Soldaten der Bundeswehr stehen auf dem Betriebsgelände der Firma Tönnies
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Fleischfabrik Tönnies

Stadtteil wegen CoV-Ausbruch abgeriegelt

Nach positiven Coronavirus-Tests bei zahlreichen Tönnies-Mitarbeitern hat die Stadt Verl im Stadtteil Sürenheide in Nordrhein-Westfalen eine Quarantänezone eingerichtet. Mehrere Mehrfamilienhäuser, in denen Werkvertragsarbeiter und -arbeiterinnen der Fleischfabrik Tönnies untergebracht sind, wurden unter Quarantäne gestellt.

Am Samstagnachmittag wurde der gesamte Bereich abgeriegelt, wie die Stadt mitteilte. In den betroffenen Häusern leben in drei Straßenzügen insgesamt knapp 670 Menschen. „Uns ist bewusst, dass wir mit der generellen Quarantäne tief in das Leben der dort lebenden Menschen eingreifen, auch wenn sie ganz woanders arbeiten und außer der Nachbarschaft keine Berührungspunkte mit der Firma Tönnies haben“, erklärte Bürgermeister Michael Esken.

„Aber wir müssen alles tun, um die weitere Verbreitung des Virus so weit wie möglich zu reduzieren. Dazu ist die strikte Einhaltung der Quarantäne unerlässlich“, sagte er. Der Bereich wurde durch Einsatzkräfte abgeriegelt. Gleichzeitig haben Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Stadt damit begonnen, Bauzäune aufzustellen. Nach Angaben der Stadt wurden allein am Zollhausweg, einem der drei Straßenzüge, 78 Bewohner bzw. Bewohnerinnen positiv auf das Coronavirus getestet. Am Sonntag will das Kreisgesundheitsamt bei allen Bewohnern der Zone, bei denen noch kein Test durchgeführt wurde, einen Rachenabstrich nehmen.

Mitarbeiter in Quarantäne

Am Mittwoch war bekanntgeworden, dass es unter den Mitarbeitern des größten deutschen Schlachtbetriebs von Tönnies bei Rheda-Wiedenbrück zu einem Ausbruch mit vielen Coronavirus-Infizierten gekommen ist. Die Fabrik wurde für 14 Tage geschlossen. Alle 6.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Standort Rheda-Wiedenbrück mussten daher zuletzt in Quarantäne. Das betreffe auch die Verwaltung, das Management und die Konzernspitze, teilte die Verwaltung des Kreises Gütersloh am Freitagabend mit.

Auch sämtliche „Haushaltsangehörige“ der Beschäftigten seien unter Quarantäne. Einige Mitarbeiter können den Angaben nach in „Arbeitsquarantäne“. Das heißt, dass sie sich nur zwischen Arbeits- und Wohnort bewegen dürfen. Das gilt auch für Clemens Tönnies, Gesellschafter von Deutschlands größtem Schlachtbetrieb Tönnies, wie ein Konzernsprecher der dpa sagte. Zuvor waren die Auflagen offenbar gebrochen worden. Mittlerweile ist auch die Bundeswehr im Einsatz.

Schalke-Präsident Clemens Tönnies
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Auch Tönnies-Gesellschafter Clemens Tönnies musste in Quarantäne

Die CoV-Reihenuntersuchungen auf dem Gelände der Fleischfabrik Tönnies wurden am Samstag zudem fortgesetzt. Mehrere Kleinbusse mit ausländischem Kennzeichen brachten am Vormittag zumeist Männer zum Werk. Nach dem Ausbruch sind mittlerweile 1.029 Mitarbeiter positiv getestet worden. Das teilte der Landrat des Kreises Gütersloh, Sven-Georg Adenauer, am Samstag in Gütersloh mit. Insgesamt 3.127 Befunde lägen vor.

Lunchpakete und Getränke

Im nun abgeriegelten Stadtteil stellt das Deutsche Rote Kreuz für die ersten beiden Tage Lunchpakete und Getränke zur Verfügung. „Für Familien mit kleinen Kindern werden, falls erforderlich, auch Hygieneartikel wie zum Beispiel Windeln bereitgestellt.“ Für die weiteren Tage wird ein Versorgungszentrum mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln für den täglichen Bedarf innerhalb des Quarantänebereichs eingerichtet. Auch für die Tönnies-Mitarbeiter und -Mitarbeiterinnen werde eine Verpflegung bereitgehalten. „Das ist zwar Aufgabe der Firma Tönnies, die das auch zugesagt hat. Aber falls das nicht reibungslos laufen sollte, können wir einspringen.“

Soldaten der Bundeswehr bei einer Corona-Reihenuntersuchung
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Das Tönnies-Gelände wurde bereits abgeriegelt

Auch die weiteren Unterkünfte von Tönnies-Mitarbeitern und -Mitarbeiterinnen im Stadtgebiet sollen in unregelmäßigen Abständen kontrolliert werden, um die Einhaltung der Quarantäneanordnungen zu überprüfen. Bei Verstößen könne ein Bereitschaftsdienst unverzüglich ordnungsrechtliche Bescheide veranlassen.

Der nordrhein-westfälischen Ministerpräsident Armin Laschet hatte schon zuvor der gesamten Region mit einem „Lock-down“ gedroht. „Wir nehmen ein Infektionsgeschehen wahr, das in dieser Größenordnung neu ist“, sagte Laschet am Freitagabend in Düsseldorf. „Noch können wir das Infektionsgeschehen lokalisieren“, sagte Laschet. Sollte sich das ändern, könne auch „ein flächendeckender ‚Lock-down‘ in der Region“ notwendig werden. „Der Ausbruch bei Tönnies birgt ein enormes Pandemierisiko“, sagte der CDU-Politiker.

Tönnies will nicht zurücktreten

Clemens Tönnies wies Rücktrittsspekulationen unterdessen zurück. „Ich werde dieses Unternehmen aus dieser Krise führen“, sagte der 64-Jährige am Samstag. „Und dann sehen wir weiter. Ich mach mich nicht aus dem Staub.“ Im seit Jahren geführten Streit um Deutschlands größten Schlachtbetrieb hatte zuvor Robert Tönnies seinen Onkel Clemens in einem persönlich Brief vom 19. Juni aufgefordert, den Weg freizumachen. Dessen Sohn Max Tönnies solle die Arbeit in der Geschäftsführung übernehmen. Außerdem forderte Robert Tönnies die Einberufung einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung.

Das Verhältnis zwischen dem Kreis Gütersloh, in dem der betroffene Standort liegt, und der Firma Tönnies ist zerrüttet. „Das Vertrauen, das wir in die Firma Tönnies setzen, ist gleich null. Das muss ich so deutlich sagen“, sagte der Leiter des Krisenstabes, Thomas Kuhlbusch.

Clemens Tönnies wies die Vorwürfe des Landkreises Gütersloh zurück, bei der Beschaffung der Wohnadressen von Mitarbeitern unkooperativ gewesen zu sein. „Wir haben datenschutzrechtliche Probleme“, sagte Tönnies am Samstag bei einer Pressekonferenz in Rheda-Wiedenbrück. Laut Werkvertragsrecht dürfe das Unternehmen die Adressen der betreffenden Arbeiter nicht speichern.