Ibiza-U-Ausschuss
ORF.at/Carina Kainz
Streit über „Relevantes“

U-Ausschuss erhält wohl nicht ganzes Video

Der „Ibiza“-Untersuchungsausschuss geht nächste Woche weiter, unter anderen ist dann Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) geladen. In der Zwischenzeit trägt der U-Ausschuss den Konflikt darüber aus, wie viel Material vom „Ibiza-Video“ die Abgeordneten einsehen dürfen. Das Angebot des Anwalts, das Video direkt zu übermitteln, ist inzwischen vom Tisch.

Das gesamte von der Justiz sichergestellte Videomaterial dürfte der U-Ausschuss jedenfalls nicht erhalten. Das ließen am Donnerstag Aussagen von Justizministerin Alma Zadic (Grüne) vermuten. Sie verwies darauf, dass dem Ausschuss alles vorgelegt werden muss, was von zumindest „abstrakter Relevanz“ für die Untersuchungen ist, aber: „Nicht alles in diesen sieben Stunden ist abstrakt relevant.“

Zadic sagte bei einer Pressekonferenz, der Staatsanwaltschaft den Auftrag erteilt zu haben, alle für den Untersuchungsgegenstand relevanten Unterlagen vorzulegen. Das Video und die zugehörigen Transkripte würden nun geprüft. Ohne Prüfung drohten Haftungsschwierigkeiten, so Zadic. Wann das Parlament die aus Sicht der Justiz relevanten Passagen des Videos erhält, war weiterhin offen. Sie betonte aber, die Staatsanwaltschaft Wien und die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) bereits um ein Datum gebeten zu haben.

Das Bundeskriminalamt hatte am Mittwoch bekanntgegeben, dass die „SoKo Ibiza" („SoKo Tape“) 95 Prozent des Videomaterials und 100 Prozent des Audiomaterials gesichert habe – von dem Material, das in Ibiza aufgenommen wurde.

Zadic und Nehammer: Kooperation problemfrei

Die Probleme in der Zusammenarbeit zwischen WKStA und der bei der Polizei eingerichteten Sonderkommission hielt Zadic für ausgeräumt. Es gebe dazu Gespräche auf unterschiedlichen Ebenen. „Mein Letztstand ist, dass es gut funktioniert.“

Auch Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) sagte am Donnerstag, es gebe grundsätzlich ein „sehr gutes Verhältnis und Zusammenarbeit mit dem Justizministerium“. Die Ereignisse hätten aber gezeigt, dass es „auch innerhalb der Justiz Abklärungsbedarf geben kann“. Er drückte sein „volles Vertrauen in die ermittelnden Beamten“ aus. Er finde es „erstaunlich, wie Druck ausgeübt wird auf die Beamten“.

Der Generalsekretär des Innenministeriums, Helmut Tomac, betonte, dass im Bericht hohe Qualität und „kriminalpolizeiliche Expertise“ enthalten sei. Insgesamt gebe es von diesem Abend sechs Videoaufnahmen in unterschiedlichen Längen und Positionen. Fünf seien sichergestellt worden. „Die sechste im Außenbereich mit einer Dauer von einer Dreiviertelstunde konnte nicht sichergestellt werden, sie ist aber audiogesichert“, sagte Tomac. Damit könne „lückenlos der Abend, wie er stattgefunden hat, rekonstruiert und verschriftlicht werden“, so Tomac.

Rohmaterial angefordert

Dass der Ausschuss das Material nicht zur Gänze erhalten dürfte, rief bei der Opposition erneut Ärger hervor. „Wir befürchten schon länger, dass wir von den Ämtern und Behörden nur zensurierte Unterlagen bekommen sollen“, sagte SPÖ-Fraktionschef Kai Jan Krainer auf APA-Anfrage.

„Die Justizministerin irrt, wenn sie glaubt, dass die Justiz uns nicht das gesamte sichergestellte Material übermitteln muss“, sagte auch NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper. Sie verwies darauf, dass der Ausschuss auch die Ermittlungen der Sonderkommission prüfen soll. „Um zu wissen, ob objektiv und effizient ermittelt wurde, müssen wir wissen, was im Besitz der Ermittlungsbehörden ist“, so Krisper. Daher habe der Ausschuss vorige Woche explizit das Rohmaterial angefordert. Auch FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker forderte, dass der Ausschuss das ganze Video bekommen muss.

Anwalt zieht Video-Angebot zurück

Sowohl Krainer als auch Krisper wollten prüfen, ob man das Videomaterial auch über andere Wege erhalten könnte. Der Anwalt eines der Beschuldigten in der „Ibiza-Affäre“, Johannes Eisenberg, hatte dem Ausschuss ja angeboten, das Video zu übermitteln. Vorsitzender Wolfgang Sobotka (ÖVP) hatte das aber aus rechtlichen Gründen abgelehnt.

Eisenberg zog sein Angebot nun zurück. In einer der APA vorliegenden Mail bezog er sich auf die Argumentation Sobotkas, der Ausschuss dürfe möglicherweise rechtswidrig zustande gekommene Beweismittel nicht annehmen. „Ich möchte weder selbst eine Straftat begehen noch einen Dritten dazu zu veranlassen. Ich kann Ihnen daher nicht helfen“, heißt es in der Absage Eisenbergs. Und weiter: „Es läge beim Ausschuss, eine Beschlagnahmeanordnung zu erwirken (so würde man das in Deutschland machen) oder bei den zuständigen Justizbehörden. Je nachdem könnte ich dann prüfen, ob ich weiter helfen könnte.“

Gudenus: „Strache von Anfang an informiert“

Nicht nur Dauer und Fülle des Materials waren am Donnerstag Anlass für Debatten, auch der Hergang, der zum „Ibiza-Video“ führte. Es gibt unterschiedliche Auslegungen darüber, was Strache im Vorfeld des Abends auf Ibiza gewusst hat – und damit auch, was vor dem Gespräch in der Urlaubsfinca bereits besprochen wurde. Gudenus ging dabei auf Konfrontationskurs zu seinem ehemaligen Parteichef: Strache sei von Anfang an über die angebliche Oligarchennichte informiert gewesen und am Laufenden gehalten worden, sagte Gudenus nun zur APA. Für Treffen in Wien habe Strache lediglich keine Zeit gehabt.

Szene aus dem belastenden „Ibiza – Videos“ in der Causa Strache
APA/Spiegel/Süddeutsche/Harald Schneider
Das „Ibiza-Video“: Die Öffentlichkeit kennt noch immer nur wenige Minuten

„Wenn Strache davon spricht, er hätte keine Ahnung von Absprachen vor dem Treffen auf Ibiza gehabt, dann stimmt das auch so, denn es gab keine Absprachen“, so Gudenus: „Was er jedoch verdrängt, ist die Tatsache, dass ich ihn über die Existenz der angeblichen Oligarchin und ihr Vorhaben, in Österreich ihr Geld zu investieren, selbstverständlich von Anfang an informiert und am Laufenden gehalten hatte.“

Beinahe täglich hätten Personen Gudenus gebeten, sie mit Strache zusammenzubringen, so der ehemalige FPÖ-Klubchef. Bei den mit der angeblichen Oligarchin angedachten Investitionsideen „war dies selbstverständlich, ihn zu unterrichten. Und er wollte solche Leute auch immer kennenlernen.“ Auch von Treffen in Wien sei Strache informiert gewesen, habe aber keine Zeit gehabt. Am Abend auf Ibiza habe er darüber gesprochen, bereits über einiges Bescheid zu wissen.

Gudenus bestreitet, erpresst worden zu sein

Zu Straches Aussagen, er sei über Treffen im Vorfeld nicht informiert gewesen, meinte Gudenus: „Ich denke, dass er unter anderem deshalb nicht darüber glücklich ist, dass das Ibiza-Video aufgetaucht ist, weil dann sein falsches Konstrukt, ich hätte an der Falle mitgewirkt, zusammenbricht und auch er endlich einsehen und zugestehen müsste, dass wir beide in die Falle gelockt wurden.“

„Ich möchte auch ein für alle Mal festhalten, dass ich in keiner Phase rund um Ibiza erpresst wurde“, sagte Gudenus. „Da braucht jemand dieses Narrativ für seine Dolchstoß-Legende und die perfekte Inszenierung seiner Opferrolle, aber damit kann und will ich nicht dienen.“

Nicht weiter kommentieren wollte Gudenus die aufgetauchten Fotos, die ihn beim angeblichen Drogenkonsum zeigen sollen und dass er damit möglicherweise erpresst worden sei. Er verwies abermals auf den Schutz des höchstpersönlichen Lebensbereiches und kritisierte die Veröffentlichung des sichergestellten Materials in den Medien. Abermals betonte er, dass ein Verfahren gegen ihn auf Grundlage des Suchtmittelgesetzes eingestellt worden sei. Der „Kurier“ hatte am Dienstag entsprechende Fotos veröffentlicht und sich dabei auf einen Bericht der SoKo berufen.