Das Haus der Industrie
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Wahl nicht wie sonst

Harter Kampf um Chefsessel der IV

Die Industriellenvereinigung (IV) wählt am Donnerstag ihren neuen Präsidenten – nach vielen Jahren erstmals wieder in einer Kampfabstimmung und zum ersten Mal überhaupt mit drei Kandidaten. Ex-voestalpine-Vorstand Wolfgang Eder und die beiden Industriellen bzw. Länder-IV-Chefs Georg Knill und Martin Ohneberg bewerben sich um die Nachfolge von Georg Kapsch. Die Zeichen stehen auf Stichwahl, zuletzt hatte es in der mächtigen Lobbyorganisation offenbar ziemlich gegärt.

Die Wahl findet in einer für die Industrie wegen der Coronavirus-Krise schwierigen Situation statt, ihr Ausgang gilt als offen, eine Stichwahl als wahrscheinlich. Als Grund wurde in den letzten Wochen immer wieder genannt, dass sich unterschiedliche Fraktionen innerhalb der IV nicht – wie sonst eher üblich – auf einen gemeinsamen Kandidaten hätten einigen können. In der Wahl dürfte keiner der drei in der ersten Runde die 50-Prozent-Hürde nehmen, hieß es mehrfach.

Zuletzt berichtete am Mittwoch die „Presse“ über Differenzen zwischen den Bundesländerorganisationen der föderal geführten IV darüber, wer die Nachfolge Kapschs antreten soll. Geeignet seien alle drei Kandidaten, auf das Programm komme es auch nicht an, da hier ohnehin alle drei auf einer Linie seien. Worauf dann? Die entscheidenden Faktoren seien die Bundesländer, Netzwerke und Präferenzen in der Frage: Eigentümer oder Manager?

Unterschiedliche Biografien und Images

Oberösterreich etwa als Sitz der voest stehe hinter Eder, andere Länder favorisierten Knill bzw. Ohneberg. Eder ist ein sehr erfahrener Manager, Knill stehe für den „klassischen österreichischen Industriellen“, Ohneberg für den Typ „Selfmademan“. Und schließlich könne die Qualifikation „noch so gut sein, wenn das Netzwerk nicht passt. Hier wird die Wahl entschieden“, so die „Presse“. In der „mächtigen Industrie rumort es“, hatte der „Standard“ schon im Mai geschrieben. „Es gärt“, die Suche nach einem Nachfolger für Kapsch sei „völlig entglitten“, einzelne Fraktionen lieferten sich „einen erbitterten Kampf“.

Georg Knill
APA/IV-STMK/Marija Kaniza
Knill leitet gemeinsam mit seinem Bruder Christian Knill die gleichnamige steirische Unternehmensgruppe mit Niederlassungen in 17 Ländern

Eine Frage des Netzwerks

Auch das deutsche „Handelsblatt“ widmete der Wahl zuletzt einen Bericht samt Interview mit Ex-voest-Vorstand Eder und stellte die Frage, ob künftig ein Manager (Eder) oder ein Unternehmer (Knill und Ohneberg) die IV leiten werde. Zwischen beiden Lagern herrsche „traditionell eine gewisse Rivalität“. Eder könne sich auf die Unterstützung einflussreicher Unternehmer, etwa Stefan Pierers (KTM) und Peter Mitterbauers, Chef des oberösterreichischen Automobilzulieferers Miba AG, stützen. Auch zu Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) pflege er guten Kontakt, schrieb die deutsche Zeitung.

Wolfgang Eder
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Eder führte 15 Jahre lang den größten österreichischen Stahlkonzern voestalpine

Eder habe „eine Mission“. Er wolle Österreich als Wirtschaftsstandort stärken und „am Image der Industrie stärker arbeiten“, zitierte das „Handelsblatt“ aus einem Interview mit ihm. Viele Österreicher glaubten immer noch, „das Land lebt von Tourismus, Kultur und Landwirtschaft“, sagte Eder. Es nütze nichts, „klimapolitischer Vorreiter zu sein, wenn dadurch der Wirtschaftsstandort beschädigt wird“ – eine kontroversielle Ansage in der gegenwärtigen Debatte über einen „grünen“ Neustart der Wirtschaft nach der pandemiebedingten Krise. Eder sei eben um klare Worte „noch nie verlegen“ gewesen.

„Unruhige“ Wahl in „unruhigen Zeiten“

Das „Österreichische Industriemagazin“ nannte die Wahl eine „unruhige“ in ebenso „unruhigen Zeiten“. Normalerweise nominiere eine mit der Suche nach einem Kandidaten beauftragte Kommission nach „zahlreichen vertraulichen Evaluierungen und Gesprächen schlussendlich eine Person“, die dann vom rund 120-köpfigen Bundesvorstand gewählt würde. Diesmal allerdings nicht, es wird eine Kampfabstimmung, die erste seit 1996. Es werde „hart um den Chefsessel gerungen“, schrieb das Branchenmagazin, zwischen verschiedene Interessengruppen innerhalb der IV, Länderverbänden, Großkonzernen, Mittelständlern.

IV wählt neuen Präsidenten

Bei der Industriellenvereinigung gibt es am 18. Juni erstmals seit 25 Jahren wieder eine Kampfabstimmung um den Präsidentensessel.

Der 68-jährige Eder war 15 Jahre lang Vorstandsvorsitzender der voest und wechselte im Vorjahr in den Aufsichtsrat des Stahlkonzerns, außerdem ist er Aufsichtsratsvorsitzender des börsennotierten deutschen Halbleiterherstellers Infineon Technologies AG. Knill, Jahrgang 1973, ist seit 2016 Präsident der IV-Landesgruppe Steiermark und Geschäftsführender Gesellschafter des gleichnamigen Technologieunternehmens mit Hauptsitz im oststeirischen Weiz und zahlreichen internationalen Niederlassungen – mehr dazu in steiermark.ORF.at.

Der 49-jährige Ohneberg ist seit 2015 Präsident der Vorarlberger Landesgruppe und Geschäftsführender Gesellschafter der Dornbirner Automobilzulieferers Henn GmbH und Co KG – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at. Kapsch, Jahrgang 1959, ist Vorstandsvorsitzender der börsennotierten Kapsch AG. Er durfte nach zwei Amtsperioden nicht mehr kandidieren.

Aufgabenstellungen sind klar

Die Entscheidung werde eher über „softe“ Faktoren vom Führungsstil bis zur Stärke der Netzwerke fallen, lautete die Einschätzung der APA zum möglichen Ausgang der Wahl letzte Woche, der sei überhaupt offen. Dagegen lägen die inhaltlichen Schwerpunkte auf der Hand: Die Überwindung der Coronavirus-Krise in Kooperation mit Politik und Sozialpartnern, die Stärkung des Wirtschaftsstandorts, Nachhaltigkeit, ökologisches Wirtschaften, Bildung und eine intensive Vernetzung auf EU-Ebene seien weitere Themen.

Martin Ohneberg
APA/IV-VORARLBERG/Studio Fasching/luca Fasching
Ohneberg übernahm 2011 den Vorarlberger Automobilzulieferer Henn

Alle drei Kandidaten betonten, dass sie keine Parteimitglieder seien und auch keine Parteinähe haben. Die Unabhängigkeit und Überparteilichkeit der IV sei ein zentrales Element. Auch der Präsident persönlich müsse finanziell und politisch unabhängig sein. Eder formulierte unter den drei Kandidaten den stärksten Reformbedarf in der IV selber. „Vielleicht zu vieles ist hier Gewohnheitsrecht mit weitem Interpretationsspielraum“, wurde er aus einem von ihm verfassten Konzept zitiert. Er wolle „mehr Drive“ in die Industrie bringen, zitierte der „Standard“ den früheren voest-Chef.

Fokus auf Regionen

Ohneberg wolle die Länder in die laufende Tätigkeit stärker einbinden als bisher. Der Bundesvorstand solle aber ein schlagkräftiges Gremium werden, „nicht, wo mehr Ehrengäste und Nichtwahlberechtigte drinnen sitzen als umgekehrt“, sagte er gegenüber der APA. Knill ist in der IV Vorsitzender der Fokusgruppe „Standort Land“ und will die Regionen stärken. Er gab im Mai die Devise aus, „Österreich zu einem Vorzeigeland (zu) machen, auch was die Entwicklung des ländlichen Raumes betrifft“.

Georg Kapsch
APA/Barbara Gindl
Kapsch leitet die IV seit acht Jahren und darf nicht mehr kandidieren

Kapsch hatte im Mai eine Empfehlung für Knill abgegeben. „Angesichts der derzeit doch etwas verfahrenen Situation und der gebotenen Dringlichkeit erlaube ich mir nun unabhängig davon, ob es mir zusteht oder nicht, offiziell Georg Knill als den aus meiner Sicht geeignetsten Nachfolger zu unterstützen“, schrieb er laut „Standard“ an den IV-Bundesvorstand.

Gründung vor 158 Jahren als Verein der Industriellen

Die IV sieht sich als „freiwillige und unabhängige Interessenvertretung der österreichischen Industrie“, als Schnittstelle zwischen Unternehmen und Politik und Sprachrohr der heimischen Industrie auf europäischer Ebene. Sie ist ein Verein mit laut eigenen Angaben aktuell über 4.500 Mitgliedern. Die erste Interessenvertretung als Vorläuferin der IV wurde 1862 mit dem Verein der Industriellen gegründet, nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte 1946 die Neugründung unter dem Namen Vereinigung österreichischer Industrieller, 1996 die Vereinigung der Österreichischen Industrie.