US-Präsident Donald Trump und sein ehemaliger Nationaler Sicherheitsberater John Bolton
Reuters/Caitlin Ochs
Bolton-Buch

Trump bat China um Wahlkampfhilfe

Der frühere Nationale Sicherheitsberater der USA, John Bolton, wirft Präsident Donald Trump in seinem unveröffentlichten Enthüllungsbuch vor, Chinas Staatsoberhaupt Xi Jinping um Hilfe bei der Wiederwahl gebeten zu haben. Das sei bei einem Treffen hinter verschlossenen Türen im Juni 2019 geschehen, zitierten US-Medien nun aus entsprechenden Passagen.

Trump habe auf Chinas Wirtschaftsmacht angespielt „und Xi angefleht, seinen Sieg sicherzustellen“, heißt es laut Berichten der „New York Times“ und „Washington Post“ in dem Buch. Trump habe in den Verhandlungen über ein Handelsabkommen mehrfach klargemacht, dass es ihm darum gehe, ein Ergebnis zu erzielen, das es ihm erlauben würde, bei der US-Wahl im November in den landwirtschaftlich geprägten Bundesstaaten zu siegen, schreibe Bolton.

Chinas Versprechen, mehr landwirtschaftliche Produkte zu kaufen, seien ein wichtiger Teil des Abkommens gewesen. „Er betonte die Bedeutung von Landwirten und von größeren chinesischen Käufen von Sojabohnen und Weizen für den Ausgang der Wahl“, schreibt Bolton der „Washington Post“ zufolge. China wies die Vorwürfe, sich in die US-Wahl einmischen zu wollen, indes zurück. Eine solche Absicht gebe es nicht, sagte ein Sprecher des Pekinger Außenministeriums am Donnerstag.

US-Präsident Donald Trump und Chinas Staatschef Xi Jinping
Reuters/Kevin Lamarque
Trump habe Xi „angefleht, seinen Sieg sicherzustellen“, zitieren US-Medien aus Boltons Buch

Wiederwahl als Leitmotiv?

„Es ist wirklich schwierig, irgendeine signifikante Entscheidung Trumps während meiner Zeit im Weißen Haus zu identifizieren, die nicht von Überlegungen zu seiner Wiederwahl getrieben war“, schreibt Bolton in einem vorab vom „Wall Street Journal“ veröffentlichten Kapitel außerdem.

„Ein Präsident darf die legitime Macht der Regierung nicht missbrauchen, indem er seine persönlichen Interessen mit den Interessen des Landes gleichsetzt …“, so Bolton. Auch gegen Berater des Präsidenten, darunter Schwiegersohn Jared Kushner, teilt Bolton aus – Selbstkritik scheint hingegen kaum vorzukommen.

Verhinderung von Ermittlungen gegen „Diktatoren“

Bolton schreibt der Zeitung zufolge, dass ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump nicht nur wegen der Vorwürfe in der Ukraine-Affäre, sondern auch wegen anderer Fälle gerechtfertigt gewesen wäre. Trump habe mehrfach strafrechtliche Ermittlungen zugunsten von „Diktatoren“ unterbunden, etwa in Bezug auf China und die Türkei.

Dabei sei es unter anderem um Ermittlungen gegen die Unternehmen ZTE und Halkbank gegangen, schreibe Bolton: „Das Verhaltensmuster sah nach Behinderung der Justiz als Alltagsgeschäft aus, was wir nicht akzeptieren konnten“, so Bolton. Er habe seine Bedenken damals auch schriftlich an Justizminister William Barr gerichtet.

Bauchgefühl und Unwissenheit dominieren

Bolton, der eineinhalb Jahre eng mit Trump zusammengearbeitet hat, wirft dem Präsidenten auch vor, seine Außenpolitik häufig auf Bauchgefühl und Unwissenheit zu gründen. So habe Trump etwa nicht gewusst, dass Großbritannien eine Atommacht sei und einmal gefragt, ob Finnland zu Russland gehöre, wie Bolton der „New York Times“ zufolge schreibt. Zudem soll Trump einen NATO-Austritt ernsthaft erwogen und eine Invasion Venezuelas als „cool“ bezeichnet haben.

Bolton schreibt laut den Angaben auch, es sei klar gewesen, dass Trumps persönliche Diplomatie mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un nie zu einem befriedigenden Ergebnis führen würde. Während eines Treffens mit Kim 2018 habe Außenminister Mike Pompeo Bolton einen Zettel zugesteckt, in dem jener über Trump geschrieben habe: „Der redet so viel Scheiße.“

US-Regierung will Veröffentlichung verhindern

Trump wiederum hat Bolton vorgeworfen, nicht immer die Wahrheit zu sagen. Konfrontiert mit den jüngsten Vorwürfen sagte der Präsident dem „Wall Street Journal“, Bolton sei ein „Lügner“. „Er hat das Gesetz gebrochen“, sagte er in einem Interview des TV-Senders Fox. Die bekanntgewordenen Informationen aus Boltons Buch seien als geheim eingestuft. Trump bekräftigte damit seine Position von Montag, ging aber nicht direkt darauf ein, ob Boltons Vorwürfe stimmen oder nicht.

Das US-Justizministerium will die Veröffentlichung des Buches jedenfalls vorläufig stoppen. In dem Antrag auf eine entsprechende einstweilige Verfügung beim zuständigen Gericht in Washington vom Mittwoch (Ortszeit) heißt es, ein Erscheinen würde die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten gefährden. Angesichts des geplanten Veröffentlichungsdatums kommende Woche beantragte das Ministerium eine Anhörung am Freitag.

Die US-Regierung hatte wegen des Buches bereits am Dienstag Klage bei dem Bundesgericht in Washington eingereicht. Darin heißt es, Bolton habe bei seinem Amtsantritt als Sicherheitsberater Vertraulichkeitsvereinbarungen unterzeichnet. Diese verpflichteten ihn unter anderem dazu, Schriften wie das Buch vor einer Veröffentlichung dem Nationalen Sicherheitsrat zur Überprüfung vorzulegen. Das knapp 600 Seiten lange Werk „The Room Where It Happened“ (etwa: Der Raum, in dem es geschah) sollte ursprünglich im März erscheinen, die Veröffentlichung wurde aber vom Weißen Haus gestoppt.

Erstes Buch aus Trumps engstem Führungszirkel

Bisher gab es kein Buch aus Trumps engstem Führungszirkel im Weißen Haus, dessen Autor bekannt war – es gab indes ein anonymes Buch. Trump hatte Bolton im September wegen Meinungsverschiedenheiten zum Iran, zu Nordkorea und anderen Themen entlassen. Bolton sagte, er habe selbst gekündigt.

Bolton will sich nun in einem ausführlichen Fernsehinterview äußern, das am Sonntag ausgestrahlt werden soll. In einem vorab veröffentlichten Interviewausschnitt sagte Bolton, Russlands Präsident Wladimir Putin glaube, er könne Trump nach Belieben manipulieren, weil dieser kein „ernsthafter Gegner“ sei. „Ich glaube nicht, dass er sich über ihn Sorgen macht.“ Putin sei im Vorteil, weil er sein ganzes Leben damit verbracht habe, sich um Russlands strategische Position in der Welt zu bemühen, wohingegen Trump nichts über solche Themen „lesen oder lernen will“.

„Vielleicht ein Autor, aber kein Patriot“

Bolton hatte sich Anfang des Jahres geweigert, im Amtsenthebungsverfahren gegen Trump wegen der Ukraine-Affäre vor dem Repräsentantenhaus ohne Vorladung unter Strafandrohung auszusagen. Kritiker werfen ihm daher vor, scheinheilig zu agieren und nur möglichst viel Profit aus seinem Buch schlagen zu wollen. Darin rechtfertigt Bolton seine Entscheidung. Die Demokraten hätten ihre Untersuchung aus politischen Gründen nur auf die Ukraine begrenzt, um das Verfahren schnell abzuschließen, schreibt er. Wäre es eine breiter angelegte Untersuchung gewesen, hätte er ausgesagt. Dann wäre das Verfahren vielleicht anders ausgegangen, mutmaßt er.

Der demokratische Abgeordnete Adam Schiff, der das Amtsenthebungsverfahren führend betreute, wies Boltons Darstellung zurück. Einige von Boltons Mitarbeitern hätten „viel zu verlieren gehabt“ und mit ihrer Aussage im Parlament „wirklichen Mut gezeigt“. Bolton hingegen habe alles für sein Buch aufgehoben. „Er ist vielleicht ein Autor, aber kein Patriot“, schrieb Schiff auf Twitter. Der designierte demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden teilte mit, sollten die Vorwürfe stimmen, hätte Trump seine „heilige Pflicht gegenüber dem amerikanischen Volk“ verletzt.

Ukraine-Affäre: Bolton nimmt nicht eindeutig Stellung

Zur Frage, ob Trumps Handeln in der Ukraine-Affäre zu einer Amtsenthebung hätte führen sollen, nimmt Bolton nicht eindeutig Stellung. Er lässt aber keinen Zweifel daran, dass er Trumps Vorgehen für politisch motiviert und falsch hielt. „Ich dachte, die ganze Angelegenheit war schlechte Politik, juristisch fragwürdig und für einen Präsidenten inakzeptables Verhalten“, zitiert die „Washington Post“ aus Boltons Buch. Trump habe sich gegenüber der Ukraine von verschiedenen „Verschwörungstheorien“ beeinflussen lassen, so Bolton.

Trump war in der Affäre vorgeworfen worden, bereits vom Kongress bewilligte Militärhilfen für die Ukraine zurückzuhalten, um Kiew zu Ermittlungen gegen seinen politischen Rivalen Biden zu drängen. Das Repräsentantenhaus wollte Trump des Amtes entheben, der von Republikanern kontrollierte Senat sprach Trump Anfang Februar frei.

Kaum Interesse an Menschenrechten

Bolton beschreibt auch, wie Chinas Xi Trump auf einem G-20-Gipfel gut vorbereitet und ausführlich schmeichelte, was dem US-Präsidenten spontane Zugeständnisse abtrotzte. Trumps Berater hätten sich im Nachhinein bemüht, die Situation wieder geradezurücken. Bei einem weiteren Treffen habe Trump Xi sogar gesagt, dieser sei „die tollste Führungsperson der chinesischen Geschichte“.

Die Lage der Menschenrechte in China – etwa die Demokratiebewegung in Hongkong und die unterdrückte muslimische Minderheit der Uiguren – hätten Trump nicht interessiert. Trump soll Xi sogar zur weiteren Unterdrückung und Internierung der muslimischen Minderheit in Umerziehungslagern ermuntert haben.

Der Republikaner Bolton steht im Ruf, sehr konservativ und meinungsstark zu sein. Er ist etwa seit Langem für seine harte Haltung gegenüber dem Iran und Nordkorea bekannt. Vor seinem Bruch mit Trump war er bei den Demokraten verhasst. Unter Präsident George W. Bush hatte Bolton die außenpolitisch bedeutende Stelle des US-Botschafters bei den Vereinten Nationen in New York inne.

Bolton und Trump legen nach

Am Donnerstag legten sowohl Bolton als auch Trump nach. Bolton sprach im Sender ABC News Trump die Eignung für das Präsidentenamt ab. „Ich glaube nicht, dass er für das Amt geeignet ist. Ich glaube nicht, dass er die Kompetenz hat, den Job zu machen.“ Trump habe keine Prinzipien. Der US-Präsident wiederum schrieb auf Twitter, dass Boltons Buch eine „Zusammenstellung von Lügen und erfundenen Geschichten“ sei.