Ennio Morricone
APA/AFP/Leon Neal
1928–2020

Ennio Morricone schrieb Todesanzeige selbst

Der italienische Filmkomponist Ennio Morricone, der am Montag in Rom im Alter von 91 Jahren gestorben ist, hatte für sich selber eine Todesanzeige geschrieben, die am Dienstag in den wichtigsten Tageszeitungen Italiens geschaltet wird. Darin bittet er um eine Trauerzeremonie in privater Form.

Morricone, der als introvertierter Mensch galt, schrieb in seiner Traueranzeige „Ich will nicht stören“. Die restlichen Zeilen sind versöhnlich: „Ich, Ennio Morricone, bin gestorben. Das kündige ich allen Freunden an, die mir stets nahegestanden sind, und auch jenen, die ferner sind und die ich mit großer Liebe grüße. Es ist unmöglich, alle zu nennen“, so der Maestro.

Ausdrücklich nannte Morricone seine drei Schwestern und ihre Angehörigen, sowie seine Kinder und Enkelkinder. „Ich hoffe, dass sie begreifen, wie sehr ich sie geliebt habe“, so Morricone. Sein letzter Gedanke galt seiner Frau Maria. „Ich beteuere ihr meine außerordentliche Liebe, die uns zusammengehalten hat und die ich schweren Herzens verlasse. Ihr gilt mein schmerzhaftester Abschied“, so der Komponist.

„Bis zum Schluss anwesend“

Der Künstler komponierte in seiner Karriere über 500 Filmmusiken für Kino und Fernsehen und wurde mit zwei Oscars prämiert. Wie Morricones Anwalt und Freund Giorgio Assumma in einer Pressemitteilung berichtete, starb der Maestro Montagfrüh in einer Klinik in Rom, wo er nach einem Sturz wegen eines Oberschenkelbruchs behandelt worden war. „Der Maestro war bis zum Schluss anwesend und voller Würde“, teilte Assumma mit.

Ennio Morricone
AP/Michael Sohn
Morricone komponierte bis zuletzt. Bekannt wurde er durch seine Filmmusik.

Ein letztes Werk für Genua

Das letzte Stück, das Morricone schuf, ist eine Hommage an die Todesopfer der im August 2018 eingestürzten Morandi-Brücke in Genua. Das Werk für Orchester und Chor hatte der 91-jährige Morricone für ein Konzert komponiert, das am Tag vor der Einweihung der neu errichteten Brücke im Theater Carlo Felice in Genua geplant ist.

Morricone hatte positiv auf eine Bitte des Intendanten des Theaters von Genua, Claudio Orazi, reagiert, ein Stück für die 43 Todesopfer des Brückeneinsturzes zu schreiben. „Das vier Minuten lange Stück mit dem Titel ‚Viele Steine als Erinnerung‘ ist extrem bewegend und ist das letzte Werk, das Morricone vor seinem Tod vollendete“, teilte das Theater in Genua am Montag mit.

Die vom Stararchitekten Renzo Piano entworfene neue Brücke in Genua soll Ende Juli fertig sein. Wenn alles gutgehe, seien die Bauarbeiten am 29. Juli abgeschlossen, sagte der Bürgermeister von Genua, Marco Bucci, kürzlich.

Zahlreiche Klassiker komponiert

Der legendäre Komponist war noch bis zu seinem 90. Geburtstag aktiv und startete eine Tournee unter dem Motto „Farewell Tour“. „Meine Werke ein letztes Mal live für Menschen verschiedener Generationen und unterschiedlicher Herkunft aufzuführen ist toll“, sagte Morricone damals.

Der Dirigent komponierte in den letzten Jahrzehnten die Musik für mehr als 500 Filme, darunter für viele Klassiker wie Brian De Palmas „The Untouchables – Die Unbestechlichen“ und Sergio Leones „Spiel mir das Lied vom Tod“ und „Für eine Handvoll Dollar“. Für seine Leistungen wurde Morricone bereits dutzendfach geehrt. Viele seiner Soundtracks sind weltweit bekannt – allen voran die Mundharmonikamelodie aus dem Western-Klassiker „Spiel mir das Lied vom Tod“ aus dem Jahr 1969.

Ennio Morricone ist tot

Der italienische Komponist und Dirigent Ennio Morricone ist in einer römischen Klinik an den Folgen eines Sturzes gestorben. Er komponierte die Filmmusik von mehr als 500 Filmen, darunter auch für den Welterfolg „Spiel mir das Lied vom Tod“ von Regisseur Sergio Leone.

„Man muss in den Pausen suchen“

Der sizilianische Regisseur Giuseppe Tornatore, mit dem Morricone mehrmals zusammenarbeitete, widmete Morricone ein Buch mit dem Titel „Ennio, un maestro“, das anlässlich des 90. Geburtstags des Komponisten erschien. „Wenn man zum Herzen meiner Musik gelangen will, muss man in den Pausen, in der Stille suchen. Denn Stille ist Musik, so viel wie die Klänge und vielleicht noch mehr“, sagte Morricone, der Giganten wie Bach und Strawinski als Vorbilder nannte.

Sendungshinweis

Am Dienstag ist in ORF1 um 23.50 Uhr der Streifen „Für eine Handvoll Dollar“ zu sehen.

Millionen Menschen kennen die Melodien Morricones, bringen sie oft aber nicht sofort mit seinem Namen in Verbindung. Der introvertierte Italiener blieb lieber im Hintergrund, Glamour war ihm fremd. Lange Zeit komponierte er unter zwei Pseudonymen. Preise waren ihm eher egal. „Erfolg kann schon befriedigend sein, aber die Musik muss stets pur und korrekt sein, niemals bloß ein Vehikel, um anerkannt zu werden“, schrieb er in seinem Erinnerungsbuch „Life Notes“ („La musica e oltre“).

In musikalischer Familie aufgewachsen

Geboren wurde Morricone im römischen Stadtteil Trastevere in einer musikbegeisterten Familie mit vier Geschwistern. Sein Vater war Trompeter, auch Morricone interessierte sich schon als Kind für die Musik und begann im Alter von sechs Jahren zu komponieren. 1938 schrieben ihn seine Eltern am Konservatorium in Rom ein, wo er Diplome in Komposition und Trompete erwarb und danach zunächst in Orchestern spielte.

Von 1964 an arbeitete Morricone gemeinsam mit seinem ehemaligen Schulfreund, dem Regisseur Sergio Leone, für dessen Filme „Für eine Handvoll Dollar“ (1964), „Zwei glorreiche Halunken“ (1966) und „Spiel mir das Lied vom Tod“ (1968), sowie mit Bernardo Bertolucci.

Für Bertolucci komponierte er unter anderem die Filmmusik zu dessen fünfstündigem Monumentalfilm „1900“ (1976). Leone betonte immer wieder die Wichtigkeit von Morricones Musik für seine Filme, da dieser Dinge auszudrücken vermochte, die sonst in Bildern hätten dargestellt werden müssen.

Spät mit Oscar ausgezeichnet

In manchen Jahren komponierte Morricone über 20 Filmmusiken und nebenbei noch Titel für das Fernsehen und klassische Stücke. Im Laufe seiner langen Karriere arbeitete er mit den größten Regisseuren zusammen, darunter Federico Fellini und Pier Paolo Pasolini, Pedro Almodovar, Bernardo Bertolucci, Brian De Palma und Oliver Stone.

Auch für Roman Polanski, Margarethe von Trotta und Wolfgang Petersen komponierte er. 2007 erlebte Morricone mit dem Oscar für sein Lebenswerk die Krönung seiner Karriere, nachdem er zuvor die Hoffnung auf die begehrte Trophäe fast schon aufgegeben hatte.

Fünfmal war er nominiert worden, aber leer ausgegangen. 2016 erhielt er dann im Alter von 87 Jahren den ersten Oscar für seine Filmmusik zu Quentin Tarantinos Western „The Hateful Eight“. Davor hatte Morricone allerdings bereits 70 Millionen Tonträger verkauft und etliche Preise, darunter vier Golden Globes und drei Grammy Awards gewonnen.

Trotz seiner internationalen Erfolge war der grauhaarige Italiener mit der Hornbrille immer auf seine Privatsphäre bedacht. Morricone war seit 1956 mit Maria Travia verheiratet, gemeinsam hat das Paar drei Söhne und eine Tochter. Einer der Söhne arbeitet ebenfalls als Komponist.

„Bedeutender und genialer Künstler“

Der italienische Staatspräsident Sergio Matarella bezeichnete Morricone gegenüber „La Repubblica“ als „bedeutenden und genialen Künstler“. Der „gleichzeitig populäre und raffinierte Musiker“ habe „die Musikgeschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts tief geprägt“ und „durch seine Filmmusik wesentlich zur Verbreitung des Ansehens Italiens in der Welt beigetragen“, so das Staatsoberhaupt weiter.

Ministerpräsident Giuseppe Conte verabschiedete sich auf Twitter mit „unendlicher Dankbarkeit“ vom „Maestro“, Kulturminister Dario Franceschini sprach von einem „traurigen Tag für die italienische Kultur“. Franceschini betonte: „Wir verlieren einen der größten italienischen Komponisten, einen Musiker von besonderem Können, der mit seinen Melodien die ganze Welt hat träumen lassen.“

Morricones Filmmusik bezeichnete der Minister als „legendär“. „Ich hatte das Glück, Morricone kennenzulernen. Ich werde nie seine Energie und seine Kraft vergessen, die er auch mit nur einem Blick vermitteln konnte. Ich bin der Familie an diesem traurigen Tag nahe“, so der Kulturminister. „Adieu, Maestro, und danke für die Gefühle, die Du uns geschenkt hast“, schrieb Italiens Gesundheitsminister Roberto Speranza auf Twitter.

„Außergewöhnlicher Musiker“

Beileidsbekundungen kamen auch von Kollegen. Der Dirigent Riccardo Muti verabschiedete mit Morricone „einen außergewöhnlichen Musiker, nicht nur im Bereich der Filmmusik, sondern auch als Komponist klassischer Musik“.

Der Journalist und Anti-Mafia-Aktivist Roberto Savianio schrieb auf Instagram, Morricone sei „das Genie gewesen“, das „mit Noten die Epik der Moderne erschaffen“ habe.