Die Berliner Polizei bei der Festnahme von Demonstranten
Reuters/Christian Mang
Berlin

Polizei löst Demo gegen CoV-Regeln auf

Eine Großdemonstration gegen die geltenden CoV-Bestimmungen ist in Berlin mit chaotischen Zuständen zu Ende gegangen. Wegen Verstößen gegen die Hygienebestimmungen war die Kundgebung, an der sich am Samstag Tausende Menschen beteiligten, zunächst abgebrochen worden. Als sich Demonstrierende weigerten zu gehen, löste die Polizei die Kundgebung auf.

Nach Schätzungen der Polizei hatten sich Samstagnachmittag bis zu 17.000 Menschen zunächst einem Demonstrationszug angeschlossen, rund 20.000 beteiligten sich anschließend an einer Kundgebung. Sie forderten trotz steigender CoV-Fallzahlen ein Ende aller Auflagen zur Eindämmung des Erregers. Da bereits während der Demonstration die Hygieneregeln nicht eingehalten wurden, stellte die Polizei Strafanzeige gegen den Leiter der Versammlung. Der erklärte den Demonstrationszug am Nachmittag für beendet.

Weil auch auf der anschließenden Kundgebung viele Demonstranten weder die Abstandsregeln einhielten noch Masken trugen, begann die Polizei am frühen Abend, die Versammlung mit Gewalt aufzulösen. Die Veranstalter seien nicht in der Lage, die Hygienemaßnahmen einzuhalten, sagte ein Polizeisprecher. Der Einsatz dauerte bis in die späten Abendstunden. Zahlreiche Demonstranten harrten vor dem Brandenburger Tor aus, laut Polizei wurden Menschen weggetragen, die sich weigerten zu gehen. Es gab zahlreiche Anzeigen.

Demonstration gegen die Coronavirus-Politik in Berlin
AP/dpa/Christoph Soeder
Die Protestierenden forderten ein Ende der Beschränkungen

„Masken weg“-Rufe

Die Polizei, die mit 1.100 Kräften im Einsatz war, hatte während der Demonstrationen mit Lautsprechern wiederholt auf die Einhaltung der Coronavirus-Auflagen hingewiesen. Sie forderte zum Abstandhalten und dem Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes (MNS) auf. Verstöße wurden nach Polizeiangaben dokumentiert, um diese im Nachhinein zu ahnden. Menschen, die einen MNS trugen, wurde aus dem Protestzug „Masken weg“ entgegengerufen.

Rekordanstieg an Neuinfektionen weltweit

Es war ein neuer Rekord an täglichen Neuinfektionen, den die WHO am Freitag registriert hat. 292 527 Fälle sind innerhalb von 24 Stunden gemeldet worden.

Bei den Demonstranten waren Ortsschilder und Fahnen verschiedener deutscher Bundesländer zu sehen. Ihrem Unmut über die Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus machten die Menschen mit Trillerpfeifen und Rufen nach „Freiheit“ oder „Widerstand“ Luft. Auch Parolen wie „Die größte Verschwörungstheorie ist die Corona-Pandemie“ waren zu hören.

Organisiert wurde die Demonstration von der Stuttgarter Initiative Querdenken 711. Nach Angaben von Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) riefen auch verschiedene Neonazi-Organisationen zur Teilnahme auf. Eine ebenfalls für Samstag angemeldete Veranstaltung des Verschwörungstheoretikers Attila Hildmann war im Vorfeld unter anderem wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung untersagt worden. Es war das zweite Verbot einer Hildmann-Kundgebung in Folge.

Gegendemonstranten abgeschirmt

Zudem fanden mehrere kleinere Gegendemonstrationen statt, unter anderem vom Berliner Bündnis gegen Rechts. Laut dpa wurden an mehreren Stellen die Protestierenden und die Gegendemonstranten von Polizeieinheiten abgeschirmt.

Gegendemonstranten mit Atemschutzmaske in Berlin
Reuters/Fabrizio Bensch
Bei einer Gegendemonstration wurde großteils auf Masken gesetzt

Kritik von politischer Seite

Unverständnis für die Demo gab es von politischer Seite. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken schrieb auf Twitter: „Tausende #Covidioten feiern sich in #Berlin als ‚die zweite Welle‘, ohne Abstand, ohne Maske. Sie gefährden damit nicht nur unsere Gesundheit, sie gefährden unsere Erfolge gegen die Pandemie und für die Belebung von Wirtschaft, Bildung und Gesellschaft. Unverantwortlich!“

Auch aus der CDU kam Kritik. Der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn schrieb auf Twitter: „Ja, Demonstrationen müssen auch in Corona-Zeiten möglich sein. Aber nicht so.“ Brandenburgs CDU-Landtagsfraktionschef Jan Redmann schrieb auf Twitter: „Wieder 1000 Neuinfektionen/Tag und in Berlin wird gegen Corona-Auflagen demonstriert? Diesen gefährlichen Blödsinn können wir uns nicht mehr leisten.“

Auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) übte heftige Kritik. Es ärgere ihn maßlos, dass Menschen aus anderen Teilen Deutschlands nach Berlin kämen, um hier ein Demonstrationsrecht auf Grundlage von Hygieneregeln wahrzunehmen, das sie dann missachteten, sagte Müller in der rbb-Abendschau. Die Demonstrierenden würden die Fakten nicht zur Kenntnis nehmen und riskierten damit die Gesundheit anderer Menschen. Er habe dafür kein Verständnis.

Wirtschaftsminister für härtere Strafen

Der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) plädierte für härtere Strafen bei Verstößen gegen die Coronavirus-Regeln. „Wer andere absichtlich gefährdet, muss damit rechnen, dass dies für ihn gravierende Folgen hat“, sagte Altmaier. „Wir dürfen den gerade beginnenden Aufschwung nicht dadurch gefährden, dass wir einen erneuten Anstieg der Infektionen hinnehmen.“

Eine zweite Welle könnte nach Einschätzung des Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, der Wirtschaft mehr schaden als die erste. „Denn viele Unternehmen sind angeschlagen, haben hohe Schulden und kaum mehr Rücklagen“, sagte er der „Rheinischen Post“ (Samstag-Ausgabe). Infolge der Krise brach das deutsche Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal zweistellig ein.

Robert-Koch-Institut warnt vor Verschärfung

Seit Mitte Juli zeigen die Coronavirus-Fallzahlen in Deutschland wieder eine schneller steigende Tendenz. Wie das Robert Koch-Institut (RKI) Samstagfrüh bekanntgab, meldeten die Gesundheitsämter innerhalb eines Tages 955 neue Coronavirus-Infektionen. „Eine weitere Verschärfung der Situation muss unbedingt vermieden werden“, schrieb das RKI in seinem aktuellen Lagebericht. „Das gelingt nur, wenn sich die gesamte Bevölkerung weiterhin engagiert, z. B. indem sie Abstands- und Hygieneregeln konsequent einhält – auch im Freien –, Innenräume lüftet und, wo geboten, eine Mund-Nasen-Bedeckung korrekt trägt.“