Drei Frauen mit Maske auf einer belebten Fußgängerzone in Belgrad
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Serbien

Belgrad nimmt Lockerungen zurück

Die Zahl der Infektionen in Serbien ist wieder deutlich gestiegen – nun verhängt die Regierung neue Maßnahmen. In der besonders stark betroffenen Hauptstadt Belgrad wird ab sofort auf Maskenpflicht und Sperrstunden gesetzt, Zuwiderhandeln wird mit Geldstrafen geahndet.

In öffentlichen Verkehrsmitteln sowie in Geschäften und Ämtern muss nun wieder eine Maske getragen werden – das geht aus den neuen Maßnahmen hervor, die die serbische Regierung am Freitag erlassen hat. Gaststätten, Cafes und Clubs müssen spätestens um 23.00 Uhr schließen.

Und auch Veranstaltungen sind nun streng reglementiert: In geschlossenen Räumen sind nur noch 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zugelassen, im Freien sind 200 Menschen bei Events erlaubt. Darüber hinaus gilt ein Mindestabstand von 1,5 Metern. Wer sich widersetzt, dem drohen Geldstrafen bis zu 5.000 Dinar (rund 42 Euro). Die Maßnahmen gelten vorerst bis zum 18. Juli.

Vucic könnte sich Ausgangssperre vorstellen

Die Maßnahmen beschränken sich auf den Großraum Belgrad – Präsident Aleksandar Vucic sagte am Donnerstag in einem Interview mit dem serbischen Rundfunk RTS, dass „82,5 Prozent“ der landesweiten Fälle dort auftreten. „Alle anderen Zahlen sind unter Kontrolle“, so Vucic.

Belgischer Präsident Aleksandar Vucic
APTN/RTS
Vucic sagte im serbischen Fernsehen, dass er sich drastischere Maßnahmen vorstellen könnte

Vucic, dessen Partei erst vor wenigen Wochen bei der Parlamentswahl siegte, könnte sich auch drastischere Maßnahmen vorstellen: Wenn es nach ihm „alleine“ ginge, würde er Serbien unter eine „siebentägige Ausgangssperre“ stellen, so Vucic. Sollten die Maßnahmen jetzt nicht greifen, will er diesen Schritt auch nicht ausschließen. Vucics Aussagen stellen eine Kehrtwende im Umgang mit der Pandemie dar. Regierungsnahe Fachleute hatten das Virus wochenlang verharmlost. Vucic selbst missbrauchte die Lage für Wahlkampfzwecke, indem er öffentlich ein Glas serbischen Schnaps trank, um sich zu „immunisieren“.

Mittlerweile wurden auch in anderen Gebieten Serbiens bereits Maßnahmen eingeführt, um die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen. Das Land mit rund sieben Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern vermeldete zuletzt 359 neue Infektionen innerhalb eines Tages, rund 2.000 Menschen gelten aktuell als erkrankt.

Fußballspiele schon Anfang Juni

Die jüngste Entwicklung könnte dadurch begünstigt worden sein, dass die Lockerungen nach Aufhebung des Ausnahmezustands am 6. Mai zu abrupt waren. So war Serbien eines der ersten Länder in Europa, die wieder Fußballspiele vor Publikum zuließen. Bei manchen Matches erschienen bis zu 20.000 Zuschauerinnen und Zuschauer.

Auch wurden die bisherigen Abstandsregeln und Maskenpflichten weitgehend auf Empfehlungen reduziert. Darüber hinaus hielt das Land am 21. Juni Parlamentswahlen ab, die wegen der Pandemie verschoben worden waren und ursprünglich im April hätten stattfinden sollen.

Opposition wirft Regierung falsche Daten vor

Die Zahlenlage könnte unterdessen noch drastischer sein: In einem Bericht des Portals Balkaninsight wurden weitaus höhere Zahlen für die Woche vor der Wahl in Serbien ausgegeben. Demzufolge habe es damals bereits zwischen 300 und 400 Fälle täglich gegeben, weitaus höher als der offiziell veröffentlichte Höchstwert von 97 Fällen.

Serbiens Opposition will die zuständigen Behörden dazu zwingen, die unterschiedlichen Daten über die Zahl der Coronavirus-Infizierten und -Toten aufzuklären. Die Abgeordnete Marinika Tepic, Vizepräsidentin der oppositionellen Partei Freiheit und Gerechtigkeit (SSP), erstattete Strafanzeige gegen mehrere Mitglieder des Krisenstabes.

Die Behörden wiesen am Donnerstag die Berichte nun als „böswillig und gefährlich“ zurück. Das staatliche Institut für öffentliche Gesundheit kommentierte die vom Internetportal Balkaninsight in der Vorwoche veröffentlichten Daten nicht. Die Daten der Behörden wären prüfbar und würden sich auf die medizinische Dokumentation über die epidemiologische Situation in Serbien stützen, so das Institut.

Pfeifkonzert für Premierministerin

In der Bevölkerung regt sich indes ebenfalls Unmut über das Krisenmanagement der Regierung. In der Stadt Novi Pazar wurden Premierministerin Ana Brnabic und der Gesundheitsminister Zlatibor Loncar vor wenigen Tagen mit einem Pfeifkonzert empfangen.

Der Besuch sollte zur Beruhigung der Stimmung in der Stadt, die als Coronavirus-Hotspot gilt, dienen. Das Gegenteil wurde jedoch erzielt: Wütende Bürgerinnen und Bürger riefen die Namen von Verstorbenen, die nicht als CoV-Tote geführt wurden und nicht getestet worden waren, obwohl sie an Symptomen litten. An einem Tag alleine seien in der Stadt elf Personen verstorben, berichteten serbische Medien.

Unterschiedliche Handhabung an Grenzen

Abzuwarten bleibt auch, wie sich die Entwicklung auf die Ein- und Ausreisebestimmungen auswirkt. An sich ist Serbien eines jener Länder, für das die EU den Einreisestopp aufgehoben hatte. Die Umsetzung dieser Regeln variiert aber von Land zu Land. Slowenien setzte Serbien etwa auf die „rote Liste“, damit ist bei der Einreise die anschließende Quarantäne verbindlich. Ungarn setzt die EU-Vorgabe zwar nicht um – für das südliche Nachbarland gibt es aber eine Ausnahme, Menschen aus Serbien dürfen schon seit Längerem einreisen.

Österreich gab am Mittwoch eine Reisewarnung für die Staaten des Westbalkans aus, darunter auch Serbien. In Österreich gebe es bereits Coronavirus-Fälle, die auf Reisende vom Westbalkan zurückzuführen seien, sagte ÖVP-Außenminister Alexander Schallenberg. Mit der Erhöhung der Warnung auf Sicherheitsstufe sechs empfiehlt die Regierung Österreichern und Österreicherinnen „dringend“, das betroffene Land zu verlassen. CoV-Tests oder eine 14-tägige Heimquarantäne sind bei einer Einreise aus diesen Ländern schon jetzt verpflichtend.

Starker Anstieg auch in Kroatien

Auch im Nachbarland Kroatien spitzt sich die Situation offenbar zu. Innerhalb eines Tages wurden in dem Vier-Millionen-Einwohner-Land 96 Fälle bestätigt, teilte der Zivilschutzstab am Freitag mit. Seit Beginn der Pandemie gab es so viele Neuinfektionen nur noch am 1. April. Da es aber nun auch zwei Todesfälle gab, berichteten kroatische Medien über den bisher schlimmsten Tag in der gesamten Coronavirus-Zeit.

Infolge der hohen Infektionszahlen wird Kroatien – wie bereits Serbien – nun am Samstag vom benachbarten Slowenien von der Liste der coronavirussicheren Ländern gestrichen, was Einreisebeschränkungen zur Folge haben wird. Für Österreicher, die sich derzeit in Kroatien befinden, wird sich deswegen bei der Rückreise aber nichts ändern: Der Transit durch Slowenien wird nicht betroffen sein, falls dieser nicht länger als zwölf Stunden dauert.