Ratspräsident Michel verteidigt Gipfelbeschlüsse

EU-Ratspräsident Charles Michel hat heute vor dem Europaparlament für die von den Europäischen Staats- und Regierungschefs erzielte Einigung auf einen Wiederaufbauplan zur Bewältigung der Coronavirus-Krise geworben. „Wir haben uns also entschieden, diese europäische Ehe für die nächsten 30 Jahre weiterzuführen“, erklärte er, auch wenn das „vielleicht romantisch“ klinge.

Mit der Willensbekundung werde den europäischen Bürgerinnen und Bürgern „ein Zeichen des Vertrauens und der Solidarität“ gesendet. „Wir sagen der Welt: Europa ist präsent, Europa ist gefestigt, Europa ist hier“, so Michel.

Für den EU-Ratspräsidenten handelt es sich um einen historischen Zeitpunkt: Zum ersten Mal in der Geschichte verschuldeten sich die EU-Länder gemeinsam, und das EU-Budget werde an die Klimaziele und die Rechtsstaatlichkeit gebunden. Um die Einigung auf einen 750 Millionen Euro schweren Wiederaufbauplan und den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen der EU in der Höhe von 1.074 Milliarden Euro für die Jahre 2021 bis 2027 zu erzielen, hatten die 27 Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union fast vier Tage lang verhandelt.

Von der Leyen: „Bittere Pille“

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen zeigte indes Verständnis für die Kritik des EU-Parlaments. Die Einigung der Staats- und Regierungschefs sei „eine bittere Pille“, sagte von der Leyen im Brüsseler Parlament. Der Kompromiss enthalte einige „schmerzhafte und bedauerliche Entscheidungen“, etwa bei der Ausstattung von geplanten Gesundheits- und Forschungsprogrammen der EU.

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) distanzierte sich bei einer Onlinediskussion mit dem Vizepräsidenten der EU-Kommission, Frans Timmermans, unterdessen von der Verhandlungslinie von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Er hätte das ursprüngliche „Mischungsverhältnis von Zuschüssen und Krediten so belassen“, so Kogler auf die Frage, was er beim Gipfel anders gemacht hätte. Die Nettozahler-Allianz von Österreich, den Niederlanden, Schweden, Dänemark und Finnland setzte eine Reduktion der Zuschüsse auf 390 Milliarden Euro durch. 360 Milliarden Euro kommen als Kredite hinzu.

Europaparlament unterbrach Sommerpause

Für das Europaparlament gehen die Maßnahmen noch nicht weit genug. Das europäische Abgeordnetenhaus unterbrach heute seine Sommerpause, um ein Sonderplenum zu dem milliardenschweren Konjunkturpaket abzuhalten.

Laut einem Resolutionsentwurf will das EU-Parlament die beim EU-Gipfel erzielte Einigung auf das nächste mehrjährige EU-Budget und einen schuldenfinanzierten Coronavirus-Aufbaufonds ablehnen und Nachbesserungen fordern. Dieser wird von der Europäische Volkspartei (EVP), den Sozialdemokraten, der liberalen Fraktion Renew Europa, den Grünen und Linken mitgetragen.