Die „Stopp Corona App“ des Roten Kreuzes am Display eines Smartphones.
APA/ROLAND SCHLAGER
Handshake ohne Zutun

Neuer Anlauf für „Stopp Corona“-App

Seit Freitag ist eine aktualisierte Version der „Stopp Corona“-App des Roten Kreuzes zum Download verfügbar. Wichtigste Neuerung: Die App basiert nun auf der von Apple und Google entwickelten Schnittstelle. Der automatische digitale Handshake funktioniert somit neben Android-Geräten auch auf Geräten mit dem Apple-Betriebssystem iOS. Außerdem kann die App auch auf Smartphones aus anderen Ländern heruntergeladen werden.

Am vorläufigen Höhepunkt der Coronavirus-Epidemie in Österreich wurde viel über sie diskutiert: Die vom Roten Kreuz in Auftrag gegebene „Stopp Corona“-App war europaweit eine der ersten Anwendungen, mit denen sich anonymisiert Kontakte der vergangenen Tage speichern lassen. Die Idee dahinter: Wer positiv auf das Coronavirus getestet wird, kann dann Personen, neben denen er oder sie etwa längere Zeit im Bus gesessen ist, warnen. Zwar fanden Datenschützerinnen und Datenschützer von Beginn an fast nur lobende Worte für die App. Debatten über eine mögliche verpflichtende Nutzung sowie die fälschliche Rede von „Tracking“ lösten bei vielen möglichen Nutzerinnen und Nutzern aber Skepsis aus.

In den vergangenen Wochen wurde es um die Anwendung schließlich weitgehend still. Das zeigte sich nicht zuletzt in der Zahl der Nutzerinnen und Nutzer. Während etwa die deutsche Warn-App bereits von mehr als 15 Prozent der Menschen im Nachbarland verwendet wird – die Downloadzahl lag am Mittwoch bereits bei 13 Millionen –, hielt sich hierzulande das Interesse an der heimischen App in Grenzen: 680.000 Menschen haben sie bisher heruntergeladen, als aktive Nutzer gelten laut Schätzungen des Roten Kreuzes rund die Hälfte.

Schnittstelle von Apple und Google

Der mäßige Zuspruch hatte aber nicht nur mit den Bedenken bezüglich der eigenen Daten zu tun. Die App hatte bisher auch einen großen Nachteil: Userinnen und User eines iPhone mussten alle Kontakte manuell speichern. Der automatisierte Handshake im Hintergrund, der auf Android-Handys bereits im April Einzug gehalten hatte, funktionierte auf den Geräten von Apple schlicht nicht. Und auch auf manchen Android-Geräten hatten die Hersteller der automatischen Aufzeichnung von Kontakten im Hintergrund einen Riegel vorgeschoben.

Dieses Manko soll mit der neuen Version nun Geschichte sein. Möglich macht das eine neue Schnittstelle, die Apple und Google seit April gemeinsam entwickelt und kürzlich veröffentlicht haben. Der automatische digitale Handshake zwischen Geräten mit aktivierter App funktioniert nun nicht nur auf Googles Betriebssystemen Android (ab Version 6 mit Bluetooth Low Energy (BLE)), sondern auch auf iOS von Apple, dort allerdings nur ab der neuesten Version 13.5. Das sechs Jahre alte iPhone 6 und noch ältere Apple-Smartphones sind damit von dem Update ausgeschlossen.

Auf Android Neuinstallation nötig

Das Gleiche gilt übrigens auch für aktuelle Android-Geräte von Huawei. Ihnen fehlen wegen des Handelsbanns der USA die nötigen Google-Dienste. Android-Nutzerinnen und -Nutzer haben noch mit einer weiteren Hürde zu kämpfen. Sie müssen die Anwendung deinstallieren und danach neu installieren, um sie korrekt zum Laufen zu bringen. Andernfalls stürzt die aktualisierte Version laufend ab, räumten die Verantwortlichen am Freitag ein. „Es steht leider nicht in unserer Macht, das zu verändern“, hieß es seitens der Entwicklerfirma Accenture.

Infografik zur neuen Corona-App
Grafik: ORF.at/APA; Quelle: ÖRK

In der neuen Version läuft die App dann aber im Hintergrund und funktioniert auch im Energiesparmodus, muss dazu aber von der Akkuoptimierung des Herstellers ausgenommen sein. Standortdaten werden nicht erfasst. Österreich gehöre damit zu den ersten Ländern in Europa, die über eine voll funktionsfähige App verfügen, die den Vorgaben des „Privacy-Preserving Contact Tracing“ entspricht, hieß es in einer Aussendung. Dahinter verbirgt sich der Vorsatz, zwar eine Kontaktverfolgung zu ermöglichen, Eingriffe in die Privatsphäre und Zugriffe auf persönliche Daten aber auf ein Minimum zu beschränken; ein Ansatz, der – in diesem Fall – auch von Google und Apple propagiert wird.

Keine Übersicht mehr über gespeicherte Kontakte

Die App protokolliert Begegnungen mit anderen Mobiltelefonen mit, diese werden jedoch aus Gründen des Datenschutzes nicht mehr angezeigt. Auch ein manueller Handshake ist nicht mehr verfügbar. Die Aufzeichnung von Begegnungen erfolgt nun mittels rotierender Schlüssel, die alle 15 Minuten geändert werden. Da die gespeicherten Kontakte nicht einmal mehr codiert angezeigt werden, wissen die Benutzer der App nicht, ob das Gerät in den vergangenen zwei Tagen Begegnungen registriert hat oder nicht.

Neue Version der App

Für die „Stopp Corona“-App des Roten Kreuzes gibt es nun eine aktualisierte Version. Der automatische digitale Handshake ist nun für alle Handybetriebssysteme verfügbar. 680.000-mal wurde die App bereits heruntergeladen – ganz problemlos funktioniert die App trotzdem nicht.

Besteht bei einer Person der Verdacht auf eine Infektion, kann per App aber eine Warnmeldung an alle infektionsgefährdeten Begegnungen der letzten 54 Stunden abgeschickt werden. Auch diese Warnung ist anonym. Weder weiß die Verdachtsperson, an wen die Warnung ergeht. Noch wissen die Benachrichtigten, welcher ihrer Kontakte erkrankt sein könnte. Sofern keine Warnung aktiv ist, werden erfasste Kontakte nach Ablauf von zwei Wochen automatisch gelöscht.

Die „Stopp Corona“-App war zuvor bereits von verschiedenen Datenschutzorganisationen im Hinblick auf die Verschlüsselung und anonyme lokale Speicherung der Kontakte eingehend geprüft worden und gilt als Vorzeigelösung von „Privacy by design“. Inzwischen ist auch der Quellcode der App Free Open Source und kann von Github abgerufen werden. Mit dem aktuellen Update wurden laut dem Roten Kreuz alle technischen Empfehlungen der NGOs umgesetzt.

Offene Fragen

Eine Reihe von Fragen bleiben aber auch bei der neuen Version der App offen. So bezweifeln Kritikerinnen und Kritiker etwa, ob Bluetooth für diese Art von Anwendungen überhaupt verlässlich funktioniert. Die Funkwellen können etwa durch dünne Wände dringen und so Kontakte mit Menschen aufzeichnen, die gar nicht im gleichen Raum sitzen. Zugleich können viele Menschen in einem Raum die Kontaktaufzeichnung erschweren. Das könnte falsche Warnungen nach sich ziehen oder ein falsches Gefühl von Sicherheit geben, so die Kritik.

Im Raum stehen auch weiterhin Warnungen bezüglich der Datensicherheit. Zwar scheint mittlerweile klar, dass eine – theoretisch mögliche – Überwachung von Nutzerinnen und Nutzern aufgrund der starken Anonymisierung nur mit gewaltigem technischem Aufwand möglich wäre. Eine aktive Bluetooth-Verbindung stellt aber zumindest einen möglichen Angriffspunkt dar – wenngleich auch dieses Risiko äußerst klein ist. Und in Zeiten von Bluetooth-Kopfhörern stellt sich diese Frage freilich nicht nur für eine Anwendung wie die „Stopp Corona“-App.

Länderbeschränkung gefallen

Ein weiterer Kritikpunkt wurde mit der neuesten Version hingegen ausgeräumt. So kann die heimische „Stopp Corona“-App auf Geräte aus anderen Ländern heruntergeladen werden, die Länderbeschränkung wurde weltweit aufgehoben. Damit können Gäste, die eine Reise nach Österreich planen, die App bereits von zu Hause aus installieren. Denn die bisherigen Coronavirus-Apps der einzelnen Länder sind noch nicht miteinander kompatibel.

Für Verwirrung sorgte Freitagfrüh allerdings, dass der Download in Apples App-Stores außerhalb Österreichs offenbar noch nicht funktionierte. Das liege daran, dass Apple für die Aktualisierung einige Stunden brauche, hieß es dazu auf Twitter von Gerry Foitik, Bundesrettungskommandant des Roten Kreuzes.

Zahl der Nutzer entscheidend

Bei einem Onlinepressegespräch sagte Foitik, dass man an einer Weiterentwicklung arbeite und dafür eine möglichst breite Zivilgesellschaftsplattform ins Leben rufen wolle. Sozialpartner, Parteien oder Interessenvertreter wie etwa der Behindertenrat sollen mitreden. Die konstituierende Sitzung ist für den 7. Juli vorgesehen.

Michael Zettel von Accenture nannte auch die weltweite Interoperabilität als Ziel. Dafür brauche es aber eine Einigung auf internationale Standards. Der derzeitige Release sei immerhin eine „ganz wesentliche Zwischenlösung“. Sein Kollege Christian Winkelhofer nannte die Adaption der Sensibilität der App je nach Gefährdungslage und Weiterentwicklungen mit der Open-Source-Community als weitere Schritte.

„Der große Vorteil der App ist der Zeitgewinn: Die zweite Person wird informiert, bevor sie selbst Symptome hat und unbemerkt Familienmitglieder, Freunde und Arbeitskollegen ansteckt“, sagte Foitik. Auch unbekannte Personen, die man getroffen hat, etwa Sitznachbarn im Zug oder Kino, können durch die App-Nutzung benachrichtigt werden.

„Jede Übertragung des Virus, die mit Hilfe der App verhindert werden kann, ist ein Gewinn“, so Foitik. Die App sei umso wirksamer, je mehr Menschen sie verwenden, sagte Foitik. Der Rettungskommandant sprach damit aber auch die größte Hürde solcher Anwendungen an. Sie funktionieren nur dann effektiv, wenn sie auch genügend Menschen nutzen. Davon ist die heimische App noch ein großes Stück entfernt.