Champagner wird in Gläser gefüllt
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Wegen Coronavirus

„Champagner-Krieg“ in Frankreich

Die Coronavirus-Krise hat auch Auswirkungen auf die französische Champagner-Industrie. Denn dort sind die großen Champagner-Produzenten und die Winzerverbände, deren Mitglieder die Trauben liefern, tief zerstritten. Es geht darum, wie viel Champagner heuer produziert werden soll. Französische Medien sprechen – martialisch – bereits von einem „Grabenkrieg“.

Die wichtigsten Champagner-Marken fordern eine deutliche Reduktion der Ernte, da die Verkäufe aufgrund der Pandemie weltweit deutlich rückläufig sind. Die Winzer dagegen sehen sich durch diese Forderung in ihrer Existenz bedroht.

Traditionellerweise vereinbaren beide Seiten bis Ende Juli – rechtzeitig vor Beginn der Ernte – die Mengenkontingente für die Hunderten Weinbauern. Viele von ihnen beliefern die ganz großen Namen wie Veuve Clicquot und Pommery. Ziel der Mengenfestlegung ist es, das Risiko schlechter Ernten und drastische Preisausschläge zu verhindern. Doch heuer ist das Ringen besonders zäh – und eine große Verhandlungsrunde der Interessenverbände Ende Juli scheiterte.

Weinanbaugebiet in Montagne de Reims
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Die Trauben für den Champagner dürfen nur aus einer bestimmten Region stammen

„Seit 1945 nie vorgekommen“

Die Weinhändler haben bereits jetzt hohe Lagerbestände und fürchten, auf den Beständen sitzenzubleiben, wenn beim heurigen Jahrgang die Menge nicht reduziert wird. „Die Winzer wollen 8.500 Kilo pro Hektar und die Champagner-Häuser wollen 6.000 bis 7.000“, so Bernard Beaulieu, ein Winzer in Mutigny, einem Dorf südlich von Reims, dem Zentrum der Champagner-Region.

Der Kilopreis für die Trauben dürfte heuer mit etwa 6,50 Euro vergleichsweise hoch sein. Um entsprechend viel Geld geht es. „Es ist seit Ende des Zweiten Weltkriegs nie vorgekommen, dass es einen Monat vor der Ernte keine Einigung gab“, unterstrich Beaulieu gegenüber der Nachrichtenagentur AFP die Dramatik der Lage. Und die Website des französischen Radiosenders France Bleu zog einen Vergleich mit dem Stellungskrieg in den Schützengräben im Ersten Weltkrieg.

Keller mit Champagner-Flaschen
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Die Kohlensäure entsteht bei einer zweiten Gärung in der Flasche

Eine Milliarde Flaschen in Kellern

Die Vereinigung der Champagnerproduzenten (UMC) rechnet damit, heuer 100 Millionen Flaschen weniger zu verkaufen. Das würde eine Reduktion der Verkaufserlöse auf 3,3 Mrd. Euro bedeuten – und einen Rückgang um ein Drittel im Vergleich zum Vorjahr.

Und dazu lagern laut UMC in den Kellereien noch rund eine Milliarde Flaschen. UMC-Chef David Chatillon wollte sich gegenüber AFP zum aktuellen Patt in den Verhandlungen nicht äußern. Er werde erst nach der nächsten großen Verhandlungsrunde, die für 18. August anberaumt ist, Stellung nehmen.

Die Winzer sind auch deshalb besonders über die von ihnen geforderte drastische Reduktion erzürnt, weil die heurige Ernte, die am 20. August startet, „außergewöhnlich gut“ zu werden verspricht. Mit Mengen von bis zu 16.000 Kilo pro Hektar.

Krise könnte jahrelang dauern

Maxime Toubart, Chef des Winzerverbands SGV, warf der Gegenseite vor, die Existenzen von Winzern aufs Spiel zu setzen, nur um von der Pandemie profitieren und die eigenen Lagerkosten reduzieren zu können. Toubart verwies darauf, dass die Winzer von der Regierung keine coronavirusbedingte Steuerentlastung erhalten hätten. Allerdings kündigte Ministerpräsident Jean Castex diese Woche weitere Hilfen für die Winzer an. Die staatlichen Hilfen würden auf 250 Millionen Euro aufgestockt, sagte Castex bei einem Besuch der Weingüter Menetou-Salon und Sancerre im Loire-Tal.

Ähnlich wie beim Winzerverband SGV ist die Stimmung bei den rund 400 unabhängigen Winzern der Champagne, die auch selbst Champagner keltern. „9.000 Kilo je Hektar ist das Limit, wir können nicht darunter gehen“, so Yves Couvreur von FRVIC.

Er rechnet damit, dass die Krise „zwei bis drei Jahre“ dauern wird. Sein Vorschlag: Die fixen Erntekontingente für diese Zeit aussetzen, und alle Produzenten sollten dann selbst versuchen, wie sie mit der Situation zurechtkommen.

„Von ihren Marken leben“

Winzer, die ihre Trauben verkaufen, würden erst bei größeren Mengen Gewinn machen – anders als die Produzenten, die „von ihren Marken leben“, so Couvreur. Er will daher die Verhandlungsposition der Winzer stärken: Diese sollten ihre Weine nicht wie bisher nur 15, sondern bis zu 24 Monate reifen lassen dürfen. Übrigens: Sollte auch am 18. August keine Einigung erreicht werden, liegt die Entscheidung beim staatlichen Institut für Herkunft und Qualität (INAO). „Wenn das passiert, ist es für beide Seiten ein Würfelspiel“, warnte Beaulieu.