US-Präsidentschaftskandidat Joe Biden
AP/Patrick Semansky
Unabhängigkeitstag

Bidens Botschaft gegen Trump

Nach der spaltenden, teils geradezu hetzerischen Rede von US-Präsident Donald Trump hat sein demokratischer Gegenspieler Joe Biden den Unabhängigkeitstag genutzt, um eine Anti-Trump-Botschaft zu verbreiten – ohne diesen auch nur einmal zu erwähnen. Biden nahm dabei jene Rolle ein, die traditionell US-Präsidenten einnehmen.

Der designierte Präsidentschaftskandidat der Demokraten, Biden, betonte in einer Videobotschaft zum 4. Juli, das Land habe die Möglichkeit, Ungleichheiten ein für alle Mal zu überwinden. „Wir haben die Chance, die Wurzeln des systemischen Rassismus aus diesem Land herauszureißen“, sagte er. Biden hält damit die Tradition, das Verbindende zu suchen, hoch und versucht, damit auch eine gemäßigte republikanische Wählerschaft, die Trump wegen dessen ständigen Polarisierens nicht nochmals wählen will, anzusprechen.

„Die amerikanische Geschichte ist kein Märchen. Sie war ein ständiges Hin und Her zwischen zwei Teilen unseres Charakters – der Idee, dass alle Männer und Frauen, alle Menschen gleich geschaffen sind, und dem Rassismus, der uns auseinandergerissen hat“, sagte Biden. Nun habe man die Chance, den Ausgegrenzten, Isolierten und Unterdrückten ihren „vollen Anteil am amerikanischen Traum“ zu geben.

Biden: Gründungsprinzip nie gerecht geworden

Der Nationaltag stand unter dem Eindruck der Pandemie und landesweiter Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt. Diese haben auch eine Debatte über die Erinnerungskultur des Landes entfacht. Ausgelöst worden waren sie durch den Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz.

In einem Meinungsbeitrag für den Sender NBC News schrieb Biden, dass die USA nie ihrem Gründungsprinzip gerecht geworden seien, wonach alle Menschen gleich geschaffen sind. So steht es in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776. Biden beklagte, dass das „Streben nach einer perfekteren Gemeinschaft“ in den vergangenen Jahren aus der Bahn geworfen worden sei. „Und niemand trägt dafür mehr Verantwortung als Präsident Donald Trump“, sagte der frühere Stellvertreter des ersten afroamerikanischen Präsidenten der USA, Barack Obama.

Scharfe Kritik an lockerem Umgang mit Pandemie

Trumps Umgang mit der Pandemie – auch am 4. Juli lag die Zahl der Neuinfektionen USA-weit bei mehr als 50.000 – hatte Biden bereits wenige Tage zuvor schärfstens kritisiert. Biden legte seinen eigenen Maßnahmenplan vor, der – ähnlich wie in Europa – vor allem auf verschärftes Testen und verbesserte Nachverfolgung der Kontakte setzt.

Der frühere US-Vizepräsident Biden will Amtsinhaber Trump bei der Wahl am 3. November den Platz im Weißen Haus streitig machen. Derzeit sehen Umfragen den 77-Jährigen in Führung. Bis zur Wahl in vier Monaten kann allerdings noch viel passieren. Zudem hat sich bei der Wahl 2016 gezeigt, dass Umfragen auch falsch liegen können. Damals lag bei den meisten Erhebungen Hillary Clinton in Führung, die zwar landesweit die meisten Stimmen erhielt, bei den entscheidenden Wahlmännerstimmen aber Trump unterlag.

Trumps polarisierende Botschaft

Stunden vor Biden hatte Trump selbst eine Rede zum Unabhängigkeitstag der USA für eine düstere, polarisierende Botschaft genutzt. „Unsere Nation erlebt eine gnadenlose Kampagne zur Auslöschung unserer Geschichte, zur Diffamierung unserer Helden, zur Ausradierung unserer Werte und zur Indoktrinierung unserer Kinder“, sagte Trump am Vorabend des 4. Juli.

US-Unabhängigkeitstag: Feierlichkeiten trotz Pandemie

US-Präsident Trump versammelte zum US-amerikanischen Unabhängigkeitstag Menschenmassen ohne Vorsichtsmaßnahmen. Und das, obwohl es in den USA allein am Freitag über 50.000 Neuinfektionen gab.

Sorgen vor neuen Coronavirus-Ansteckungen zum Trotz trat Trump am Freitag (Ortszeit) vor mehreren tausend Menschen (meist ohne Abstand oder Mundschutz) und beeindruckender Kulisse auf: Über der Bühne thronte das monumentale Nationaldenkmal von Mount Rushmore – der Gebirgsfels mit den in Stein gemeißelten Köpfen von vier Ex-Präsidenten.

„Linksradikaler Faschismus“

Trump sprach die Coronavirus-Krise lediglich am Anfang an, als er unter anderem Ärzten und Wissenschaftlern dankte, die „unermüdlich daran arbeiten, das Virus zu töten“. Es waren die Proteste, die eine Debatte über die Erinnerungskultur des Landes entfacht haben, die Trump den Stoff für seine Rede lieferten.

Trump warf dem linken Flügel des politischen Spektrums vor, in den Städten des Landes eine „Welle von Gewaltverbrechen“ auslösen zu wollen. Es gebe einen „neuen linksradikalen Faschismus, der absolute Gefolgschaft einfordert“. „Die radikale Ideologie, die unser Land angreift, rückt unter dem Banner der sozialen Gerechtigkeit vor. Aber in Wahrheit würde sie sowohl die Gerechtigkeit als auch die Gesellschaft zerstören“, sagte Trump.

Alte Vorwürfe in konzentrierter Form

„Wütende Mobs“ versuchten, Statuen der Gründerväter der USA zu Fall zu bringen. Das amerikanische Volk sei aber nicht „weich und unterwürfig“, sondern stark und stolz und werde nicht zulassen, dass dem Land seine Werte, Geschichte und Kultur genommen würden.

Trump machte in seiner Rede keinen Unterschied zwischen friedlichen Demonstranten und Unruhestiftern. Viele seiner Anschuldigungen waren nicht neu. Am Mount Rushmore ließ er sie aber in geballter Form los und zeichnete das Bild eines Feindes im Inneren.