Britische Touristen bei ihrer Rückreise aus Spanien
Reuters/Borja Suarez
„Harter Schlag“

Quarantänepflicht für Briten trifft Spanien

Angesichts der steigenden Infektionszahlen in Spanien hat die britische Regierung eine Quarantänepflicht für Rückreisende eingeführt. Die überraschende und binnen weniger Stunden in Kraft gesetzte Maßnahme trifft nicht nur die vielfach überrumpelten Touristen – auch Spanien wurde kalt erwischt. Während sich der Tourismus sorgt, betont Spaniens Außenministerin, das Land sei sicher.

„Spanien ist für Spanier und Touristen sicher“, wurde Arancha Gonzalez Laya in der BBC zitiert. Die neu aufgetreten Infektionscluster seien isoliert und unter „absoluter Kontrolle“. Ohnehin habe man nach der Aufhebung der meisten Restriktionen steigende Zahlen erwarten müssen, so die Ministerin.

Zudem verwies sie darauf, dass die kanarischen und balearischen Inseln keine steigenden Infektionszahlen verzeichneten, es handle sich um „sehr sichere Gebiete“. Die Behörden seien bemüht, die britische Regierung zu überzeugen, sie von den neuen Quarantänebestimmungen auszunehmen, sagte die Ministerin.

„Sehr schlechte Nachricht“

Die Briten stellten im vergangenen Jahr mehr als 20 Prozent der ausländischen Besucher in Spanien, die größte Gruppe nach Nationalität. Der Bürgermeister vom Ferienort Benidorm an der Costa Blanca, Antonio Perez, sah einen „harten Schlag“. Der Vizepräsident Andalusiens, Juan Marin, sprach von einer „sehr schlechten Nachricht“, insbesondere für die Costa del Sol, an der viele britische Touristen ihren Urlaub verbringen.

Die Regierung in London hatte die Quarantänepflicht am späten Samstagabend für alle Reisenden aus Spanien angekündigt – seit der Nacht von Samstag auf Sonntag ist sie in Kraft. „Es ist wirklich schlimm, denn es ist ganz plötzlich gekommen, es hat nicht viel Zeit zur Vorbereitung gegeben, sodass jetzt alle in Panik geraten“, sagte Emily Harrison aus Essex, die auf dem Madrider Flughafen Barajas einen Flug nach London nahm.

Ihr steht nun eine zweiwöchige Selbstisolation bevor. „Das ruiniert die Pläne für alle“, sagte Harrison. „Wir waren auf eine Hochzeit eingeladen und wir hatten vor, Freunde und Familie zu besuchen, die wir schon sehr lange nicht mehr gesehen haben, und jetzt müssen wir all diese Pläne absagen, es ist wirklich ärgerlich.“

„So schnell wir konnten“

Auch Verkehrsminister Grant Shapps wurde von der Maßnahme offenbar überrascht. Er befindet sich Medienberichten zufolge gerade in Spanien im Urlaub. „Zahlreiche Minister dürften im Vorhinein gewusst haben, dass die Möglichkeit besteht, dass eine Quarantäne für Spanien-Urlauber verhängt wird“, kommentierte die Labour-Abgeordnete Diane Abbot. „Aber offenbar hat sich niemand die Mühe gemacht, Grant Shapps Bescheid zu sagen.“

Grant Shapps
AP//Andrew Parsons
Verkehrsminister Grant Shapps

„Wir haben die Entscheidung so schnell getroffen, wie wir konnten“, sagte der britische Außenminister Dominic Raab am Sonntag dem Nachrichtensender Sky News. Man habe damit auf einen „großen Anstieg an Covid-19-Fällen“ auf dem spanischen Festland reagiert, um eine zweite Infektionswelle zu verhindern, wie Raab betonte.

Flüge schon gestrichen

Für die unter der Krise stark leidenden Fluggesellschaften die Pflicht zur Selbstisolation ein heftiger Schlag. Sie befürchten nun neue Einbrüche bei den Fluggastzahlen und damit noch mehr Verluste. Der Reiseveranstalter TUI kündigte bereits an, seine Flüge von Großbritannien auf das spanische Festland bis inklusive 9. August zu streichen. Urlauber, die auf die Balearen und die Kanarischen Inseln reisen möchten, können ab Montag wie geplant ihre Reise antreten.

„Wir sind unglaublich enttäuscht, dass wir nicht früher von dieser Ankündigung erfahren haben“, sagte der TUI-Geschäftsführer für Großbritannien und Irland, Andrew Flintham. Schließlich wollten viele Briten am Wochenende in den Urlaub starten. Das britische Außenministerium empfahl auch, auf alle unvermeidbaren Reisen auf das spanische Festland zu verzichten.

Zuvor hatte die britische Regierung Spanien noch auf der Liste von Ländern geführt, die für Reisende als sicher galten – was bedeutete, dass Touristen, die nach Hause zurückkehrten, nicht unter Quarantäne gestellt werden mussten. Allerdings kam es in den vergangenen Wochen in Spanien zu einem Anstieg der Infektionszahlen. Daher sahen sich viele spanische Regionen dazu veranlasst, die Menschen zum Tragen einer Maske aufzufordern. Großbritannien ist aber selbst noch stärker von der Pandemie betroffen.

Strengere Regeln in Spanien

Bisher wurden in Spanien mehr als 272.000 Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus und mehr als 28.000 Tote registriert. Laut Johns Hopkins University gibt es in Großbritannien 257.138 bestätigte Fälle und mehr als 41.000 Tote. Vermutlich sind auch viele Briten, die nie auf das Virus getestet wurden, der Pandemie zum Opfer gefallen.

Zahlen der Statistikbehörden zufolge wurden schon fast 55.000 Todesfälle erfasst, bei denen Covid-19 im Totenschein erwähnt wurde. Nach Angaben des Epidemiologen und Ex-Regierungsberaters Neil Ferguson vom Imperial College hätte mindestens die Hälfte der Todesfälle in Großbritannien verhindert werden können, wäre der „Lock-down“ im März eine Woche früher durchgesetzt worden.

Zahl der Toten viel höher?

Nach Recherchen der Zeitung „El Pais“ könnte die Zahl der Toten im Land deutlich höher als in den amtlichen Statistiken sein. Das Blatt berichtet, es habe alle regionalen Fälle von bestätigten und vermuteten Todesfällen durch eine Infektion mit dem Coronavirus ausgewertet. Demnach seien 44.868 Patienten an dem Virus gestorben. Nach amtlicher Zählung gibt es 28.432 Todesfälle.