Flugzeug der Lufthansa landet auf dem Flughafen Wien
ORF.at/Christian Öser
Lufthansa-Rettung

Großaktionär kündigt Zustimmung an

Tagelang war offen, ob das von Politik und Lufthansa ausverhandelte Rettungspaket für die Fluglinie auch die Zustimmung der Aktionäre findet. Das lag vor allem an der Kritik des größten Einzelaktionärs Heinz Hermann Thiele. Nun kündigte der Milliardär aber an, bei der außerordentlichen Hauptversammlung am Donnerstag den Staatshilfen zuzustimmen. Das sorgte wohl auch bei der heimischen Lufthansa-Tochter AUA für Aufatmen.

„Ich werde für die Beschlussvorlage stimmen“, erklärte der Münchner Unternehmer in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ („FAZ“, Donnerstag-Ausgabe). „Es liegt im Interesse aller Lufthansa-Mitarbeiter, dass das Management zügige Verhandlungen mit den Gewerkschaften über die nötige Restrukturierung führen kann.“ Solche Verhandlungen laufen gerade noch.

Der Milliardär hatte die Lufthansa und die Öffentlichkeit zuvor tagelang auf die Folter gespannt. In einem Interview mit der „FAZ“ vergangene Woche hatte er mit seiner Kritik an dem Rettungspaket nicht hinter dem Berg gehalten. Der Großaktionär störte sich vor allem daran, dass der deutsche Staat im Rahmen der Finanzhilfen eine Aktienbeteiligung von 20 Prozent erhalten sollte. Er und die anderen Aktionäre seien überfallsartig mit dem Finanzpaket konfrontiert worden, so der Unternehmer. Und er hoffe doch, „dass noch im Vorfeld etwas bewirkt und in Bewegung gebracht werden kann“.

Einkaufstour während Pandemie

Sowohl bei der Lufthansa als auch bei der deutschen Regierung ließen die Aussagen Thieles damals die Alarmglocken schrillen. Der 79-jährige Unternehmer hatte sich im Frühjahr im großen Stil Aktien von Deutschlands größter Fluglinie gesichert. Als die Coronavirus-Pandemie die Aktien der Lufthansa auf Talfahrt schickte, ging Thiele auf Einkaufstour. Schrittweise erwarb er einen Anteil von zehn Prozent aller Lufthansa-Aktien. Bis Mitte Juni stockte er diesen noch weiter auf. Inzwischen hält er über 15 Prozent der Konzernaktien. Das macht ihn zum größten Einzelaktionär der Lufthansa – und zu einem entscheidenden Faktor rund um die Rettung der Lufthansa mit Staatshilfen.

Unternehmer Heinz Hermann Thiele
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Großaktionär Thiele hatte Politik und Lufthansa tagelang zappeln lassen

Mit seiner Stimme hätte er am Donnerstag im Alleingang die Annahme des Hilfspaket verhindern können. Denn laut Lufthansa werden bei der Hauptversammlung nur 38 Prozent der Stimmrechte vertreten sein. Damit hätten Thieles 15 Prozent ausgereicht, um eine notwendige Zweidrittelmehrheit zu verunmöglichen.

Noch zu Wochenbeginn setzten sich der deutsche Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) mit Thiele zusammen. Mit am Tisch saß auch Carsten Spohr, Vorstandsvorsitzender der Lufthansa. Ihm hatte Thiele vorgeworfen, nicht intensiv genug mit dem Staat verhandelt zu haben. Was bei dem Treffen besprochen wurde, drang nicht nach außen. Von Scholz war nur zu erfahren, dass das Gespräch freundlich gewesen sei, „was gut ist“.

„Nach wie vor unterschiedliche Positionen“

Wie weit die Spitzenpolitik Einfluss auf die nunmehrige Entscheidung Thieles hatte, bleibt offen. „Es gibt nach wie vor unterschiedliche Positionen mit den Regierungsvertretern“, sagte Thiele nun gegenüber der „FAZ“. Seine Zweifel seien nicht beseitigt. Letztlich habe er aber nicht für eine Insolvenz der Airline stimmen können.

Womöglich hatte sein Einlenken aber auch mit den Berichten über einen „Plan B“ zu tun, die am Mittwoch kursierten. Die Bundesregierung könnte in zwei Schritten zu einem Anteil von 20 Prozent an der Lufthansa kommen, ohne dass eine Hauptversammlung (HV) notwendig wäre, berichteten die Nachrichtenagenturen Reuters und dpa. Beide Agenturen beriefen sich auf eine mit den Überlegungen vertraute Person. Weder die Lufthansa noch die deutsche Regierung wollten sich allerdings offiziell zu einem solchen Alternativplan äußern.

Bei der deutschen Regierung dürfte Thieles Entschluss jedenfalls für Aufatmen sorgen. Würde die Rettung am Widerstand des Milliardärs scheitern, „steht die Bundesregierung vor einem wirtschaftspolitischen Scherbenhaufen“, schrieb etwa der „Berliner Tagesspiegel“ noch zu Wochenbeginn.

Mögliche Folgen für AUA-Deal

Und Erleichterung herrscht wohl auch in Österreich. „Bei einer eventuellen Ablehnung des vorliegenden deutschen Deals muss man die Situation in Österreich neu bewerten“, hatte es zu Wochenbeginn aus Regierungskreisen in Wien geheißen. „Der AUA-Deal sieht als Grundvoraussetzung eine Einigung der deutschen Regierung mit der Lufthansa vor.“ Diese scheint mit der Ankündigung Thieles nun gesichert.

Verhandlungen mit Gewerkschaften über Sparpaket

Noch keine Sicherheit gibt es hingegen in jenem Bereich, den Thiele nun als Grund für seine Zustimmung nannte: die Verhandlungen zwischen der Lufthansa und den Gewerkschaften bezüglich Einsparungen. Wegen des eingebrochenen Fluggeschäfts sind derzeit laut Lufthansa weltweit über 22.000 Stellen zu viel besetzt, rund die Hälfte davon in Deutschland. Bei den Verhandlungen sollen nun Maßnahmen vereinbart werden, um möglichst viele Menschen an Bord zu halten. Auf dem Tapet liegen unter anderem ausgeweitete Teilzeitmodelle und der Verzicht auf Gehaltssteigerungen und Zulagen.

Für das Bodenpersonal führt die Verhandlungen ver.di. Allerdings hatte die Gewerkschaft bereits klargemacht, dass sie die Gespräche erst nach der Hauptversammlung wieder aufnehmen werde. Anders sieht es beim fliegenden Personal aus: Hier stand die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit bis zuletzt mit der Lufthansa in Verhandlungen.

Die Flugbegleitergewerkschaft UFO einigte sich in der Nacht auf Donnerstag auf ein Krisenpaket mit der Lufthansa. Das Paket umfasst laut UFO einen vierjährigen Kündigungsschutz sowie ein Sparvolumen von über einer halben Milliarde Euro bis Ende 2023. Die Lufthansa teilte mit, dass unter anderem Vergütungsanhebungen ausgesetzt sowie die Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung zeitweise reduziert würden.