Eine Frau in Hongkong mit Tränengas in den Augen wird behandelt
APA/AFP/Dale De La Rey
Hongkong-Gesetz

Gewalt bei neu entbrannten Protesten

In Hongkong sind am Mittwoch die Demokratieproteste des vergangenen Jahres wieder voll aufgeflammt. Hintergrund ist das Inkrafttreten von Chinas neuem Hongkong-Gesetz, das angeblich subversive, separatistische und terroristische Aktivitäten verhindern soll. Tausende versammelten sich, um gegen das äußerst umstrittene Gesetz zu protestieren. Dabei kam es vorläufig fast 200 Festnahmen – sieben aufgrund der neuen Vorschriften. Ein Mann wurde etwa festgenommen, weil er eine Unabhängigkeitsflagge zeigte.

Die Polizei ging zudem mit Tränengas, Wasserwerfern und Pfefferspray vor, um die nicht genehmigten Proteste im Keim zu ersticken. Offiziell war die Kundgebung aufgrund des Coronavirus verboten. Trotzdem versammelten sich Menschen in der Innenstadt, um für den Erhalt der Demokratie zu protestieren. Allerdings waren es weniger als bei den großen Protesten des Vorjahres – das wohl auch aus Angst vor Repressalien: Nach dem neuen Gesetz ist in Hongkong seit Mittwoch vieles verboten, was vorher durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt war.

Die Polizei warnte unter anderem mit violetten Schildern davor, Unabhängigkeitsslogans zu rufen oder entsprechende Banner zu zeigen. So führte etwa eine „Hong Kong Independence“-Flagge zu einer Festnahme. Trotzdem riefen viele Parolen wie „Unabhängigkeit für Hongkong“ und „Widerstand bis zum Ende“. Unter den Teilnehmenden befand sich auch der bekannte Aktivist Joshua Wong. Das Gesetz markiere „das Ende von Hongkong, wie die Welt es kannte“, teilte er mit.

Die Polizei von Hong Kong bei einem Einsatz während Protesten.
AP/Vincent Yu
Mit violetten Plakaten warnt die Polizei vor Verstößen gegen das neue Gesetz

Lebenslange Haftstrafen möglich

Das neue, höchst umstrittene „Sicherheitsgesetz“ war am Montag von Peking beschlossen worden. Es dient laut China „dem Schutz der nationalen Sicherheit in Hongkong“. Es richtet sich gegen Aktivitäten, die laut Peking eine Abspaltung chinesischer Gebiete fordern oder als terroristisch angesehen werden. Dazu zählt unter anderem auch Beschädigung von Transporteinrichtungen – bei den Protesten im Vorjahr hatten Demonstranten wiederholt U-Bahnen blockiert. Ebenfalls bestraft werden können „geheime Absprachen“ mit Kräften aus dem Ausland. Das Gesetz sieht auch lebenslange Haft als Höchststrafe für zahlreiche Vergehen vor. Auch Unternehmen und Gruppen, die gegen das Gesetz verstießen, würden bestraft.

Polizisten in Hongkong halten einen Demonstranten am Boden fest und bedrohen weitere Personen mit einer Waffe
Reuters/Tyrone Siu
Bereits im Vorjahr hatte es in Hongkong heftige Proteste gegeben, die durch das Coronavirus zum Erliegen gekommen waren

Zudem verschafft es China weitgehende Eingriffsmöglichkeiten in die Hongkonger Politik. So wird etwa ein chinesisches Sicherheitsbüro mit Ermittlern eingerichtet. Mit Zustimmung der Hongkonger Regierungschefin können sie Kommunikation von Verdächtigten abfangen und verdeckt ermitteln. „Komplizierte Fälle“ können mit dem Gesetz auch vor Gerichten in Festland-China verhandelt werden.

Kritiker und Kritikerinnen werfen der chinesischen Führung vor, mit dem Gesetz den Grundsatz „Ein Land, zwei Systeme“ aufheben und demokratische Bürgerrechte in Hongkong unterdrücken zu wollen. Das Gesetz ist der bis dato stärkste Einschnitt in Hongkongs halbautonomen Status und hat seinen Ursprung wohl in den monatelangen Massenprotesten des Vorjahres. Eigentlich genießt Hongkong seit seiner Übergabe von Großbritannien an China bis 2047 vertraglich zugesicherte Sonderrechte.

China sieht „Wendepunkt“

Das Gesetz sorgt international für harsche Kritik. Aus Sicht Pekings ist es hingegen ein „Wendepunkt in der Entwicklung“ der chinesischen Sonderverwaltungsregion. Vizedirektor Zhang Xiaoming vom Amt für Hongkong und Macao, das Gesetz solle Hongkong stabilisieren und Abweichungen vom Grundsatz „Ein Land, zwei Systeme“ korrigieren. Auch habe niemand mehr die Macht, den Grundsatz zu definieren und zu interpretieren. „Das Entscheidende ist ‚ein Land‘ – und es gibt Grenzen für ‚zwei Systeme‘“, sagte der Vizedirektor. Das chinesische Außenministerium teilte zudem mit, man werde eine Einmischung aus dem Ausland in der Causa Hongkong nicht hinnehmen.

Regierungschefin Carrie Lam kündigte unterdessen an, das neue Gesetz „entschlossen“ exekutieren zu wollen. Menschenrechte müssten manchmal „gezügelt“ werden, um die Stabilität und nationale Sicherheit zu erhalten, so Lam laut der „South China Morning Post“ in einer Rede. Sie hoffe, dass nun wieder Frieden in Hongkong einkehre.

„Dunkelster Tag“

Schlimme Befürchtungen hegt die Hongkonger Opposition. So gab zuletzt die prodemokratische Partei Demosisto ihre Auflösung bekannt. Ihr gehört auch Wong an. Bisherige Demosisto-Mitglieder würden weiterhin nach Wegen suchen, die „totalitäre Unterdrückung“ zu durchbrechen, so Wong.

Hongkonger demonstrieren gegen Zentralregierung

Einen Tag nachdem das von der chinesischen Zentralregierung diktierte Sicherheitsgesetz in Kraft getreten ist, kam es wieder zu massiven Protesten in Hongkong. 180 Demonstranten wurden festgenommen – auch auf Basis des neuen Sicherheitsgesetzes.

Die demokratische Politikerin Claudia Mo sagte gegenüber CNN, dass das neue Gesetz Hongkong „umbringt“. „Es ist der dunkelste Tag seit 23 Jahren in Hongkong“, so Mo. Chinesische Stellen hätten jetzt das Sagen. „Wenn sie sagen, dass Schwarz Weiß ist, lässt sich darüber nicht diskutieren, weil sie das Gesetz sind.“ Mo wies darauf hin, dass bereits ihr Interview mit CNN ihr als „Absprache mit Kräften im Ausland“, einer Passage des Gesetzes, ausgelegt werden könnte.

Pro Demokratie Demonstranten in Hong Kong.
AP/Vincent Yu
Die Demokratiebewegung rief zu Standhaftigkeit auf

Großbritannien bietet Pässe an

Die USA stoppten unterdessen den Export von Rüstungsgütern nach Hongkong. US-Außenminister Mike Pompeo sprach von einem „drakonischen“ Gesetz, mit dem China die Autonomie Hongkongs zerstöre. Die USA würden nicht tatenlos zusehen. Der britische Premierminister Boris Johnson nannte das Gesetz einen „klaren und schwerwiegenden“ Verstoß gegen die Gemeinsame Erklärung von 1984, in der die Übergabe Hongkongs an China für 1997 vereinbart wurde. Seine Regierung werde rund drei Millionen Einwohnern der früheren Kolonie, die Anspruch auf einen Pass der British National Overseas haben, den Weg zur britischen Staatsbürgerschaft ermöglichen. Auch die EU habe China ihre große Sorge über das Gesetz mitgeteilt.