Kundgebung von kurdischstämmigen Personenin Wien
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Kurdendemos

Kurz wirft Türkei Stimmungsmache vor

Im Streit zwischen Ankara und Wien über die Ausschreitungen und Angriffe türkisch-ultranationalistischer Gruppen bei Kurdendemos in Wien-Favoriten hat sich auch nach einem Diplomatentreffen am Montag keine Entspannung abgezeichnet. Hingegen meldete sich erneut die Regierungsspitze zu Wort, die heftige Kritik an der Türkei übte. So sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Dienstag, die Türkei „sät Unfrieden“ und instrumentalisiere die Vorkommnisse für eigene Zwecke.

Ankara nutze die Situation, um für ihre eigenen Interessen „Stimmung zu machen“. Aus Sicht des Kanzlers ist das ein „Missbrauch der Menschen mit türkischen Wurzeln, die in Europa leben“. Man habe den Botschafter einbestellt, um klarzumachen, „dass es ein Ende haben muss, dass die Türkei versucht, auf die Menschen hier in Österreich Einfluss zu nehmen, und diese auch für ihre Konflikte instrumentalisiert“, so Kurz.

Dass die Türkei davon spreche, dass es Polizeigewalt gegen türkischstämmige Österreicherinnen und Österreicher gegeben habe, nannte Kurz „unerträglich“, er könne das nur „auf das Schärfste zurückweisen“. Bei den Auseinandersetzungen wurden Böller, Glasflaschen, Steine und Eisenstangen benutzt, unter anderem wurden sieben Polizisten verletzt, so Kurz: „Wir werden das nicht dulden.“

„Politik der Nulltoleranz“

Er habe Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) gebeten, hier eine „Politik der Nulltoleranz“ zu verfolgen, sagte Kurz. „Diese Konflikte, die werden aus der Türkei importiert“, so Kurz. „Wer ein Bedürfnis nach Straßenauseinandersetzungen hat, der soll das in der Türkei tun, aber in Österreich hat das keinen Platz.“ Mit deeskalierenden Worten aus der Türkei rechnete Kurz nicht: „Ich erwarte mir nicht sonderlich viel Unterstützung aus der Türkei“, meinte er auf eine entsprechende Journalistenfrage.

Bundeskanzler Sebastian Kurz und Innenminister Karl Nehammer
Reuters/Leonhard Foeger
Kurz und Nehammer übten scharfe Kritik an der Türkei

Auch Nehammer sagte, man werde jeden Straftäter konsequent verfolgen. „Diejenigen, die glauben, dass ein Mund-Nasen-Schutz sie vor einer Identifikation bewahrt, die irren sich.“ Man verfüge über ausgezeichnetes Videomaterial, das gerade ausgewertet werde. So sei einer der mutmaßlichen Rädelsführer bereits identifiziert. Unter den elf Festgenommenen seien auch zwei türkische Staatsbürger, die unter anderem faustgroße Pflastersteine geworfen haben sollen – auch hier werde ermittelt. Es gelte nun zu prüfen, „welche Kontakte und Stränge es hier zur Türkei und zu diversen türkischen Vereinen in Österreich gibt“, meinte Kurz. „Und diese Verbindungen, die gilt es zu kappen.“

Auch Nehammer sah Ankara am Zug: „Es liegt auch ein Stück weit an der Türkei, den Weg der Deeskalation zu beschreiten“, sagte Nehammer am Dienstag. „Die Republik Österreich lässt es sich unter keinen Umständen gefallen, wenn in irgendeiner Weise versucht wird, Einfluss zu nehmen auf die österreichische Politik von außen“, so Nehammer. Man werde sich gegen jede Form der „Destabilisierung“ und „Instrumentalisierung“ von Vereinen wehren. Vorwürfe von türkischer Seite konterte er abermals mit der Aussage, dass die Behörden in Österreich gegen alle verbotenen Symbole – auch jene der PKK – mit demselben Maß vorgehen würden.

Kurz kritisiert Demos

Kurz nannte die Gewalt eine Folge falscher Zuwanderungs- und Integrationspolitik, auch würde die Türkei hier bewusst junge Menschen instrumentalisieren, so der Kanzler.

Ludwig „in letzter Konsequenz“ für Abschiebung

Viele derer, die für die Randale verantwortlich waren, sind österreichische Staatsbürger. Dennoch sprach sich Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) „in letzter Konsequenz“ für die Abschiebung der Randalierer aus, wie er in einem am Dienstag in der Tageszeitung „Österreich“ veröffentlichten Interview sagte. Er sagte, dass die Krawalle „aufs Schärfste“ abzulehnen seien. „Eine radikale Minderheit darf das friedliche Zusammenleben nicht gefährden. Das hat keinen Platz in Wien“ – mehr dazu in wien.ORF.at.

Am Montag hatten Österreich und die Türkei in der Causa wechselseitig die Botschafter vorgeladen. Dabei blieben die Fronten aber verhärtet. ÖVP-Außenminister Alexander Schallenberg habe bei dem Gespräch mit dem türkischen Botschafter Ozan Ceyhun „die klare Erwartungshaltung geäußert, dass er einen Beitrag zur Deeskalation leistet, anstatt Öl ins Feuer zu gießen“, hieß es aus dem Ministerium nach dem Treffen.

Ankara teilte unterdessen einem Vertreter der österreichischen Botschaft mit, dass es „Bedenken wegen der Tatsache gibt, dass PKK-nahe Gruppen vier Tage hintereinander Kundgebungen organisieren durften“. Zudem warf die Türkei Österreich vor, Sicherheitskräfte seien bei Demonstrationen in den vergangenen Tagen gewaltsam gegen „türkische“ Jugendliche vorgegangen. Das Ministerium beschwerte sich auch über entstandene „Schäden an Unternehmen der türkischen Gemeinschaft“.