Jean Castex
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Frankreich

Jean Castex neuer Premier

Nach dem Rücktritt der französischen Regierung ist nun auch ein neuer Premierminister ernannt worden: der 55 Jahre alte Jean Castex. Das teilte der Elysee-Palast Freitagmittag mit. Castex hatte während der Coronavirus-Krise die Lockerungen im Land koordiniert. Der bisherige französische Premierminister Edouard Philippe hört nach rund drei Jahren auf.

Der Vertraute des früheren konservativen Präsidenten Nicolas Sarkozy ist Bürgermeister der Stadt Prades in Südwestfrankreich. Er ist ein hochrangiger Politfunktionär, kommt aus der bürgerlichen Rechten und ist in der Öffentlichkeit nicht besonders bekannt. In der französischen Presse hat er den Spitznamen „Monsieur deconfinement“ – das Wort „deconfinement“ steht für die Lockerungen der Ausgangsbeschränkungen in der Coronavirus-Krise.

Erwartet wurde, dass Macron eine stärkere soziale Ausrichtung seiner Politik durch die Ernennung eines Premierministers aus dem linken Lager umsetzen würde. Doch Macron suchte sich mit Castex niemanden mit einem starken politischen – gar linken – Profil aus. Castex dürfte Beobachtern zufolge daher eher die Aufgabe zukommen, die Pläne des Präsidenten ruhig und zuverlässig umzusetzen – ohne ihn dabei in den Schatten zu stellen. Den Verbündeten aus dem bürgerlich konservativen Lager bleibt der Präsident folglich weiter treu.

ORF-Korrespondentin Primosch zu Macrons Regierungsaustausch

ORF-Korrespondentin Cornelia Primosch kommentiert den Regierungswechsel nach den herben Wahlniederlagen für die Partei von Frankreichs Präsident Emmanuel Macrons bei den Kommunalwahlen.

Kritik aus Opposition

Castex sei der richtige Mann für die derzeitige Lage, da er „dafür bekannt ist, durch Dialog und im Geiste des Zusammenschlusses zu arbeiten“, teilte der Elysee-Palast mit. „Ich bin mir der gewaltigen Aufgabe bewusst, die vor mir liegt“, reagierte Castex in einer Mitteilung. In seinem neuen Amt sollen ihm auch die Erfahrungen, die er als Bürgermeister gesammelt hat, helfen.

Kritik kam jedoch aus der Opposition: Einer von rechts folge auf einen von rechts, erklärte Boris Vallaud von den Sozialisten. „Als die Franzosen zu Recht auf eine starke politische Botschaft warteten, markiert der Wechsel des Premierministers eine technokratische Wende in der Führung der Tagesgeschäfte“, monierte Christian Jacob von den Republikanern.

Regierung geschlossen zurückgetreten

Zuvor war die Mitte-Regierung unter Philippe komplett zurückgetreten. Macron kündigte bereits im Laufe der Woche an, bis zur Präsidentschaftswahl 2022 mit einem „neuen Team“ einen „neuen Weg“ einschlagen zu wollen. Das neue Kabinett werde „neue Talente“ und „Persönlichkeiten mit unterschiedlichem Hintergrund“ vereinen, sagte Macron im Interview mit mehreren Regionalzeitungen.

Die restliche Zusammensetzung des Kabinetts könnte noch im Laufe des Freitags bekanntgegeben werden. Es wird damit gerechnet, dass mehrere führende Minister und Ministerinnen ihren Hut nehmen müssen. Unter Druck steht insbesondere Innenminister Christophe Castaner, der wegen seines Umgangs mit den „Gelbwesten“-Protesten in die Kritik geraten war. Seit Macrons Amtsantritt sind insgesamt 17 Minister zurückgetreten.

Wahlgewinner Pierre Hurmic mit seinem Team
APA/AFP/Mehdi Fedouach
Bei der Wahl wurde Macrons Partei abgestraft, triumphieren konnten die Grünen

Nach „grüner Welle“: Macron unter Druck

Macron war nach der Endrunde der Kommunalwahlen am Sonntag erheblich unter Druck geraten, da sich sein Mitte-Lager bis auf wenige Ausnahmen nicht in großen Städten durchsetzen konnte. Stattdessen gab es eine „grüne Welle“ – Grüne und ihre Verbündeten eroberten große Städte wie Lyon, Straßburg und Bordeaux.

In der südwestfranzösischen Stadt Perpignan setzte sich ein Kandidat der Rechtsaußenpartei Rassemblement National (RN – früher Front National) durch. Macron hatte von einer „Ohrfeige“ für seine Partei La Republique en Marche gesprochen und „Fehler“ eingeräumt.

Macron: Neuausrichtung der Politik

Macron will daher seine Politik neu ausrichten. Dafür soll die Regierung umgestaltet werden. „Ökologischer Wiederaufbau“ ist dabei eines der Schlagworte von Macron. Der Wiederaufbau betreffe nach seinen Worten neben dem Umweltschutz, auch das Soziale und die Kultur.

Der Herbst werde schwierig werden „und wir müssen uns darauf vorbereiten“, sagte er in einem Interview von Regionalzeitungen. Große Sorgen macht ihm beispielsweise, dass im Herbst bis zu 900.000 junge Menschen auf den Arbeitsmarkt kommen und möglicherweise vor verschlossenen Pforten stehen werden. Der 42-Jährige betonte in Interviews mit Regionalzeitungen aber auch: „Ich glaube, dass der Kurs, den ich 2017 eingeschlagen habe, nach wie vor richtig ist.“ Er wolle künftig aber noch viel mehr auf Dialog setzen.

Der französische Präsident Emmanuel Macron
AP/Christian Hartmann
Macron will sich neu orientieren und deshalb mit einer anderen Regierungsmannschaft arbeiten

Spannungen zwischen Macron und Philippe

Über die politische Zukunft Philippes wurde bereits seit Monaten spekuliert. Während der schweren Coronavirus-Krise hatte es Spannungen an der Spitze des Staates gegeben. So drückte Macron beim Lockern der strikten Ausgangsbeschränkungen aufs Tempo, während Philippe bremste. Auch wurde im Vorfeld der Regierungsumbildung bezweifelt, dass Philippe, der eine Vergangenheit als Lobbyist bei einem Atomkonzern hat, einen politischen Richtungswechsel Macrons mit stärker sozialen und ökologischen Akzenten mitgetragen hätte.

Philippe hatte seinen Aufstieg allerdings Macron zu verdanken. Dieser machte den einstigen Vertrauten des konservativen Politikers Alain Juppe vor gut drei Jahren zum Regierungschef. Das war auch ein deutliches politisches Zeichen: Macron wollte der gemäßigten Rechten signalisieren, dass er auf sie zugeht und sie einbinden will.