Mattersburger Commerzialbank
APA/Robert Jaeger
Aus für Commerzialbank

Bilanzskandal erschüttert das Burgenland

Die Finanzmarktaufsicht (FMA) hat in der Nacht auf Mittwoch den Fortbetrieb der burgenländischen Commerzialbank Mattersburg im Burgenland AG untersagt. Die Bank steht nun vor der Liquidation. „An einen Fortbestand ist in keinster Weise zu denken. Die Bank ist zu liquidieren“, betonte der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ).

Wie hoch der Schaden tatsächlich ist, war am Mittwoch noch nicht absehbar. Laut FMA sei die Lage „dramatisch“, so Doskozil. Bisher wurden zwei größere Unternehmen bekannt, die voraussichtlich Millioneneinbußen zu verzeichnen haben. Die Energie Burgenland veranlagte rund fünf Millionen Euro bei der Commerzialbank.

Die börsennotierte Wiener Technologiefirma Frequentis zählte bisher zu den größten Kunden der Bank. Das Unternehmen bangt nun um 31 Millionen Euro. Man prüfe nun die Auswirkungen. Es habe aber keinen Einfluss auf das operative Geschäft, so Frequentis. Der heimische Konzertveranstalter Barracuda zittert um Einlagen in Höhe von rund 34 Mio. Euro.

Burgenländischer Landeshauptmann Hans Peter Doskozil
APA/Robert Jaeger
Die Situation sei laut FMA „dramatisch“, sagte Landeshauptmann Doskozil zum Commerzialbank-Skandal

Einlagen bis 100.000 Euro gesichert

Sparguthaben bis zu 100.000 Euro sind gesichert. In der Bank liegen mehr als 400 Millionen Euro an gedeckten Einlagen. Die Einlagensicherung – samt Zinsen bis 100.000 Euro pro Einleger und Bank – ist bereits aktiv. Denn mit dem Zahlungsstopp der FMA sind keine weiteren Einzahlungen, Abhebungen und Überweisungen mehr möglich. Bisherige Kunden und Kundinnen müssen jedenfalls bei anderen Banken neue Konten eröffnen.

Den rund 1.800 Pensionisten und Pensionistinnen, die bei der Bank ihr Konto führen, wird von der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) geholfen. Sie kündigte an, Betroffenen ihre Pensionen vorübergehend bar auszuzahlen.

Die Bank liegt nun in den Händen eines Regierungskommissärs, dem Wirtschaftsprüfer Bernhard Mechtler. Es wurde zudem eine Hotline in der Landesregierung wie auch in der Wirtschaft Burgenland für Betroffene eingerichtet – mehr dazu in burgenland.ORF.at.

Doskozil rechnet aber damit, dass viele Unternehmen und Privatpersonen „höchstwahrscheinlich am Ende des Tages sehr viel Geld verlieren“. Ein Jurist soll kostenlose Rechtsberatung anbieten. Das Land Burgenland ist laut Doskozil nicht betroffen. Es habe keine Geschäftsbeziehung zu der Mattersburg-Bank gegeben. Die Bank hatte Filialen in insgesamt neun Gemeinden mit über 50 Beschäftigten.

Unregelmäßigkeiten bei Prüfung entdeckt

Die Unregelmäßigkeiten wurden bei einer Vorortprüfung von Bankprüfern bekannt. Die Bilanzen der Bank sollen über Jahre frisiert und vom Wirtschaftsprüfer vermutlich falsch testiert worden sein: „Wir haben den Geschäftsleiter der Bank (Anm. Martin Pucher) damit konfrontiert und er hat bestätigt, dass einige Positionen nicht werthaltig seien – er hat dann festgestellt, dass er keine weiteren Aussagen dazu machen will, weil er das vorher mit seinem Anwalt besprechen muss“, so FMA-Sprecher Klaus Grubelnik – mehr dazu in burgenland.ORF.at.

Martin Pucher
GEPA/Christopher Kelemen
Pucher leitete seit 25 Jahren die Mattersburger Commerzialbank

Die TPA Wirtschaftsprüfung GmbH, die die Jahresabschlüsse der Bank in den Jahren 2006 bis 2018 geprüft hatte, sah sich am Mittwoch als Opfer einer „umfangreichen und komplexen Täuschung“ durch das Bankmanagement. „Es wurde das Vertrauen der Prüfer in die Korrektheit der zur Verfügung gestellten Unterlagen offensichtlich missbraucht, die Ermittlungen dazu laufen bereits und werden voraussichtlich in den kommenden Tagen durch die Behörden veröffentlicht“, so die Wirtschaftsprüfer. Man habe die Prüfung der Commerzialbank Mattersburg „stets korrekt und unter Einhaltung aller gesetzlichen und berufsrechtlichen Bestimmungen sowie fachgerecht“ in den Jahren 2006 bis 2018 (letztes Testat) durchgeführt.

Verdacht auf „Fantasiekredite“

Der Bestätigungsvermerk des Jahresabschlusses der Commerzialbank Mattersburg für das Geschäftsjahr 2019 wurde laut TPA Wirtschaftsprüfung nicht erteilt, weil die Übergabe von prüfungsrelevanten Unterlagen seitens der Bank nur schleppend oder gar nicht erfolgte. Daher habe seit Monaten die aktuelle Prüfungstätigkeit geruht.

Bankchef Pucher legte schon am Dienstag seinen Job zurück. Es soll auch eine Selbstanzeige geben. Es bestehe der Verdacht, dass „Fantasiekredite erfunden“ wurden, sagte Doskozil, der sich auch persönlich „zutiefst enttäuscht“ über den bisherigen Direktor der Regionalbank zeigte. Die Mattersburg-Bank, zuvor Raiffeisenbank Schattendorf, hatte sich nach einem Streit über die Geschäftsausrichtung Mitte der 90er Jahre aus dem Raiffeisen-Sektor verabschiedet.

Justiz am Zug

Pucher ließ über seine Anwälte ausrichten, dass er an einer umfassenden und lückenlosen Aufklärung gegenüber den untersuchenden Behörden interessiert sei. Nicht nur bei der Bank, sondern auch in seiner Funktion beim Fußballclub SV Mattersburg werde Pucher eine geordnete Übergabe sicherstellen.

Dort war Pucher bisher Clubchef. Die Commerzialbank war Hauptsponsor des SV Mattersburg. Unter dem 64-Jährigen spielt der Verein seit 2003 in der Bundesliga – mit Ausnahme der Jahre 2013 bis 2015. 2005 bis 2009 war Pucher auch Präsident der österreichischen Bundesliga. Das Budget des SV Mattersburg lag bei 6,5 Millionen Euro.

Nun ist jedenfalls die Justiz am Zug. Ein Sprecher der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) bestätigte am Mittwoch die Anzeige durch die FMA. Der Verdacht besteht laut bisherigem Kenntnisstand auf Bilanzfälschung und Untreue. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

„Schock für alle Betroffenen“

Große Empörung herrschte am Mittwoch auch in der burgenländischen Landespolitik. FPÖ-Wirtschaftssprecher Alexander Petschnig zeigte sich „erschüttert“. Die Commerzialbank habe sich als Investor in der Bezirkshauptstadt Mattersburg und beim SV Mattersburg eine „wichtige Stellung im regionalen Wirtschafts- und Geschäftsleben“ erarbeitet.

Petschnig: „Ich kann es nicht glauben, dass all das auf Sand gebaut und – sollten sich die Vorwürfe erhärten – nur durch unlautere Geschäftspraktiken möglich gewesen sein soll.“ ÖVP-Landesparteiobmann Christian Sagartz sprach von einem „Schock für alle Betroffenen“. Er forderte volle Aufklärung sowie Sicherheit und eine Perspektive für die Betroffenen.