Ein Mann bei der Stimmabgabe
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Deutliche Zustimmung

Referendum zementiert Putins Macht

In Russland ist bei dem Referendum die neue Verfassung von Kreml-Chef Wladimir Putin wohl klar angenommen worden. Rund 78 Prozent der Berechtigten stimmten nach Angaben der Wahlkommission für das neue Grundgesetz, mit dem der 67-jährige Putin bis 2036 an der Macht bleiben könnte. Vereinzelt gab es Proteste.

Das war der Stand nach Auszählung von rund 90 Prozent der Stimmzettel am Mittwoch, hieß es am späten Abend aus der Wahlkommission. Die ersten Ergebnisse wurden veröffentlicht, obwohl der Urnengang noch nicht in allen Teilen des Landes beendet war.

Die Wahlbeteiligung wurde mit knapp 65 Prozent angegeben. Insgesamt waren im flächenmäßig größten Land der Erde mit elf Zeitzonen 110,5 Millionen Wähler aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Die letzten Wahllokale schlossen am Abend um 20.00 Uhr MESZ in der Ostseeexklave Kaliningrad.

Dieser Trend eines Sieges für den Kreml deckte sich mit Nachwahlbefragungen des staatlichen Wziom-Instituts, die bereits am Montag veröffentlicht worden waren. Unabhängige Meinungsforscher hatten dagegen keinen so deutlichen Sieg vorhergesagt.

Russen in Österreich stimmten dagegen

Die in Österreich lebenden russischen Staatsbürger und Staatsbürgerinnen stimmten hingegen mit deutlicher Mehrheit gegen die Verfassungsnovelle. 2018 hatte Putin auch in Wien bei der Präsidentschaftswahl noch klar gesiegt. „1.251 Bürger der Russischen Föderation nahmen an der Abstimmung teil. Für die vorgeschlagene Novellierung der russischen Verfassung wurden 492 Stimmen (39,36 Prozent) abgegeben, dagegen 754 (60,32 Prozent)“, informierte der russische Botschafter in Österreich, Dmitri Ljubinski, in der Nacht auf Donnerstag auf Facebook.

Dieses Stimmverhalten der Russinnen und Russen in Österreich kann in Kombination mit einer niedrigen Wahlbeteiligung als deutliche Niederlage für Putin gewertet werden. Denn bei der Präsidentschaftswahl im März 2018 hatte er auch unter Österreichs Russen noch mit 63 Prozent klar gewonnen. Damals hatten sich insgesamt 2.487 Personen in Österreich an der Wahl beteiligt.

Nicht die erste Verlängerung

Die Verfassung beinhaltet viele soziale Versprechen wie etwa eine jährliche Pensionsanpassung. Die Wähler stimmten über ein ganzes Paket von Änderungen ab, darunter etwa auch die Garantie, dass eine Ehe nur zwischen Mann und Frau erlaubt bleibe. Putin hatte betont, dass es gleichgeschlechtliche Ehen nicht geben werde, solange er an der Macht ist. Nach der alten Verfassung von 1993 hätte er 2024 nicht wieder für das Präsidentenamt kandidieren dürfen. In einem eigenen Passus wurden nun aber seine bisherigen Amtszeiten seit 2000 annulliert.

Russlands Präsident Wladimir Putin bei einer Videokonferenz am 1. Juli
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Putin kann weiter der starke Mann Russlands bleiben

Putin wurde im Jahr 2000 zum Präsidenten gewählt und 2004 im Amt bestätigt. Nach zwei Amtszeiten durfte er 2008 nicht mehr kandidieren, überließ das Amt Dmitri Medwedew und wurde selbst Ministerpräsident. Nach der Pause trat er 2012 erneut an und übernahm das Amt wieder – mit einer verlängerten Amtszeit auf sechs Jahre. 2018 wurde er wiedergewählt, 2024 wäre dann aber Schluss gewesen.

Putin stimmte am letzten Tag ab

„Heute legen wir die Zukunft Russlands fest. Ich habe für eine wirtschaftliche und soziale Entwicklung unseres Landes gestimmt, für die Erhaltung seiner Geschichte, Traditionen und Werte“, sagte Regierungschef Michail Mischustin. Er hatte wie Putin bis zum letzten Tag der auf sieben Tage angelegten Abstimmung gewartet, um seine Stimme abzugeben. Weder Putin noch er trugen – wie eigentlich in Moskau vorgeschrieben – Mund- und Nasenschutz gegen das Coronavirus. Wahlleiterin Ella Pamfilowa kritisierte aber nur Mischustin, obwohl er selbst schon von dem Virus genesen ist.

Referendum über Putin als Dauerpräsident

In Russland haben laut offiziellen Teilergebnissen mehr als 73 Prozent der Stimmberechtigten für die von Präsident Wladimir Putin vorgeschlagene Verfassungsreform gestimmt.

Hunderte Verstöße?

Das Innenministerium berichtete der Agentur Interfax zufolge von mehr als 800 Zwischenfällen bei der Abstimmung. Es gebe aber keine Verstöße, die das Ergebnis beeinflussen könnten. Unabhängige Wahlbeobachter der Nichtregierungsorganisation Golos sprachen von Hunderten Verstößen. Die Menschen seien zur Stimmabgabe gedrängt und das Wahlgeheimnis sei oft nicht gewahrt worden, hieß es. Zudem sollen viele Menschen mehrfach abgestimmt haben. In der russischen Hauptstadt und in St. Petersburg kam es zu Protesten einzelner Putin-Gegner. Sie verliefen bis zum frühen Abend friedlich.

Eine Frau in Moskau hält ein Schild mit der Aufschrift „Nein zum ewigen Putin“
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Kleinere Proteste, hier in Moskau mit dem Schild „Nein zum ewigen Putin“

Wegen Pandemie verschoben

Kreml-Kritiker Alexej Nawalny sagte, es sei ungeheuerlich, dass die Wahlkommission bereits während der laufenden Abstimmung erste Ergebnisse veröffentliche. „Sie wollen damit absichtlich zeigen, dass sie auf das Gesetz spucken“, twitterte der Oppositionelle. „Ihr Platz ist auf der Anklagebank.“

Carola Schneider (ORF) zur Verfassungsänderung

Wie sich Russlands Präsident Wladimir Putin durch ein Referendum die Basis für lebenslanges Regieren sichert, erklärt ORF-Korrespondentin Carola Schneider in Moskau.

Die Abstimmung hatte am vergangenen Donnerstag begonnen. Sie war auf mehrere Tage angesetzt, damit wegen der Coronavirus-Pandemie genügend Zeit für die Wähler blieb, ihre Stimmabgabe zu organisieren. Die Menschen in Moskau und Nischni Nowgorod durften auch via Internet abstimmen. Zudem kamen Mitarbeiter der Wahlkommission zu den Menschen nach Hause. Als Anreiz, zur Abstimmung zu kommen, gab es Gewinnspiele. Ursprünglich war die Abstimmung für den 22. April angesetzt gewesen. Sie wurde wegen der Pandemie verschoben.