Donald Trump
AP/Evan Vucci
Nicht nur bei Masken

Trump vollzieht CoV-Kehrtwende

US-Präsident Donald Trump hat seinen Kurs in der Coronavirus-Krise offenbar geändert. Am Dienstag hielt er das erste Pressebriefing zu dem Thema seit Monaten ab – und warnte darin vor einer Verschlimmerung der Pandemie. Trump rief auch zum Tragen von Masken auf. Die Lage in den USA spitzt sich unterdessen weiter zu.

„Es wird wahrscheinlich leider schlimmer werden, bevor es besser wird“, sagte Trump bei der Pressekonferenz im Weißen Haus. „Ich sage das nicht gerne über Dinge, aber so ist es.“ Es war Trumps erste Pressekonferenz seit April – bei seinen täglichen Auftritten damals sagte der US-Präsident etwa, dass man die Injektion von Desinfektionsmitteln prüfen solle – eine Aussage, die für Entsetzen und Spott in der US-Politik sorgte. Jetzt schlug Trump aber gänzlich andere Töne an.

Trump ermunterte die Amerikanerinnen und Amerikaner zum Tragen von Schutzmasken, wenn kein Abstand gehalten werden kann: „Ob Sie die Masken mögen oder nicht, sie haben eine Wirkung, sie werden einen Effekt haben, und wir brauchen alles, was wir kriegen können.“ Kritiker werfen Trump vor, in der Pandemie ein schlechtes Vorbild abzugeben, weil er so gut wie nie öffentlich mit Maske auftritt. Um zu unterstreichen, dass er kein Problem mit Masken habe, holte Trump bei der Pressekonferenz einen Mund-Nasen-Schutz hervor. „Ich habe die Maske hier“, sagte er. Beim Vorstellen von Richtlinien der Gesundheitsbehörde CDC im April hatte Trump noch deutlich gemacht, dass er trotz Empfehlung selbst keine Maske tragen werde.

„Große Flammen“

Die USA erleben in der Pandemie derzeit eine dramatische Zuspitzung. Trump gestand das ein und sagte: „In den letzten Wochen haben wir einen besorgniserregenden Anstieg an Fällen in vielen Teilen unseres Südens, Südwestens und Westens gesehen.“ Die Behörden meldeten in den vergangenen zwei Wochen zwischen 60.000 und 77.000 Neuinfektionen pro Tag sowie Hunderte Todesfälle. Besonders betroffen sind die Bundesstaaten Florida, Georgia, Texas, Arizona und Kalifornien.

Donald Trump
AP/Evan Vucci
Mit Abstand und Maske hielt Trump sein erstes Coronavirus-Pressebriefing seit Monaten

Trump erklärte die Vielzahl an neuen Fällen bisher stets mit der Vielzahl an Tests, die mittlerweile durchgeführt werden, und verglich die Ausbrüche mit „Glutherden“ und „Flammen“. Am Dienstag sprach er von „großen Flammen“.

Trump sagte, er arbeite bei der Bekämpfung der Pandemie Hand in Hand mit den Gouverneuren und versprach ihnen hundertprozentige Unterstützung. „Alles, was sie brauchen, kriegen sie.“ Wegen des Umgangs mit der Pandemie gab es zuletzt immer wieder Verstimmungen zwischen der Regierung in Washington und Gouverneuren einiger Bundesstaaten.

Trump sieht Verantwortung nicht ausschließlich bei sich

Auch aus den Reihen von Trumps Republikanern war zuletzt Kritik laut geworden: Der Gouverneur des Bundesstaats Maryland, Larry Hogan, warf Trump vergangene Woche vor, nicht schnell genug auf die Bedrohung reagiert und die Gouverneure beim Ausbau von Tests alleingelassen zu haben. Trump machte am Dienstag deutlich – ebenfalls unter Verweis auf die Gouverneure –, dass er die Verantwortung in der Coronavirus-Krise nicht allein bei sich sieht. „Ich denke, wir sind alle verantwortlich.“

Die Wiederaufnahme der Coronavirus-Pressekonferenzen wurde auch als Versuch Trumps gewertet, sinkenden Umfragewerten entgegenzutreten. Dessen Beraterin Kellyanne Conway hatte vergangene Woche gesagt, es sei kein Zufall, dass die Umfragewerte besser gewesen seien, als Trump selbst die Coronavirus-Problematik angesprochen habe. „Die Menschen wollen vom Präsidenten der Vereinigten Staaten hören. Es muss nicht täglich sein, es muss nicht für zwei Stunden sein, aber aus meiner Sicht muss es sein“, sagte sie am Freitag.

Am Dienstag sprach Trump weniger als eine halbe Stunde und ließ vergleichsweise wenige Fragen von Journalisten zu. Er beklagte „jedes einzelne wertvolle Leben, das verloren gegangen ist“ und dankte Ärzten und anderen Ersthelfern in der Krise. „Meine Regierung wird vor nichts zurückschrecken, um Leben zu retten“, versprach Trump. Ziel sei es, die Pandemie nicht nur einzudämmen, „sondern sie loszuwerden“, sagte Trump.

Biden-Kritik an neuem Trump-Kurs

Es klinge „hohl“, wenn Trump behaupte, er habe einen „unermüdlichen Fokus“ auf die Coronavirus-Krise, erklärte der designierte Präsidentschaftskandidat der US-Demokraten, Joe Biden. Trump habe Monate damit zugebracht, den unglaublichen Schaden, den das Virus verursacht hat, abzutun. „Er hat heute Abend sogar wiederholt, dass es einfach ‚verschwinden‘ wird, nachdem es 140.000 Amerikaner getötet und unsere Wirtschaft ins Wanken gebracht hat.“

Mitglieder der Coronavirus-Arbeitsgruppe des Weißen Hauses kamen bei Trumps Pressekonferenz nicht zu Wort. Der Immunologe und Direktor des Nationalen Instituts für Infektionskrankheiten, Anthony Fauci, hatte dem Sender CNN zuvor gesagt, er sei nicht zu der Pressekonferenz eingeladen worden. Am Dienstag schien es aber, als hätte Trump Anleihen bei seinem Berater gemacht. Fauci hatte bereits im April gesagt: „Es wird schlechter werden, bevor es besser wird.“

Aktion erinnert an gestorbene Krankenschwestern

An anderem Ort in der US-Hauptstadt Washington wurde der Krankenschwestern gedacht, die in den USA an der Infektion mit dem Coronavirus gestorben sind. 164 Paar weiße Schuhe wurden am Dienstag von der Berufsvereinigung National Nurses United (NNU) auf eine Rasenfläche vor dem Kapitol gestellt. Jedes Paar symbolisiert einen Todesfall.

Weiße Schuhe vor dem Kapitol in Washington
APA/AFP/Oliver Douliery
Vor dem Kapitol wurde der gestorbenen Krankenpflegerinnen und -pfleger gedacht

Die NNU rief den Senat auf, das derzeit blockierte Riesenprogramm zur Bewältigung der Coronavirus-Krise zu verabschieden. Das Programm mit einem Volumen von drei Billionen Dollar (rund 2,6 Billionen Euro) soll die sozialen und ökonomischen Folgen der Pandemie abmildern. Vorgesehen sind darin auch Hilfen für Beschäftigte des Gesundheitswesens sowie die Finanzierung von Schutzkleidung für Gesundheitspersonal. Das Programm war Mitte Mai vom Repräsentantenhaus auf den Weg gebracht worden, in dem die Demokraten in der Mehrheit sind. Der Senat, in dem die Republikanische Partei dominiert, hat das Vorhaben jedoch blockiert. Derzeit laufen Verhandlungen über einen neuen Gesetzesentwurf.

New York weitet Reisebeschränkungen aus

In New York, wo das Virus relativ erfolgreich bekämpft wurde, wird unterdessen versucht, einen Rückfall in die Pandemie zu verhindern. Neben einem Stopp für die allermeisten Aktivitäten in geschlossenen Räumen weitete Gouverneur Andrew Cuomo am Dienstag (Ortszeit) zudem die Beschränkungen für Reisende aus dem Rest der USA auf insgesamt 31 der 50 Bundesstaaten aus. Gäste aus zehn weiteren Regionen, darunter Alaska, Washington und Virginia müssen künftig bei Ankunft in New York 14 Tage in Quarantäne gehen.

Menschen in einem Cafe in New York
Reuters/Jeenah Moon
In New York haben sich die Zahlen mittlerweile erholt

„Während die Infektionsraten in 41 anderen Staaten steigen, sinken unsere Zahlen stetig“, sagte Cuomo. „Gestern hatten wir die niedrigste Zahl an Todesopfern seit Beginn der Pandemie – und das ohne Todesfälle in New York City“. Auf dem Höhepunkt der Krise starben in dem Bundesstaat an der US-Ostküste pro Tag an die 800 Personen.

Seit Montag befindet sich New York City in der vierten und letzten Phase des bundesstaatlichen Wiedereröffnungsplans. Eigentlich hätten unter anderem Museen und Innenbereiche von Lokalen geöffnet werden sollen, doch genauso wie Shows am Broadway und andere Aktivitäten in Innenräumen bleiben diese Lockerungen vorerst aus. Die Angst vor der zweiten Welle in New York bleibt hoch.