Proteste in Hongkong
AP/Jae C. Hong
Sicherheitsgesetz für Hongkong

Protestspitze wirft das Handtuch

Nach Berichten über die Verabschiedung des Sicherheitsgesetzes für Hongkong haben Joshua Wong und andere Führer und Führerinnen der Demokratiebewegung den Rücktritt aus ihrer Partei verkündet. Mit dem Sicherheitsgesetz vor der Tür sei es „kein Unsinn“ für Anhänger der Demokratiebewegung, sich um Leben und Sicherheit zu sorgen, schrieb Wong am Dienstag auf Facebook und teilte seinen Rücktritt als Generalsekretär der 2016 gegründeten Partei Demosisto mit.

Auch die neben Wong bekanntesten Persönlichkeiten der Protestbewegung, Nathan Law und Agnes Chow, kündigten ihren Rücktritt an. Der weltweit bekannte Aktivist Wong schrieb weiter, er glaube nicht, dass sich an der Beharrlichkeit der Hongkonger durch das neue Gesetz oder andere „drakonische Gesetze“ etwas ändern werde. Er wolle in Hongkong bleiben, „bis sie mich zum Schweigen bringen und auslöschen“.

Wong sagte, das Gesetz markiere „das Ende von Hongkong, wie es die Welt bisher kannte“. Auf Twitter warf Wong der Führung in Peking vor, die Stadt in einen „geheimen Polizeistaat“ verwandeln zu wollen. Monatelang war es in Hongkong wiederholt zu Demonstrationen gekommen, bei denen gegen den Einfluss Pekings und gegen Polizeibrutalität protestiert wurde. Die Demonstranten und Demonstrantinnen fordern auch freie Wahlen, wie es ihnen bei der Rückgabe 1997 an China in Aussicht gestellt wurde.

„Subversiv, separatistisch oder terroristisch“

Ungeachtet weltweiter Kritik hatte China am Dienstag nach Medienberichten das kontroverse Gesetz zum Schutz der nationalen Sicherheit in Hongkong erlassen. Der Ständige Ausschuss des Volkskongresses in Peking habe das Gesetz einstimmig angenommen, berichteten übereinstimmend mehrere Hongkonger Medien. Es richtet sich gegen Aktivitäten, die von Peking als subversiv, separatistisch oder terroristisch angesehen werden. Auch soll es „heimliche Absprachen“ mit Kräften im Ausland bestrafen. Die demokratische Opposition fürchtet, zum Ziel des Gesetzes zu werden.

Joshua Wong, Agnes Chow, Au Nok-hin und Eddie Chu
APA/AFP/Philip Fong
Die bekannten Gesichter der Demokratiebewegung: Agnes Chow, Joshua Wong, Au Nok-hin und Eddie Chu (v. l. n. r.) bei Protesten

Die große Geheimhaltung um das in nur wenigen Wochen durchgesetzte neue Sicherheitsgesetz dauerte auch am Dienstag an. So lag eine offizielle Bestätigung der Verabschiedung etwa Dienstagnachmittag (Ortszeit) nicht vor. Selbst Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam, die kurz nach den Medienberichten vor die Presse trat, wollte sich nicht zu dem Gesetz äußern. Es soll nach unbestätigten Berichten als Höchststrafe lebenslange Haft vorsehen. Der genaue Text ist bisher nicht bekannt.

Proteste in Hongkong
AP/Kin Cheung
Die Demokratiebewegung schaffte es, Tausende für ihre Anliegen zu begeistern

Hongkonger Parlament umgangen

Das Sicherheitsgesetz stößt in Hongkong und auch international auf scharfe Kritik. Es ist der bisher weitgehendste Eingriff in die Autonomie der chinesischen Sonderverwaltungszone. Kritiker befürchten ein Ende des Grundsatzes „Ein Land, zwei Systeme“, nach dem die frühere britische Kronkolonie seit der Rückgabe 1997 unter chinesischer Souveränität regiert wird. Mit dem Gesetz, das als Anhang ins Grundgesetz des autonomen Territoriums aufgenommen wird, umgeht die kommunistische Führung das Hongkonger Parlament.

Joshua Wong
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Wong vor Journalisten – der Andrang ist riesig

USA reagierten umgehend

Als Reaktion stoppten die USA den Export von Rüstungsgütern nach Hongkong. Zudem wird die Ausfuhr von Technologie, die dem Militär dienlich sein könnte, künftig den gleichen Beschränkungen unterliegen wie Exporte nach China. „Wir können nicht mehr unterscheiden zwischen dem Export kontrollierter Waren nach Hongkong oder auf das chinesische Festland“, sagte US-Außenminister Mike Pompeo bereits am Montag.

Die USA könnten nicht das Risiko eingehen, dass solche Güter Chinas Militär in die Hände fielen, dessen wichtigste Aufgabe es sei, „die Diktatur“ der Kommunistischen Partei aufrechtzuerhalten. Es ist dies ein weiterer Streitpunkt in dem durch den Handelskrieg ohnehin schlechten Verhältnis der beiden Nationen.

Skyline von Hongkong
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Panoramablick auf Hongkong

Die US-Regierung hatte Ende Mai angekündigt, der chinesischen Sonderverwaltungszone wegen der zunehmenden Einmischung Pekings einen vorteilhaften Rechtsstatus streichen zu wollen. Neben den Exportkontrollen soll das auch Zölle und die Vergabe von Visa betreffen, wie es damals hieß. Die USA sehen in dem Sicherheitsgesetz eine klare Verletzung von Hongkongs Autonomie und Freiheitsrechten.

Internationale Sanktionen gefordert

Aus Sicht der Gruppe der großen Industrienationen (G-7) steht das neue Sicherheitsgesetz nicht im Einklang mit Hongkongs Grundgesetz und der Verpflichtung Pekings aus der chinesisch-britischen Vereinbarung. Als Reaktion fordern Aktivisten und Aktivistinnen sowie Menschenrechtspolitiker und -politikerinnen internationale Sanktionen. So sollte der wegen der Coronavirus-Krise verschobene, aber weiter geplante EU-China-Gipfel unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft abgesagt werden.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisierte das Sicherheitsgesetz ebenfalls. „Die Verabschiedung des nationalen Sicherheitsgesetzes ist ein schmerzhafter Moment für die Menschen in Hongkong und stellt die größte Bedrohung für die Menschenrechte in der jüngeren Geschichte der Stadt dar“, sagte Joshua Rosenzweig, der Leiter des China-Teams von Amnesty, am Dienstag laut einer Mitteilung.

Es sei zu befürchten, dass Peking mit dem Gesetz „eine Waffe der Unterdrückung gegen Regierungskritiker“ geschaffen habe, die lediglich ihre Ansichten zum Ausdruck bringen oder friedlich protestieren wollten. Das Ziel Pekings sei es, „Hongkong von diesem Punkt an durch Angst zu regieren“.