Kindesmissbrauch Bergisch Gladbach: 30.000 Verdächtige

Im Missbrauchskomplex Bergisch Gladbach in Deutschland sind die Ermittler und Ermittlerinnen auf Spuren von mehr als 30.000 Verdächtigen gestoßen. Das teilte NRW-Justizminister Peter Biesenbach heute in Düsseldorf mit. Es gehe dabei nicht nur um die Verbreitung und den Besitz von Kinderpornografie, sondern auch um schweren Kindesmissbrauch.

Es handle sich um internationale pädokriminelle Netzwerke mit Schwerpunkt im deutschsprachigen Raum. In Gruppenchats mit Tausenden Nutzern bzw. Nutzerinnen und in Messengerdiensten gingen die Täter bzw. Täterinnen wie selbstverständlich mit ihren Missbrauchstaten um, heizten sich an und gäben einander Tipps, etwa, welche Beruhigungsmittel man Kindern am besten verabreiche, um sie sexuell zu misshandeln.

„Wer zögert, wird von den anderen ermutigt und bedrängt, seine Absichten in die Tat umzusetzen“, berichtete Biesenbach. In diesen Chats würden auch Verabredungen zum Missbrauch an einem Kind getroffen.

„Neue Dimension des Tatgeschehens“

Es handle sich um eine „neue Dimension des Tatgeschehens“, sagte der Justizminister und bekannte: Ihm sei „speiübel geworden“. „Wir müssen erkennen, dass Kindesmissbrauch im Netz weiter verbreitet ist, als wir bisher angenommen haben.“

Die Selbstverständlichkeit der Kommunikation über die Taten sei „in höchstem Maße irritierend“ und „zutiefst verstörend“, so der Justizminister. Es sei zu befürchten, dass in einer solchen Atmosphäre die Hemmschwellen sinken und auch solche Männer Missbrauchstaten begingen, die ohne entsprechendes Umfeld davor zurückgeschreckt wären.

Eine eigene Taskforce von Cyberermittlern und -ermittlerinnen werde am Mittwoch die Arbeit aufnehmen. Sechs Staatsanwälte würden sich dann unter großem Zeitdruck zuerst um die Fälle bemühen, bei denen davon auszugehen ist, dass der Missbrauch von Kindern fortgesetzt werde.

Psychisch belastende Ermittlungen

In dem Komplex Bergisch Gladbach waren bisher deutschlandweit 72 Verdächtige identifiziert worden. Zehn waren zuletzt in U-Haft. Sieben Anklagen gegen acht Personen sind bereits erhoben worden. Der Fall war im Oktober 2019 mit der ersten Durchsuchung bei einem der Hauptverdächtigen in Bergisch Gladbach bei Köln ins Rollen gekommen.

Der Komplex hatte noch im Juni täglich 120 bis 140 Ermittler beschäftigt. In der Spitze waren es sogar 350 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Die Verdächtigen sollen teilweise ihre eigenen Kinder missbraucht und Bilder der Taten getauscht haben. Seit Monaten werden riesige Datenmengen ausgewertet. Die Ermittlungen erstrecken sich längst auf sämtliche 16 Bundesländer.

Die Arbeit in der seit Herbst 2019 bestehenden Ermittlungsgruppe „Berg“ sei psychisch sehr belastend. Insbesondere die Sichtung des Videomaterials bringe jeden Ermittler und jede Ermittlerinnen an die Grenze der Belastbarkeit.