Zentrale von Wirecard
pcituredesk.com/dpa/Sven Hoppe
Nach Bilanzskandal

Wirecard meldet Insolvenz an

Der in einen Bilanzskandal verstrickte deutsche Zahlungsdienstleister Wirecard will Insolvenz anmelden. „Der Vorstand der Wirecard AG hat heute entschieden, für die Wirecard AG beim zuständigen Amtsgericht München einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wegen drohender Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung zu stellen“, teilte das Unternehmen am Donnerstag mit.

Es werde geprüft, ob auch Insolvenzanträge für Wirecard-Töchter gestellt werden müssen. Die Wirecard-Aktie wurde für 60 Minuten vom Handel ausgesetzt. In dem Bilanzskandal geht es um mutmaßliche Luftbuchungen in Höhe von 1,9 Mrd. Euro, die das Hightech-Unternehmen aus dem Münchner Vorort Aschheim an den Rand des Abgrunds getrieben haben.

Die Gläubigerbanken hatten das Recht, Kredite über zwei Milliarden Euro zu kündigen, wenn das Unternehmen nicht bis zum vergangenen Freitag eine testierte Bilanz für das vergangene Jahr vorlegen könne. Doch die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young (EY) hatten das Testat verweigert, als sich herausstellte, dass Bestätigungen über Treuhandkonten offensichtlich gefälscht waren.

1,9 Mrd. Euro existieren wahrscheinlich nicht

Wirecard hatte daraufhin Anfang der Woche eingeräumt, dass 1,9 Milliarden Euro, die das Unternehmen auf Treuhänderkonten verbucht hatte, „mit überwiegender Wahrscheinlichkeit“ nicht existieren. Deswegen prüft der Konzern die nachträgliche Korrektur seiner Bilanzen: „Mögliche Auswirkungen auf die Jahresabschlüsse vorangegangener Geschäftsjahre können nicht ausgeschlossen werden“, hieß es.

Im Zentrum des Bilanzskandals stehen der ehemalige Wirecard-Finanzchef in Südostasien und ein Treuhänder, der bis Ende 2019 für Wirecard aktiv war und das in großen Teilen wahrscheinlich gar nicht existente Geschäft mit den Drittpartnern betreute.

An der Frankfurter Börse stürzte die Wirecard-Aktie ein weiteres Mal in die Tiefe, die Papiere notierten am Donnerstag erstmals seit Sommer 2011 nur noch einstellig. Mit 9,96 Euro erreichten sie den tiefsten Stand seit August 2011. Nach der abermaligen Verschiebung der Bilanz für 2019 in der Vorwoche und dem Eingeständnis mutmaßlicher Luftbuchungen verloren sie damit inzwischen gut 90 Prozent.

Verfahren gegen Ex-Chef Braun

Wirecard ist auch im Fokus der Strafverfolgungsbehörden. „Wir prüfen alle in Betracht kommenden Straftaten“, hatte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft München I am Montag gesagt. Bei der Behörde läuft bereits ein Ermittlungsverfahren gegen den Ende voriger Woche zurückgetretenen ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Markus Braun und drei weitere Manager der Wirecard-Spitze wegen des Verdachts der Falschinformation von Anlegern in zwei Pflichtmitteilungen an die Börse.

Braun war am Dienstag wegen des Verdachts der Marktmanipulation festgenommen worden, wurde aber gegen Zahlung einer Kaution in Höhe von fünf Millionen Euro noch am selben Tag wieder auf freien Fuß gesetzt. Brauns rechte Hand Jan Marsalek wurde vom Aufsichtsrat gefeuert. Der Aufsichtsrat habe den Manager „mit sofortiger Wirkung abberufen und seinen Anstellungsvertrag außerordentlich gekündigt“, teilte Wirecard mit. Marsalek, der zurzeit auf den Philippinen gesucht wird und sich einem Zeitungsbericht zufolge der Justiz Anfang kommender Woche stellen will, hatte das Tagesgeschäft geleitet.

Braun wies Bericht als „haltlos“ zurück

Wirecard stand seit der Gründung 1999 immer wieder im Zentrum von Aktienspekulationen. Über mögliche Bilanzmanipulationen bei Wirecard hatte schon vor über einem Jahr die britische „Financial Times“ („FT“) berichtet. Im Oktober hatte die „FT“ dann berichtet, dass ein beträchtlicher Teil der Wirecard-Umsätze mit Drittfirmen in Asien womöglich auf Scheingeschäften beruhe.

Braun hatte die Berichterstattung der „FT“ über Monate als haltlos zurückgewiesen. Da es schon nach den ersten „FT“-Artikeln zu außergewöhnlichen Kursstürzen der Wirecard-Aktie an der Frankfurter Börse gekommen war, hatten die deutsche Finanzaufsicht BaFin und die Münchner Staatsanwaltschaft Untersuchungen eingeleitet, ob Kursmanipulationen von Börsenspekulanten dahinter steckten.

Heimische Banken unter Gläubigern

Einem Bericht der US-Nachrichtenagentur Bloomberg von Anfang der Woche zufolge hat der Zahlungsdienstleister zudem Kredite bei der Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien in der Höhe von 60 Mio. Euro und der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich in der Höhe von 45 Mio. Euro. Dem Bericht zufolge hat Wirecard Kreditlinien in Höhe von insgesamt 1,75 Mrd. Euro bei mindestens 15 Banken, davon seien rund 800 Mio. Euro ausständig.

Zu den größten Gläubigerbanken gehören laut dem Bloomberg-Bericht ABN Amro, Commerzbank, ING, Landesbank Baden-Württemberg, Barclays, Credit Agricole, DZ Bank, Lloyds, Bank of China, Citi und Deutsche Bank. Die meisten der betroffenen Banken seien für eine Verlängerung der Zahlungsverpflichtungen, heißt es in dem Bericht. Vonseiten der beiden Raiffeisenlandesbanken gibt es noch kein Statement dazu.