Die Ursprünge der Wunderkammer liegen in den Studierzimmern der Herrscher während der italienischen Renaissance. Das „studiolo“ diente dabei als „Aushängeschild der geistigen Ambitionen des Landesfürsten“, der sich dort eingehend „mit historischen, künstlerischen und philosophischen Fragen“ beschäftigte, wie Antonio Paolucci, ehemaliger italienischer Kulturminister und später Direktor der Vatikanischen Museen, in seinem einleitenden Essay schreibt.
So versammelte Francesco de Medici in seinem florentinischen Studierzimmer des 16. Jahrhunderts Bronzefiguren, Malereien, Perlen, Korallen, Muscheln und Bergkristalle ganz selbstverständlich nebeneinander. Alle diese Objekte waren für die Renaissancefürsten genauso Ausdruck der Vielfältigkeit der Schöpfung wie Möglichkeit zur Zurschaustellung der eigenen Macht und des eigenen Reichtums.
„Enzyklopädischer Wissenshunger“
Die Wunderkammern wurden zu den ersten Sammlungen mit Erkenntnisanspruch, mit „enzyklopädischem Wissenshunger“ ging der Wunsch einher, „über die Systematisierung empirischer Dinge zur Erkenntnis der Ordnungsprinzipien der Welt und der Geschichte vorzudringen“, so Paolucci. Angelegt waren diese Vorläufer der Museumsidee als Universalsammlungen, von der Reliquie über Gemälde und archäologische Funde bis hin zu Gesteinen fand sich alles Erdenkliche darin.
Die heute noch existierenden Wunderkammern führen uns zurück in andere Zeiten, hin zur Geburtsstunde der modernen Naturwissenschaften, deren ausgefeilte Klassifizierungen die wilde Zusammenstellung der barocken Sammlungen hintertreibt. Was war das für eine Zeit, in der Caravaggios Medusenhaupt ganz selbstverständlich in der Rüstkammer der Medicis aufgestellt wurde und ausgestopfte Tiere neben Sanduhren gestellt wurden?
Auf den Spuren der Wunderkammern
Der 1953 in Florenz geborene Listri ist einer der renommiertesten Kunst- und Architekturfotografen Italiens. In dreißig Jahren hat er mehr als 70 Bände bei den bekanntesten Verlagen in Europa und den USA veröffentlicht. Und er war Mitbegründer des internationalen Kunstmagazins „FMR“.
Für „Das Buch der Wunderkammern“ hat Listri 19 Sammlungen in sieben europäischen Ländern besucht, um sie abzulichten. Neben bekannten Wunderkammern, wie der Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums Wien oder dem Grünen Gewölbe der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, hat er auch kleine und abstruse Sammlungen besucht.
Das Skelett mit zwei Wirbelsäulen
Mit seinem grandiosen Gespür für Räume und brillant komponierten Detailaufnahmen führt er die Leserschaft beispielsweise in das Londoner Malplaquet House, wo neben Totenschädeln und Glasperlenketten das Riesenei eines Moas, einer Vogelart ohne Flügel aus Neuseeland, die um 1600 ausgestorben ist, zu sehen ist.
Oder in das Museo Storico Nazionale dell’Arte Sanitaria in Rom, wo es neben anatomischen Präparaten, wie einem Skelett mit zwei Wirbelsäulen und Köpfen, einen originalgetreuen Nachbau einer Apotheke aus dem 17. Jahrhundert zu sehen gibt. Das „Buch der Wunderkammern“ ist eine Bilder- und Bildungsreise zu den Anfängen der Moderne.