EU warnt Behörden in Hongkong: Ruf gefährdet

Die EU hat die Behörden in Hongkong dazu aufgefordert, Entscheidungen zur anstehenden Parlamentswahl zu überdenken. „Die vorgeschlagene Verschiebung der Wahlen zum Legislativrat um ein Jahr (…) würde die Erneuerung seines demokratischen Mandats verzögern und die Ausübung der nach dem Grundgesetz von Hongkong garantierten demokratischen Rechte und Freiheiten infrage stellen“, erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell gestern Abend im Namen der Mitgliedsstaaten.

Zudem schwäche der jüngst verfügte Ausschluss von demokratiefreundlichen Kandidaten den internationalen Ruf Hongkongs als freie und offene Gesellschaft. „Der Schutz der bürgerlichen und politischen Rechte in Hongkong ist ein wesentlicher Bestandteil des von der EU unterstützten Prinzips ‚Ein Land, zwei Systeme‘“, heißt es in der Erklärung.

Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam hatte am Freitag bekanntgegeben, dass die für September geplante Parlamentswahl in der chinesischen Sonderverwaltungsregion um ein Jahr verschoben wird. Sie begründete die Verlegung mit dem Risiko durch das Coronavirus, da die Zahl der Neuinfektionen in Hongkong jüngst wieder angestiegen ist. Kritiker sehen in der Wahlverschiebung hingegen den Versuch, eine Blamage zu verhindern, da der Unmut über das pekingtreue Regierungslager und das umstrittene neue „Hongkong-Gesetz“ groß ist.

Frankreich stoppt Auslieferungsabkommen mit Hongkong

Als Reaktion auf das neue umstrittene „Hongkong-Gesetz“ stoppt die französische Regierung die Ratifizierung eines Auslieferungsabkommens mit der chinesischen Sonderverwaltungszone. Angesichts der „jüngsten Entwicklungen“ werde Frankreich das im Mai 2017 unterzeichnete Auslieferungsabkommen vorerst nicht ratifizieren, erklärte das Außenministerium unterdessen in Paris.

Das „Hongkong-Gesetz“ schränkt die Autonomierechte Hongkongs stark ein. Seit seinem Inkrafttreten im Juni haben bereits Länder wie Deutschland, Großbritannien, Kanada und Australien Auslieferungen nach Hongkong eingestellt.

Nach dem umstrittenen Gesetz können Aktivitäten, die von den Behörden als subversiv, separatistisch, terroristisch oder als Verschwörung mit ausländischen Kräften eingestuft werden, mit lebenslangen Haftstrafen geahndet werden. Bestraft wird unter anderem das Propagieren der Unabhängigkeit Hongkongs. Dafür reicht es, im Besitz entsprechender Flaggen, Aufkleber bzw. Flugblätter zu sein.

Das Gesetz stellt damit den bisher schwersten Eingriff in den Autonomiestatus Hongkongs dar. Der früheren britischen Kronkolonie waren bei ihrer Übergabe an China 1997 für 50 Jahre Sonderrechte gewährt worden, darunter Meinungs- und Versammlungsfreiheit.