Pro-Demokratie Demonstranten in Hong Kong.
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Demos für Demokratie

Erste Festnahmen wegen Hongkong-Gesetzes

In Hongkong hat es bereits kurz nach Inkrafttreten des neuen chinesischen „Sicherheitsgesetzes“ erste Festnahmen gegeben. Wie die Hongkonger Polizei auf Twitter mitteilte, wurde als Erster ein Mann wegen einer Unabhängigkeitsflagge in Gewahrsam genommen. Später sprach die Polizei von rund 180 Festnahmen, sieben aufgrund des neuen Hongkong-Gesetzes. Erneut wurden auch Wasserwerfer eingesetzt.

Trotz eines Kundgebungsverbots versammelten sich Tausende Demonstranten und Demonstrantinnen in der Innenstadt, um für den Erhalt der Demokratie zu protestieren. Geschäfte waren geschlossen, auch die Eingänge zu einer U-Bahn-Station waren verriegelt. Die Polizei setzte auch Pfefferspray ein. Die Menge rief Parolen wie „Unabhängigkeit für Hongkong“ und „Widerstand bis zum Ende“.

Die erste Festnahme erfolgte laut den Einsatzkräften im beliebten Einkaufsviertel Causeway Bay. Der Mann habe mit der „Hong Kong Independence“-Flagge gegen das Gesetz verstoßen, hieß es. Die Einsatzkräfte verbreiteten auch ein Bild von einer violetten Flagge, mit der die Polizei Demonstrierende vor einem Bruch des Gesetzes warnt. Gewarnt wird etwa vor Rufen von Unabhängigkeitsslogans. Zu den Festgenommenen erklärte die Polizei, dass diese Waffen mit sich geführt, Widerstand geleistet und an einer verbotenen Versammlung teilgenommen hätten.

Die Hongkonger Regierung hatte für Dienstag ein Demonstrationsverbot verhängt – offiziell aufgrund des Coronavirus. Trotzdem zogen viele Menschen auf die Straßen, um gegen das neue Gesetz zu protestieren. Der Mittwoch ist zugleich der 23. Jahrestag der Rückgabe der britischen Kronkolonie an China am 1. Juli 1997. Die Polizei hat ein Großaufgebot von Sicherheitskräften mobilisiert.

Die Polizei von Hong Kong bei einem Einsatz während Protesten.
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Mit violetten Plakaten warnt die Polizei vor Verstößen

Lebenslange Haftstrafen möglich

Das neue, höchst umstrittene „Sicherheitsgesetz“ war am Montag von Peking beschlossen worden. Es dient laut China „dem Schutz der nationalen Sicherheit in Hongkong“. Es richtet sich gegen Aktivitäten, die von Peking als subversiv, separatistisch oder terroristisch angesehen werden, und sieht auch lebenslange Haft als Höchststrafe für zahlreiche Vergehen vor. Auch Unternehmen und Gruppen, die gegen das Gesetz verstießen, würden bestraft.

Kritiker und Kritikerinnen werfen der chinesischen Führung vor, mit dem Gesetz den Grundsatz „Ein Land, zwei Systeme“ aufheben und demokratische Bürgerrechte in Hongkong unterdrücken zu wollen. Das Gesetz ist der bis dato stärkste Einschnitt in Hongkongs halbautonomen Status und hat seinen Ursprung wohl in den monatelangen Massenprotesten des Vorjahres. Eigentlich genießt Hongkong seit seiner Übergabe von Großbritannien an China zugesicherte Sonderrechte.

China sieht „Wendepunkt“

Das Gesetz sorgt international für harsche Kritik. Aus Sicht Pekings ist es hingegen ein „Wendepunkt in der Entwicklung“ der chinesischen Sonderverwaltungsregion. Vizedirektor Zhang Xiaoming vom Amt für Hongkong und Macao, das Gesetz solle Hongkong stabilisieren und Abweichungen vom Grundsatz „Ein Land, zwei Systeme“ korrigieren. Auch habe niemand mehr die Macht, den Grundsatz zu definieren und zu interpretieren. „Das Entscheidende ist ‚ein Land‘ – und es gibt Grenzen für ‚zwei Systeme‘“, sagte der Vizedirektor. Das chinesische Außenministerium teilte zudem mit, man werde eine Einmischung aus dem Ausland in der Causa Hongkong nicht hinnehmen.

Regierungschefin Carrie Lam kündigte unterdessen an, das neue Gesetz „entschlossen“ exekutieren zu wollen. Menschenrechte müssten manchmal „gezügelt“ werden, um die Stabilität und nationale Sicherheit zu erhalten, so Lam laut der „South China Morning Post“ in einer Rede. Sie hoffe, dass nun wieder Frieden in Hongkong einkehre.

„Dunkelster Tag“

Schlimme Befürchtungen hegt die Hongkonger Opposition. So gab zuletzt die prodemokratische Partei Demosisto, die großen Zulauf von Aktivisten und Aktivistinnen von den Universitäten hatte, ihre Auflösung bekannt. Ihr gehört auch der bekannte Aktivist Joshua Wong an. Bisherige Demosisto-Mitglieder würden weiterhin nach Wegen suchen, die „totalitäre Unterdrückung“ zu durchbrechen, so Wong.

Pro Demokratie Demonstranten in Hong Kong.
AP/Vincent Yu
Die Demokratiebewegung rief wieder zu Protesten auf

Die demokratische Politikerin Claudia Mo sagte gegenüber CNN, dass das neue Gesetz Hongkong „umbringt“. „Es ist der dunkelste Tag seit 23 Jahren in Hongkong“, so Mo. Chinesische Stellen hätten jetzt das Sagen. „Wenn sie sagen, dass Schwarz Weiß ist, lässt sich darüber nicht diskutieren, weil sie das Gesetz sind.“ Mo wies darauf hin, dass bereits ihr Interview mit CNN ihr als „Absprache mit Kräften im Ausland“, einer Passage des Gesetzes, ausgelegt werden könnte.

USA stoppen Rüstungsexport

Die USA stoppten unterdessen den Export von Rüstungsgütern nach Hongkong. Zudem wird die Ausfuhr von Technologie, die dem Militär dienlich sein könnte, künftig den gleichen Beschränkungen unterliegen wie Exporte nach China. Die USA könnten nicht das Risiko eingehen, dass solche Güter Chinas Militär in die Hände fielen.

Die EU habe China ihre große Sorge über das Gesetz mitgeteilt. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kritisierte das Gesetz: „Diese neue Gesetzgebung steht weder mit dem Grundgesetz Hongkongs noch mit Chinas internationalen Verpflichtungen im Einklang.“ China müsse mit „sehr negativen Konsequenzen“ rechnen, so von der Leyen. So dürften beispielsweise das Vertrauen von Unternehmen und Chinas Reputation sinken. Ähnlich äußerte sich NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg.