und nordkoreanischen Flüchtlingen aus über die Grenze geschickt worden. Die Flugblätteraktion sei „ein Präventivschlag, der einem Krieg vorausgeht“.

Südkorea ruft zu Dialog auf

Südkoreas Präsident Moon rief Pjöngjang indes zum Dialog auf. „Nordkorea sollte die Kommunikation nicht abbrechen, die Spannungen nicht erhöhen und nicht versuchen, in die vergangene Ära der Konfrontation zurückzukehren“, sagte er in Seoul. „Ich hoffe, dass sich unbequeme und schwierige Probleme durch Kommunikation und Zusammenarbeit lösen lassen.“

Das Aufflammen der Spannungen zwischen den Nachbarn ist außerdem ein weiterer Rückschlag für Gespräche zur Eindämmung des nordkoreanischen Nuklear- und Raketenprogramms. Seit dem gescheiterten Gipfel Nordkoreas mit den USA im Februar vergangenen Jahres sind die innerkoreanischen Beziehungen zum Erliegen gekommen. Im Kern geht es um die Frage, welche Zugeständnisse Washington im Gegenzug für Denuklearisierungsmaßnahmen Pjöngjangs machen würde. Experten vermuten, dass Nordkorea mit einer Eskalation des Konflikts mit Südkorea den Druck auf die USA erhöhen will.

China und Russland besorgt

„Nordkorea und Südkorea sind ein Volk, und als Nachbar hat China immer auf die Wahrung von Frieden und Stabilität auf der koreanischen Halbinsel gehofft“, sagte Zhao Lijian, ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums, am Dienstag nach der Sprengung des Verbindungsbüros.

Russland rief beide Seiten zur Zurückhaltung auf. Die Lage gebe Anlass zur Sorge, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge. „Wir beobachten sehr genau, was auf der koreanischen Halbinsel passiert.“ Derzeit sei aber nicht geplant, dass Präsident Wladimir Putin Kontakte „auf höchster Ebene“ mit beiden Ländern haben werde.