Schulkinder auf einer Seilbahn über einem Fluss
ORF/QUINTUS MEDIA
Die gefährlichsten Schulwege

Über Schluchten in die Klasse

Tiefe Schluchten, reißende Flüsse, steile Felsen oder wilde Tiere – viele Kinder rund um den Globus müssen große Hürden überwinden, um in die Schule zu gelangen. ORF1 zeigt im Rahmen der „Freistunde“ für Schüler derzeit 13 Folgen der bekannten Serie „Die gefährlichsten Schulwege der Welt“. Zumindest an einem Ort konnte die breite Wirkung dieser Dokuserie die Verbesserung eines Schulwegs bringen.

Es war ein beschwerlicher Weg, den die Schülerinnen und Schüler im nepalesischen Dorf Kumpur auf sich nehmen mussten. Bereits vierjährige Kinder überquerten den Fluss Trisuli täglich mit einem Metallkorb an einem alten Drahtseil. Dank mehrerer Spenden konnte dort inzwischen eine Hängebrücke gebaut werden.

Die gefährlichsten Schulwege der Welt – Nicaragua (7)

Diese Verbesserung sorgt dafür, dass die Kinder sicher und vor allem auch regelmäßig den Unterricht besuchen können. Einen angenehmen Nebeneffekt hat die Hängebrücke auch: Es profitieren auch die Erwachsenen, denn sie erreichen dadurch schneller Märkte zum Einkaufen oder ärztliche Hilfe.

Im Schilfboot über den Titicacasee

Andere Episoden der Serie führten schon nach Äthiopien, wo viele Schüler stundenlang durch die Wüste wandern müssen, bis sie ihre Schule erreichen. Mit dem gegenteiligen klimatischen Extrem müssen Kinder in Sibirien zurechtkommen, wo es bis zu minus 40 Grad Celsius haben kann. In Peru müssen die Kinder der Urus jeden Schultag mit selbst gebauten Schilfbooten über den Titicacasee rudern – auf 4.000 Metern Seehöhe.

Die gefährlichsten Schulwege der Welt – Peru (5)

In Peru begleiten „Die gefährlichsten Schulwege der Welt“ das Volk der Uros. Mit Ruderbooten und selbst gebauten Flößen aus Schilf fahren die Schülerinnen und Schüler hier zur Schule, die mitten im Titicacasee auf 4.000 Metern Höhe liegt.

Über mexikanische Berge und Schluchten

Kinder in der Sierra Madre Occidental im Nordwesten Mexikos müssen ihren Schulweg hingegen immer noch unter sehr schwierigen Bedingungen zurücklegen. Fern von jeglicher Zivilisation lebt hier in den Bergen das Volk der Tarahumara, die auch Raramuri genannt werden. Die Kinder dieser indigenen Gruppe müssen kilometerweit bergauf und bergab gehen, um in die Schule zu kommen. Dabei sind Flüsse und Felsschluchten zu überwinden.

Jeder Tritt muss sitzen, denn sonst geraten sie in Gefahr, bis zu 300 Meter in die Tiefe zu stürzen. Die Felsen bestehen überwiegend aus Kalkstein und vulkanischen Ablagerungen – eine extrem poröse und brüchige Kombination. Das kann auch Regisseur Marc Kosak bestätigen. Er hat den Film gedreht und war mit seinem Team in dem Gebiet. Inzwischen ist der gebürtige Oberösterreicher Teil der „Universum“-Redaktion des ORF.

Mit Seil gesicherter Kameramann
Marc Kosak
Auf dem Kalk- und Vulkanstein der mexikanischen Sierra Madre Occidental ist Vorsicht geboten

Sendungshinweis

Die ORF-„Freistunde“ zeigt „Die gefährlichsten Schulwege der Welt – Mexiko“ am Dienstag, dem 30. Juni 2020 in ORF1. Großes Finale dieser beliebten Serie ist nächste Woche mit den Folgen über Bolivien, Philippinen und Kolumbien.

„Wir sind all diese Schulwege selbst abgegangen. Das ist wirklich herausfordernd. Die Felsen sind rutschig, es geht sehr steil hinunter. Höhenangst sollte man dort nicht haben“, so der Dokumentarfilmer. Bereits die Fahrt vom Flughafen in Chihuahua nach Huisuchi, in den Bergen der Sierra Madre Occidental, war ein Abenteuer.

Ein kaputter Truck, abgefahrene Reifen und plötzlich ein Auto, von dem das Filmteam verfolgt wird. „Das war schon etwas beängstigend, als wir die Gewehrläufe gesehen haben, die aus Fenstern herausschauten“, so Marc Kosak. Was das Filmteam damals nicht wusste: Genau in diesen Bergen tobte gerade ein Krieg zwischen Drogenkartellen.

Plötzlich im Drogenkrieg

Joaquin Guzman, besser bekannt als „El Chapo“, war gerade erneut wegen Drogendelikten, Geldwäsche und Menschenhandel festgenommen worden. Sein Sinaloa-Kartell stand kurz vor der Spaltung, weil Gegner der Familie Guzman die Führung übernehmen wollten. Daher wachten auf sämtlichen Berggipfeln Beobachter, die ihren Clans mitteilten, ob jemand und wer genau in der Gegend unterwegs ist.

„Einmal sind plötzlich zehn Guerillas mit Kalaschnikows aus dem Wald gesprungen. Die haben uns nur weiterfahren lassen, weil unser Fahrer ihnen erklärt hat, dass wir Touristen sind“, so der 42-jährige Filmemacher Kosak. Auch die Raramuris müssen mit den Kartellen in ihren Bergen leben. Während sie bis vor etwa 50 Jahren dort ganz ungestört waren, werden sie inzwischen als Drogenkuriere missbraucht.

Die gefährlichsten Schulwege der Welt – Mongolei (8)

„Die gefährlichsten Schulwege der Welt“ sind in der Mongolei. Mächtige Bergmassive und die Weite der Taiga prägen die Natur im Norden des Landes. Weit abgelegen lebt eines der letzten Nomadenvölker. Viele Nomaden würden ihre Kinder gerne zu Hause behalten, denn bei der Versorgung ihrer Pferde und Rentiere wird jede Hand gebraucht. Doch es herrscht Schulpflicht, und die Nomaden wissen, dass Bildung für ihre Kinder wichtig ist.

Wohl auch deswegen, weil die Raramuris bekannt dafür sind, zehn Stunden und mehr laufen zu können. Raramuri bedeutet nicht zuletzt „jene, die schnell laufen“. Sie sind die größte und ärmste indigene Gruppe Mexikos. Der Großteil lebt unter der Armutsgrenze und muss mit knapp einem Euro pro Tag auskommen. Da ist der Lohn, den sie als Drogenkuriere bekommen, sehr verlockend.

Kameramann und Schülerinnen
Marc Kosak
Beim Dreh mit den Raramuris. Übersetzt bedeutet der Name der Indigenen „Jene, die schnell laufen.“

Vom Kartell verordnete Prohibition

Die Kartelle sind allgegenwärtig und bestimmen auch immer mehr über das Privatleben der Raramuris. So gibt es etwa in den Dörfern keinen Tropfen Alkohol mehr zu kaufen, damit die Überstellung diverser illegaler Drogen nicht gefährdet ist. Davon betroffen war freilich auch das Filmteam, das nach getaner Arbeit ganz gern mal ein Bier getrunken hätte. „Leider gab es auch für uns keinen Alkohol. Aus Höflichkeit haben wir einmal das selbst gebraute Bier der Raramuris gekostet. Doch das schmeckte eher wie Most, und wir wussten auch nicht, wie stark dieses Gebräu ist“, so Regisseur Marc Kosak.

Wie schnell das indigene Volk mit ihren Huarachis – das sind Sandalen aus einem Stück Autoreifen und einem Lederband – unterwegs sind, beeindruckte auch das Filmteam. Ein bezahlter Läufer schnappte sich jeweils nach einem anstrengenden Drehtag die leeren Akkus und rannte damit in das Dorf Huisuchi, in dem es Strom gab.

Am Morgen war er dann wieder zurück – mit vollen Akkus und einem deftigen Frühstück von Tortillas mit Bohnen und Ei. Von „außergewöhnlichen und aufregenden Tagen in der Sierra Madre Occidental“ schwärmt Regisseur Kossak jedenfalls noch heute.