US-Präsident Donald Trump
Reuters/Carlos Barria
US-Wahl

Trump bringt Verschiebung ins Spiel

Für US-Präsident Donald Trump laufen viele Dinge gerade schlecht: Die Umfragewerte sind bescheiden, an seinem Umgang mit der Pandemie wurde viel Kritik laut. Die Proteste in den USA reißen nicht ab, zuletzt erreichte die Nachricht von einem historischen Konjunktureinbruch das Weiße Haus. So leicht bekommt Trump einen neuen Termin aber nicht.

Wie üblich brachte der US-Präsident auf dem Kurznachrichtendienst Twitter seine Idee unter die Leute: Er warf die Frage auf, ob die Wahl verschoben werden solle, bis die Menschen „korrekt und sicher“ abstimmen könnten. Sein Argument gegen eine geplante Abhaltung der Wahl im November ist die Briefwahl: Im Zuge der Coronavirus-Krise hatte diese wegen der reduzierten Infektionsgefahr an Popularität gewonnen. Trump hat wiederholt bestritten, dass eine Briefwahl korrekt ablaufen könne, Beweise legte er dafür nicht vor.

Die Demokraten fordern mehr Mittel für Briefwahlen, um den Wählern eine sichere Stimmabgabe zu ermöglichen. Trump lehnt das ab. Kritiker meinen, der US-Präsident wettere gegen die Briefwahl, weil sie eher dem Wahlergebnis der oppositionellen Demokraten helfen würde. Schon im Vorfeld rücke er den Wahlausgang in ein schiefes Licht – um das Ergebnis im Falle einer Niederlage in Zweifel ziehen zu können.

„Peinlichkeit für die USA“

Die Präsidentschaftswahlen könnten durch das Briefvotum die „fehlerhaftesten und betrügerischsten“ in der US-Geschichte werden, schrieb Trump nun am Donnerstag. „Es wird eine große Peinlichkeit für die USA“, fügte der Republikaner hinzu und fragte: „Die Wahl verschieben, bis die Menschen richtig und in Sicherheit wählen können?“

Am Donnerstag Abend legte Trump noch einmal nach: Das Wahlergebnis müsse in der Wahlnacht feststehen, „nicht Tage, Monate oder gar Jahre später“, forderte Trump auf Twitter in Anspielung darauf, dass die Auswertung von Stimmen, die per Briefwahl abgegeben werden, länger dauern könnte als die Auszählung der Wahlkabinenstimmzettel.

Nationalgarde im Demo-Einsatz

Die Gründe für Trump, den Wahltermin verschieben zu wollen, liegen auf der Hand. Die Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt ebben nicht ab. Gerade machte Trump die umstrittene Entsendung von Bundespolizisten aus dem Protesthotspot Portland rückgängig, nun drohte er mit der Nationalgarde.

Der Einsatz der Bundespolizisten hatte die angespannte Situation in Portland zusätzlich angeheizt. Bundespolizisten gingen wiederholt mit Gewalt gegen Demonstranten vor. Für Empörung sorgten unter anderem Aufnahmen, die zeigten, wie Polizisten in Tarnkleidung Demonstranten festnahmen und in nicht gekennzeichnete Fahrzeuge brachten. Der Bürgermeister von Portland, Ted Wheeler, schrieb am Mittwoch auf Twitter, Beamte hätten „fast einen Demonstranten umgebracht“. Er stimme mit Gouverneurin Kate Brown darin überein, dass Oregon seine Angelegenheiten am besten selbst regeln könne.

Die Behörden in Portland wollten das Problem auf lokaler Ebene lösen, sagte Trump. „Sie haben nur sehr wenig Zeit dafür“, betonte er. „Entweder sie werden es lösen oder wir werden die Nationalgarde schicken.“ Trump plante zudem die Entsendung von Bundespolizisten in drei weitere von den US-Demokraten regierte Städte.

Es kommt auf die Wirtschaft an

Die Coronavirus-Krise ist Anlass für weitere Baustellen Trumps: Sein Umgang mit der Pandemie wird stark kritisiert. Zunächst spielte er die Infektionen herunter, die Öffnung der Wirtschaft hatte Vorrang. Die Infektionszahlen in den US explodierten in der Folge: Mehr als 150.000 Menschen starben bereits nach einer Infektion mit dem Coronavirus, wie aus den Daten der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore hervorgeht.

Joe Biden
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In Umfragen liegt der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden bereits vor Trump

Trump liegt in Umfragen derzeit deutlich hinter seinem Herausforderer Biden von den Demokraten – einen Bewerber, den Trump nur „Sleepy Joe“ (Schläfriger Joe) nennt. Ein Faktor, der bisher für jeden Amtsinhaber im Weißen Haus vor einer Wiederwahl in Ordnung sein musste, sind die Konjunkturdaten. Kurz vor Trumps Idee, die Wahl zu verschieben, kam die Hiobsbotschaft dazu ausgerechnet von der eigenen Regierung. Wegen der Pandemie erlitt die US-Wirtschaft einen historischen Konjunktureinbruch. Das Bruttoinlandsprodukt ging im zweiten Quartal um auf das Jahr hochgerechnet 32,9 Prozent zurück, hieß es am Donnerstag in Washington. Das war der tiefste Einbruch in einem Vierteljahr seit Beginn der Aufzeichnungen.

Sanders: „Werden Wahl nicht verschieben“

Der Wahltermin ist allerdings gesetzlich festgeschrieben. In diesem Jahr ist es der 3. November. Der Termin kann nur vom US-Kongress verlegt werden. Dafür sind die Hürden groß: Die Demokraten haben im Repräsentantenhaus die Mehrheit, daher gilt eine Verschiebung als höchst unwahrscheinlich.

Der ehemalige Präsidentschaftskandidat der Demokraten, Bernie Sanders, will am Termin festhalten. Er schrieb auf Twitter: „Nein, Herr Präsident. Wir verschieben die Wahl nicht. Das amerikanische Volk hat Ihren Autoritarismus, Ihre Lügen, Ihren Rassismus satt. Am 3. November 2020 wird sich die Demokratie durchsetzen und Ihre katastrophale Präsidentschaft wird enden. Tschüss.“

Der demokratische Senator Tom Udall sah in Trumps Tweet ein Ablenkungsmanöver. Trump könne die Wahl nicht verzögern, schrieb er auf Twitter. „Wir sollten uns nicht von seiner #COVID19-Inkompetenz ablenken lassen. Aber die Tatsache, dass er dies auch nur andeutet, ist ein ernsthafter, schauriger Angriff auf den demokratischen Prozess. Alle Mitglieder des Kongresses – und der Regierung – sollten ihre Stimme erheben.“

Widerspruch in eigenen Reihen

Trump stößt mit seinem Vorstoß zu einer möglichen Verschiebung aber ebenso auf Widerspruch in den eigenen Reihen. Der Wahltermin sei „in Stein gemeißelt“, sagte der republikanische Mehrheitsführer im US-Senat, Mitch McConnell, am Donnerstag dem Sender WKNY zufolge.

Auch während früherer Krisen hätten in den USA Wahlen stattgefunden. „Wir dürfen die Wahl nicht verschieben“, sagte Senator Ted Cruz – wie Trump Mitglied der Republikanischen Partei. Der Vorsitzende des Justizsausschusses im US-Senat, Lindsey Graham, äußerte sich ebenfalls kritisch. „Ich denke nicht, dass eine mögliche Verschiebung der Wahl eine gute Idee wäre.“

„Wir sind eine Demokratie, keine Diktatur“

Der ehemalige Pressesprecher des Weißen Hauses unter Ex-Präsident George W. Bush, Ari Fleischer, rief Trump auf, die „schädliche Idee“ nicht weiterzuspinnen, und riet ihm, den Tweet zu löschen. „Das ist keine Idee, die irgendjemand, insbesondere POTUS (der Präsident der Vereinigten Staaten), in Umlauf bringen sollte“, schrieb Fleischer auf Twitter. „Unsere Demokratie basiert auf Wahlen, bei denen jeder die Regeln kennt und die für alle gelten. Der Wahltag ist und bleibt der 3. November 2020.“

Die US-Bürgerrechtsorganisation ACLU erklärte, man befinde sich in Amerika. „Wir sind eine Demokratie, keine Diktatur.“ Das Wahldatum sei festgelegt. „Nichts, was Präsident Trump sagt, tut oder twittert, kann diese Tatsache ändern.“