Der oberste US-Virologe und Präsidentenberater Anthony Fauci
Reuters/Al Drago
US-Chefvirologe

Weißes Haus macht Stimmung gegen Fauci

In den USA gilt der renommierte Virologe Anthony Fauci neben Präsident Donald Trump als die wohl zentralste Figur in der Coronavirus-Krise. Während Letzterer die Pandemie zu beschönigen versucht, tritt Ersterer überwiegend als Mahner auf. Im Weißen Haus geriet Fauci dadurch zuletzt aber immer mehr ins Abseits.

So berichteten mehrere US-Medien, darunter CNN und die „Washington Post“, am Wochenende etwa von Statements eines anonymen Trump-Beraters, worin es heißt: „Mehrere Mitarbeiter des Weißen Hauses sind wegen der Anzahl der Fehler, die Dr. Fauci gemacht hat, besorgt.“ Der Erklärung fügt der Mitarbeiter noch eine Liste von Aussagen Faucis zur Coronavirus-Pandemie bei, die falsch gewesen seien.

In der Liste, die CNN zufolge einer Recherche über einen politischen Kontrahenten gleiche, wird etwa aufgeführt, dass der Leiter des Nationalen Instituts für Allergien und Infektionskrankheiten (NIAID) zu Beginn der Krise die Gefahr des Virus heruntergespielt habe – unter anderem mit jenem Zitat Ende Februar: „Im Moment muss man nichts an dem, was man tagtäglich tut, ändern.“

Kritik an früheren Einschätzungen zu Masken und Risiko

Eine Warnung, die Fauci unmittelbar im Anschluss an das Zitat aussprach, habe sich in der Auflistung nicht wiedergefunden, merkte die „New York Times“ an. „Momentan ist das Risiko noch gering, aber das könnte sich ändern“, so Fauci gegenüber dem TV-Sender NBC News. Bei einer etwaigen Ausbreitung in der Bevölkerung müsste man aber vorsichtiger sein, um sich vor einer Infektion zu schützen, so der Virologe weiter.

Angeführt wird auch ein Zitat vom März – damals sprach sich der 79-Jährige gegen das Tragen von Masken aus. Inzwischen ist er aber von deren Nutzen überzeugt. Dass er damals – wie auch andere Regierungen und Fachleute rund um die Welt – davon abgeraten hatte, erklärte er damit, dass er diese für medizinisches Personal sichern wollte. Immer wieder betonte Fauci auch, dass sich das Wissen über das neuartige Virus weiterentwickeln werde und sich damit auch die Empfehlungen verändern könnten.

Die Koordinatorin der Corona-Arbeitsgruppe des Weißen Hauses, Deborah Birx, US-Präsident Donald Trump und der oberste US-Virologe und Präsidentenberater Anthony Fauci
Reuters/Kevin Lamarque
„Fauci ist ein netter Mann, aber er hat viele Fehler gemacht“, sagte Trump zuletzt in einem Interview

Fauci – Trump: Spannungen zuletzt erhöht

Die Spannungen zwischen Trump und dem Virusexperten, der bereits unter sechs Präsidenten tätig war, nahmen zuletzt stark zu. Die täglichen Pressekonferenzen zum Coronavirus, bei denen Fauci an der Seite Trumps auftrat, finden schon lange nicht mehr statt. Der Chefvirologe habe eigenen Angaben zufolge auch kaum mehr Zugang zu Trump, zuletzt hatte er diesen Anfang Juni über die aktuelle Lage informiert. Berichten zufolge untersagt das Weiße Haus dem Mediziner nun auch TV-Interviews.

In einem Interview mit der britischen „Financial Times“ vermutete Fauci, dass es möglich sei, dass er wegen seiner Ehrlichkeit „gerade nicht mehr so oft“ im Fernsehen zu sehen sei. Die beiden vertreten immerhin unterschiedliche Herangehensweisen: Während Trump auf eine möglichst baldige Rückkehr zur Normalität pocht, warnte Fauci zuletzt wiederholt vor einer vorschnellen Öffnung des Landes.

Trump über Fauci: „Viele Fehler gemacht“

Generell scheinen die beiden aktuell nur noch über Interviews miteinander zu kommunizieren. „Als Land, wenn man uns mit anderen Ländern vergleicht, dann glaube ich nicht, dass man sagen kann, dass wir es großartig handhaben. Ich meine, das tun wir einfach nicht“, sagte der Experte in einem Interview. Dass die USA täglich derart hohe Anstiege bei den Neuinfektionen verzeichnen, führte er auch auf die Zerstrittenheit der amerikanischen Politik zurück: „Ich denke, man muss davon ausgehen, dass es ohne eine solche Spaltung einen koordinierteren Ansatz gäbe.“

Trump kritisierte am Donnerstagabend Fauci, der auch der Coronavirus-Arbeitsgruppe des Weißen Hauses angehört. „Fauci ist ein netter Mann, aber er hat viele Fehler gemacht“, sagte er im Interview mit einem seiner Lieblingsfernsehmoderatoren, Sean Hannity, auf dem Sender Fox. Die Experten hätten bei vielen Dingen Fehler gemacht. In jüngsten Interviews zeigte sich Trump zu Empfehlungen Faucis zu Beginn der Krise skeptisch. Über besorgte Aussagen des Virologen sagte Trump vergangene Woche auch: „Ich denke, dass die Situation gut ist. Ich stimme nicht mit ihm überein.“

Schiff: „Einfach scheußlich“

Gegenüber CNN meinte ein Mitarbeiter der Trump-Administration, dass manche Mitarbeiter Fauci misstrauen würden. Diese seien überzeugt, dass er aufgrund seiner kritischen Interviews nicht im besten Interesse des Präsidenten handeln würde. Andere sagten wiederum, dass sie – obwohl sie nicht mit Faucis Methoden übereinstimmten – keine Zweifel an seinem Motiv hätten und dass sein einziges Anliegen die öffentliche Gesundheit sei.

Der Demokrat Adam Schiff bezeichnete das Vorgehen der Trump-Administration gegenüber Fauci als „einfach scheußlich“. Trump würde es nicht aushalten, dass die amerikanische Bevölkerung Fauci vertraue und ihm nicht, und daher müsse er ihn niederreißen, so Schiff zudem. In einer von der „New York Times“ in Auftrag gegebenen Umfrage vom Juni gaben 67 Prozent der Befragten an, Fauci für glaubwürdig zu halten. Trump hielten hingegen nur 26 Prozent für glaubwürdig. Die ehemalige demokratische Gesundheitsministerin Kathleen Sebelius bezeichnete die Diskreditierungsbemühungen gegenüber Fauci und anderen Fachleuten als „möglicherweise sehr, sehr gefährlich“.

Trump verbreitet Vorwurf gegen Gesundheitsbehörde

Die Sprecherin des Weißen Hauses, Kayleigh McEnany, ging am Montag auf das Verhältnis der Regierung zum Immunologen ein. McEnany sagte, Fauci sei Mitglied eines Teams und repräsentiere einen von mehreren Standpunkten mit Blick auf die Coronavirus-Pandemie.

Trump verbreitete unterdessen auf Twitter einen pauschalen Vorwurf unter anderem gegen die US-Gesundheitsbehörde CDC weiter. Die „ungeheuerlichsten Lügen“ seien die, die über die Erkrankung Covid-19 verbreitet würden, schrieb der Moderator Chuck Woolery am Sonntag auf Twitter. Trump teilte den Tweet am Montag auf seinem Profil. „Alle lügen. Die CDC, Medien, Demokraten, unsere Ärzte, nicht alle, aber die meisten, denen wir vertrauen sollen. Ich glaube, es geht nur um die Wahl und darum, die Wirtschaft davon abzuhalten, sich zu erholen, wobei es um die Wahl geht. Ich habe es satt.“

Neuinfektionen zuletzt auf hohem Niveau

Seit Tagen befinden sich die täglich nachgewiesenen Neuinfektionen auf hohem Niveau – die Johns-Hopkins-Universität verzeichnete für Sonntag rund 59.000 neue Fälle. Trump drängt seit Monaten auf eine umfassende Wiederöffnung der Wirtschaft. Kritikerinnen und Kritiker werfen ihm seit Beginn der Zuspitzung der Krise in den USA vor, die Tragweite des Coronavirus herunterzuspielen.